VIGILANTEN – work in progress 13

Nach der Festnahme geht es auf der Polizeiwache mit dem Verhör weiter. Ein schwieriges Unterfangen …

Der schmale 14-Jährige fläzte sich in Handschellen auf einen Stuhl neben einem Schreibtisch in dem Großraumbüro der Polizeiwache Oststraße. Das Gesicht gerötet, die Augen vom Pfefferspray tränenverquollen, blickte er verstohlen dem Fahrer hinterher, der in eine Arrestzelle geführt wurde.

„Wie lautet dein Name?“ Neben ihm saß ein dicker Polizist um die fünfzig mit aufgekrempelten Ärmeln und Lesebrille vor einem alten Computer. Der Junge reagierte nicht. Einen Schluck Kaffee nehmend, fragte der Polizist ein weiteres Mal: „Also, wie lautet dein Name?“

Schweigend betrachtete der Junge die blonde Frau mit Zopf, die ihn von einem gerahmten Werbeplakat für den Polizeidienst an der grauweißen Wand hinter dem Dicken anschaute und mit leicht geöffneten roten Lippen ,Genau mein Fall!‘ versprach.

„Komm Junge, ich finde’s sowieso heraus. Jetzt lass das Theater sein. Wie heißt du?“

„Ich ficke dich“, sagte der Junge den dicken Polizisten weiterhin ignorierend auf Arabisch zu der Frau auf dem Plakat.

In diesem Moment betrat ein Maßanzugträger mit Aktentasche, pomadigen Haaren und rahmengenähten Lederschuhen das Großraumbüro. Er hielt einem älteren Mann mit Halbglatze, schlecht sitzendem Sakko und offenem Hemd sowie dessen zwanzig Jahre jüngeren Ebenbild in Baggypants und Sweatshirt die sicherheitsverglaste Pendeltür auf, ehe er selbst an den längs den Raum teilenden Tresen herantrat.

Er sagte: „Ich möchte sofort mit meinem Mandanten sprechen.“

In der Spiegelung der Posterglases erkannte der Junge seinen Vater Ghassan und seinen ältesten Bruder Wahid.

Der dicke Polizist vor dem Computer sah auf. „Einen Augenblick. Immer der Reihe nach.“

Der Maßanzugträger legte eine Visitenkarte auf den Tresen. „Mein Name ist Dr. Claus Legat, ich bin der Anwalt des Jungen dort.“

Als der 14-Jährige den Blick seines Vaters spürte, schaute er beschämt zu Boden.

„Dann wissen Sie ja auch, wie der Junge heißt“, sagte der Polizist.

„Zuerst möchte ich mit meinem Mandanten sprechen.“

„Zuerst nehmen wir die Personalien des jungen Mannes auf, Herr Anwalt“, erwiderte der Polizist und an den Jungen gewandt: „Sag mir bitte deinen Namen.“

„Wo ist Ihr Chef?“, fragte der Anwalt, obwohl er den Leiter der Polizeiwache längst hinter den halb geöffneten Jalousien des Fensters zum Nebenzimmer ausgemacht hatte.

Ghassan Rifi wandte sich auf Arabisch an seinen ältesten Sohn. Wahid wiederholte auf Deutsch: „Mein Vater sagt, sein Sohn hat nichts gemacht, Sie sollen ihn freilassen.“

„Ach, der Junge gehört zu Ihnen?“, sagte der Polizist gespielt erstaunt.

Revierleiter Willes verließ sein Büro. „Sieh an, die Familie Rifi. Tach, meine Herren.“

„Herr Willes, haben Sie einen Raum, wo ich ungestört mit meinem Mandanten reden kann?“

„Lass dir von Herrn Legat die Personalien des Jungen geben, Hubert, dann dürfen die beiden ungestört miteinander sprechen“, sagte Willes an den dicken Polizisten gewandt.

Erwartungsvoll sah Hubert über seine Lesebrille hinweg den Rechtsanwalt an.

Ghassan Rifi knurrte etwas auf Arabisch zu dem 14-Jährigen. Der Junge stand auf. Sofort fasste Hubert ihn am Arm und zog ihn zurück auf den Stuhl.

Willes sagte zu Rifi senior: „Sie haben hier gar nichts zu befehlen, verstanden.“

„Bitte, Herr Rifi, lassen Sie mich das regeln“, wandte sich Legat eilig an seinen Mandanten.

Jetzt sagte Ghassan Rifi etwas zu seinem ältesten Sohn.

Wahid holte ein Bündel Geldscheine aus der Hosentasche und fragte einige Scheine abzählend: „Wie viel kostet das?“

„Wie viel kostet hier was?“, rief Willes empört.

Eilig bedeckt Legat die Geldscheine mit einer Hand.

„Kommen Sie, Willes“, sagte der Anwalt, „niemand will hier Probleme machen. Lassen Sie mich mit dem Jungen reden.“

„Steck bloß dein Geld weg, aber ein bisschen plötzlich“, blaffte der Leiter der Polizeiwache Wahid Rifi an.

Wahid grinste ihm ins Gesicht.

Erneut sprach Ghassan auf Arabisch zu seinem jüngsten Sohn, der daraufhin den dicken Polizisten erstmals anschaute und betont lässig sagte: „Ziad Rifi.“

Mit zwei Fingern tippte Hubert den Namen in das dafür vorgesehene Feld der Protokollmaske ein. Das Programm reagierte nicht. Er drückte mehrfach die Escapetaste, aber der alte Computer hatte sich aufgehängt.

Ziad fuhr fort: „Geboren am 12. Oktober – “

„Moment, Junge“, unterbrach Hubert ihn frustriert. „Ich muss hier erst‘n technisches Problem lösen.“

Doch der Junge redete einfach weiter …

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