Unsere Realität ist Fiktion

Vor beinahe 25 Jahren schrieb JG Ballard in seinem Vorwort zur Neuauflage von CRASH: “Wir leben in einer Welt, die von Fiktionen jeglicher Art regiert wird, Massenkonsum, Public Relations und Politik agieren wie Ableger der Werbeindustrie, individuellen emotionalen Reaktionen wird durch das Fernsehen vorgebeugt. Wir leben in einem gigantischen Roman.”

Ballard war gnädig, als er die uns umgebenden und unser ganzes Leben beinflussenden – ja bestimmenden – Fiktionen als Roman bezeichnete, der Begriff Scripted Reality ist zutreffender. 1995 herrschte das TV-Zeitalter. Heute leben wir im Internet-Zeitalter, das mittels Smartphone jeden zu jeder Zeit an jedem Ort mit ideologischen Botschaften erreicht.

Die gegenwärtig alles dominierende Fiktion wird von ihren Profiteuren als alternativlos bezeichnet. Das ist natürlich absoluter Blödsinn und klarer Beweis für die ideologische Verblendung und/oder der Phantasielosigkeit dieser Claqueure …

Halt, viel schlimmer noch: Es ist der Job, für den sie bezahlt werden.

JG Ballard 1930 – 2009

Ballards Erkenntnisse für die Gegenwart lauten:

Die erste Aufgabe des Schreibers in der heutigen Zeit ist es deshalb, die von all diesen Fiktionen zugeschüttete Wirklichkeit auszugraben, die Fakten offenzulegen und sichtbar zu machen.

Die zweite Aufgabe ist es, neue Ideen und Hypothesen anzubieten und diese an den Fakten zu messen.

Demnach fällt dem Fiktion-Autor die Aufgabe zu, die Realität zu erfinden und erfahrbar zu machen. Obgleich es eine subjektive Wirklichkeit ist, eröffnet sie dem Leser die Möglichkeit, die eigenen Überlegungen an ihr zu überprüfen und sich eine persönliche Meinung zu bilden.Die Romane von Ballard regen zum Denken an. Besonders seine drei in den 1970er Jahren veröffentlichten Bücher Crash, Concrete Island und High Rise, in denen die Schrecken unserer Gegenwart beleuchtet werden – und das ganz ohne Smartphone-Komfort und Social-Media-Bestätigung.


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