KANZLERSCHAFT DER BEDEUTUNGSLOSIGKEIT

Nachdem Max Säger wieder rückfällig geworden ist, haben seine suffinduzierten Fieberphantasien zugenommen. Jetzt suchte ihn, als er im Rausch sein Oujia-Brett malträtierte, der Geist von William S. Borroughs heim und nötigte ihn zur Strafe für die Missachtung der Buchstabenbrücke ins Jenseits, folgenden Schwachsinn über Kanzlerschaft und Macht in der vierten deutschen Republik zu notieren …

Das Simulacra atmet.

Digitale Zahlen flackern über seine Netzhaut. Es ist nach Ende seiner Beutezüge aus dem Wirtschaftsasyl in die Politik zurückgekehrt, um endlich den Thron der Macht zu besteigen.

FM 2.0 – ein Name, der durch die Korridore des Bundestages hallt wie das metallische Prasseln der Talermünzen in Onkel Dagoberts Geldspeicher.

Da hockt es nun im Kanzleramt, hinter seinem Schreibtisch mit der glatten, glänzenden Oberfläche, auf der sich die Schmarotzer des Heuschreckenkapitals schwarmgleich tummeln.

Ähneln seine Augen Urinlöchern im Schnee? Ist sein Lächeln ein kalkulierter Automatismus, das Resultat eines Algorithmus der Zivilität vorgaukelt? Klingt es, wenn es redet, wie ein hochnäsiger Besserwisser, der gelernt hat, dass Gesetze nichts anderes sind als legalisierte Privilegien für seine Geldgeber?

Hohle Worte über Wertschöpfung und Wachstum wabern in der Luft die wie Abgase über Berlin.

Effizienz und Erträge müssen sein, behauptet der kühle Sachverstand.

Da ist kein Mensch, sondern stoffgewordene Servilität für BlackRock und Co. am Werk. Das gehackte Gehirn ist eine Datenbank, vollgepfropft mit Bilanzen, Dividenden, Boni.

Es träumt nicht – es kalkuliert.

Draußen in den Straßen verdunsten die Hoffnungen der Bevölkerung.

Die um ihre Pfründe bangenden Spießbürger flüchten sich zunehmend in feuchte Faschophantasien vom Dichtmachen und Durchgreifen.

Die abgerutschten Armen, die Ausgestoßenen, die Verrückten haben ausgeträumt. Sie sind längst abgeschrieben, lästige Fehler im System, die eliminiert werden müssen.

Es sieht nur sich und den Willen seiner Eigentümer.

Die Parole heißt: Aufrüsten bis zum Sieg.

Wer glaubt, dass es in stillen Momenten, wenn der letzte Lobbyist zufrieden vom Hof gefahren ist und die Kameras der Hofberichterstatter erloschen sind, am Fenster steht und reflektiert, der irrt. Denn dann würden es die Ängste und Selbstzweifel, die Schmach der frühen Niederlagen, die Flucht in die Arme der Konzerne und ihrer Aufsichtsräte heimsuchen, an die es sich verscherbelt hat mit dem USP, politische Kontakte und Zugang zu parlamentarischen Entscheidern zu garantieren.

Vielleicht würden sogar ein, zwei Erinnerungen an die Zeiten vor der totalen Verdinglichung aufflackern, an unschuldige Kindertage, an etwas entfernt Menschliches. Aber keine Sorge, die Gefahr besteht nicht, da ist das künstliche Über-Ich vor. Am Ende souffliert es immer: Hauptsache, du findest dich gut.

Und das tut es, sich gut finden. Ganz besonders jetzt als Kanzlersimulacra dieser siechen Republik. Ziel erreicht. Nur will keine innere Befriedung einkehren. Merke, Simulacra ruhen nie.

In Momenten der Wahrheit enthüllen wir uns vor den anderen, am meisten aber vor uns selbst, hatte La Rochefoucauld einst bemerkt. Das war zu Zeiten des Barocks. Das gilt nicht mehr. In unseren Zeiten sind die Mandatsträger Ausführungsorgane bar jeder Selbsterkenntnis. Sie sind erfüllt vom Sendungsbewusstsein ihres unersättlichen Ichs.

Und es steht ihnen voran. Vorerst. Solange es funktioniert, wie es sich für einen Platzhalter gehört.

Denn das herrschende System braucht es und seinesgleichen nicht. Simulacras dienen dem Schein. Das System wurstelt weiter von ganz allein – unaufhaltsam, unerbittlich, unerträglich deutsch.

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