Ob Trump in Saudi-Arabien den ehemaligen Al-Quaida-Terroristen cum selbsternannten syrischen Präsidenten umarmt und in höchsten Tönen lobt, ob Macron und Merz im Sonderzug von und/oder nach Kiew angeblich eine Nase Stärkungsmittel konsumieren (wie gemessen an den Restmengen im Abwasser großer Städte Hunderttausende ihrer Wähler?), ob die Systemmedien die „Wahrheit im Sinne der Herrschaft der Eigentümerklasse“ hinausposaunen, alles dient dem gleichen Zweck: Aufmerksamkeit um jeden Preis. Wer nicht wahrgenommen wird, der existiert nicht. Zehn Überlegungen, die jeder nachprüfen kann:
- Die parlamentarische Politik hat sich vollständig zum Spektakel verwandelt, indem die Repräsentation des Handelns das Handeln selbst ersetzt. Die Politiker existieren heute primär als Bild, als digitale Repräsentation ihrerselbst, die durch soziale Netzwerke geistert.
- Die Trennung zwischen politischer Substanz und ihrer medialen Inszenierung ist vollständig aufgehoben. Schon McLuhan behauptete in den 1960ern: „Das Medium ist die die Botschaft.“ Dies gilt heute umso mehr. Ein Meme ist „politische Handlung“ im Sinne ihrer maximalen Verbreitung. Oder altmodisch formuliert, die Zirkulationsfähigkeit als Video, Bild, Tweet mit möglichst vielen Likes durch Verlinkungen und Weiterverbreitung (Re-Tweet).
- Der parlamentarische Betrieb ist oberfläch ein Bilderproduzent, der Ordnung vorgaukelt, die Gesetze werden durchgepeitscht, wie die Ideologie der Herrschenden es verlangt. (Siehe Grundgesetzänderung zu Sondervermögen vor Neukonstituierung des Bundestages.)
- Die Debatten vor leeren Parlementssitzen werden primär nicht geführt, um die richtigen Lösungen zu finden, sondern um Material für die digitale Selbstdarstellung zu generieren. Die Kamera ist der eigentliche Adressat jeder Rede.
- Wählergruppen sind unterteilt in Freunde (Gut) und Feinde (Böse). Der Konsenz der Guten ist die Brandmauer gegen die Bösen. Die Ursachen für die gesellschaftliche Spaltung, für die sie im hohen Maße mitverantwortlich sind, werden bewusst ausgeblendet.
- Politische Erfolge bemessen sich an Metriken der Aufmerksamkeitsökonomie: Reichweite, Engagement, Follower. Das Gemeinwohl als Kategorie ist obsolet, da der digitale Applaus das eigentliche Ziel ist. Denn der alleine soll für Zustimmung und Machterhalt sorgen.
- Die permanente Selbstdarstellung der Politiker in sozialen Medien erzeugt den Schein von Nähe und Transparenz, während sie tatsächlich eine neue Form der Entfremdung darstellt. Die Unmittelbarkeit des digitalen Kontakts verhindert die vollständige Vermittlung aller politischen Beziehungen. Simplifizierung ist eine Grundanforderung des Spektakels. Gefühle übersteuern Gedanken.
- Was früher Medienkumpanei war, ist heute Algorithmen gesteuerte Content-Strategie. Die Ideologie verlangt parlamentarische Demokratie als Reality-Show, in der die Inszenierung des Politischen das Politische selbst verschlungen hat. Jede Handlung wird nur noch an ihrem Potenzial als spektakuläres Ereignis gemessen. Deshalb muss jedes Ereignis zum Skandal oder Siegesrausch eskaliert werden. Die Lüge regiert.
- Die Verwandlung des Gemeinwohls in eine Sequenz von Bildmomenten ist die perfektionierte Form der kapitalistischen Entfremdung im politischen Raum. Die Möglichkeit einer authentischen politischen Praxis jenseits des Spektakels wird systematisch eliminiert, weil systemisch ausgeschlossen. Damit existiert keine Demokratie, sondern dessen Vorgaukelung.
- Die Technofeudalherrschaft der Oligarchen, denen die neue mediale Infrastruktur des Spektakels gehört, zementiert die Herrschaft der Eigentümerklasse, die Profit über alles Leben stellt.
Die sich nun aufdrängende Standardfrage, könnt ihr euch alle selbst denken.
Hoch die Tassen mit der Flüssigkeit, die alles erträglicher macht.