UFC – Amerikas Techno-Feudalismus Trainingsplatz

Max Säger wagte sich runter vom Hocker und in den Käfig, wo sich echte Kerle und echte Frauen nach Geschlechtern und Gewichtsklassen getrennt, gleichermaßen technisch anspruchsvoll bekämpfen. MMA, Mixed Martial Arts, läuft im Publikumsgeschmack dem vom organisierten Verbrechen verseuchten Boxen den Rang ab und ersetzt es … Ja, mit was genau …

Okay, Leute, das Erste, was Ihr über die Ultimate Fighting Championship verstehen müsst, ist, dass es nicht ums Kämpfen geht. Na, klar ist Kämpfen der Ausgangspunkt, aber in Wahrheit geht es um Konditionierung. Pawlowsches Reaktionstraining für ein Publikum, das glauben soll, es verfolge moderne Gladiatoren beim blutigen Spektakel nach sportlichen Regeln, während es in Wahrheit der perfektesten Form des Spätkapitalismus beiwohnt, die menschliche Schinderei in Shareholder Value verwandelt.

Junge, Junge, wo fängt man bei diesem Monstrum am besten an?

Vielleicht bei den Zahlen, denn Zahlen lügen nicht (im Gegensatz zu den Leuten, denen die Zahlen gehören, die lügen garantiert, wetten?). Die UFC erwirtschaftete 2024 1,406 Milliarden Dollar. Die Kämpfer, die tatsächlichen Akteure im Käfig, die ihre Gesundheit für unsere Bespaßung riskieren, erhielten rund 15 % dieser Einnahmen. Das ist weniger als das Trinkgeld, das Ihr in einem anständigen Restaurant auf dem Tisch zurücklasst, wenn Ihr keine kompletten Arschgeigen seid.

Vergleicht das mal mit jedem anderen großen Profisport in den USA, wo die Athleten typischerweise etwa 50 % der Gesamteinnahmen kassieren. Aber dann wiederum lassen sich Basketballspieler nicht freiwillig zwei bis dreimal im Jahr das Hirn weichkloppen, während ein kahlköpfiger Megalomane in 3000 Dollar teuren Designerfreizeitklamotten quoram publico von Rekordtageskassen tönt.

Die Fusion der Abzocker

Diese Geschichte handelt also nicht von Mixed Martial Arts, sondern vom größten Corporate Shell Game der modernen Sportgeschichte. Im September 2023 fusionierte Endeavor CEO Ari Emanuel, ein Mann, gegen den Gordon Gekko ein barmherziger Samariter ist, die UFC mit der WWE (World Wrestling Entertainment) unter dem Dach einer Holding namens TKO Group. Das Konstrukt hat eine Marktkapitalisierung (market cap) per gestern von rund 32 Milliarden Dollar, was ungefähr dem BIP von Georgien oder El Salvador entspricht, außer dass in den Ländern systematisch ausgebeutete Arbeitnehmer nicht „unabhängige Vertragspartner“ heißen, na vielleicht in El Salvador.

Das war keine Fusion zweier Entertainmentgiganten, es war eine feindliche Übernahme der amerikanischen Psyche. Zwei verschiedene Formen künstlich fabrizierter Gewalt operieren nun unter einem Konzerndach. Das ist in etwa so, als würde Pfizer beschließen, neben Viagra auch Crack zu verkaufen. (Hey, gute Idee, ich sollte Pfizers CEO Pferdedoktor Bourla anrufen.)

Dana White (Trump-Kumpel und nun auch im Aufsichtsrat von Facebook, oder?), der ewige UFC-Präsident und Freizeit-Soziopath – die neueste Ausgeburt seiner „Unterhaltungskreativität“ heißt Power Slap, wo erwachsene Menschen sich gegenseitig ohne Gegenwehr Gehirnerschütterungen mit der flachen Hand verpassen –, präsidiert nun über ein Unternehmen, das schneller Geld druckt als die Federal Reserve. Während Vince McMahon, Wrestling’s alternder Obermaxe, Blondinengrapscher und Meister des Retortendramas fürs Prekariat, die Kontrolle über sein Imperium abgab, nachdem er jahrzehntelang Wrestler wie Lohnsklaven in phantasievollerer Arbeitskleidung ausgepresst hatte.

Das Timing hätte besser nicht sein können. Die Fusion geschah genau zu dem Zeitpunkt, als die amerikanische Demokratie vollends zur öffentlichen Reality-TV-Show mutierte. Seitdem regieren die Geldgeber völlig schamlos und ganz offiziell und die 99 % sind absolut in den Arsch gekniffen.

Die Gladiatoren-Wirtschaft

Die UFC hat die Kunst verfeinert, maximale Erträge aus menschlichen Körpern zu pressen und es als große Unterhaltung zu verkaufen. Reaktionärer Feudalismus meets perfektioniertes Marketing.

Die Kämpfer sind Lohnsklaven, physisch wie digital. Sie sind nicht an Länder gekettet, sondern an Plattformen. Sie können ihre „Kunst der Gewalt“ nicht anderswo frei anbieten, obwohl sie „unabhängige Vertragspartner“ sind. Sie können auch nicht kollektiv verhandeln, denn die UFC hat nahezu eine Monopolstellung inne. (Strikeforce ist erledigt. Bellator mit PFL fusioniert und rutscht langsam in die Bedeutungslosigkeit.) Jeder Versuch, eine Athletengewerkschaft zu bilden, wird schneller niedergemacht als ein Fliegengewichtler von Francis Ngannou.

Fakt ist: Die Athleten verzichten per Vertragsunterschrift auf ihr Recht zu klagen, auf ihr Recht, sich eigene Sponsoren zu suchen, sie verzichten auf alle Rechte eines „unabhängigen Vertragspartners“ außer dem Vorrecht, in die Fresse geschlagen zu werden. Und das für Kleingeld.

Unterdessen konsumiert das Publikum, das sind wir, dieses Spektakel, als wäre es das Natürlichste der Welt. Wir wurden konditioniert, das profitmaximierende Matchmaking zu bejubeln (Dana White und Kumpel Hunter entscheiden, wer gegen wen kämpft), die willkürlichen Rankings zu beklatschen (die sich je nach Stimmung und Pay-per-View-Potenzial ändern) und den Ritualen vor, bei und nach den Kampfnächten wie eine beglückte Pilgerschar im Merchandisingrausch (aka Devotionalienfieber) beizuwohnen. Gegen sauer verdiente harte Währung, versteht sich.

Die Gleichschaltung der Fanhirne

Die psychologische Konditionierung ist abgewichster als alles, was sich die Werbeagenturen der Madison Avenue in New York ausdenken. Die UFC hat herausgefunden, wie man die Wut des Proletariats/Prekariats/Packs in passiven Konsum kanalisiert. Anstatt sich gegen das System zu organisieren, das sie gnadenlos plattmacht, zahlen die Leute 79,99 Dollar, um anderen Leuten beim gnadenlosen Plattmachen in 4K zuzuschauen. Wo sonst werden Gegner am Boden mit Hammerfistschlägen malträtiert wie im Straßenkampf und in Parlamenten von Vorzeigedemokratien?

Die UFC zelebriert „Ersatzgewalt“ als Instrument sozialer Kontrolle. Jeder, der Alex Pereira anfeuert, wie er jemanden ausknockt, bekommt einen kleinen Glücksschauer, eine Art „katartsischer Befreiung“, die sonst nur tatsächliche politische Emanzipation schaffen könnte. Das hat die Funktion eines Ablassventils für gesellschaftlichen Überdruck, nur dass dieses Ventil darauf ausgelegt ist, den Gestalten zu nutzen, die diesen Überdruck überhaupt erzeugen: der rabiaten Eigentümerklasse.

Die „Stammesloyalität“ der Fans ist noch perfider. Sie entwickeln parasoziale Beziehungen zu den Kämpfern, einseitige emotionale Bindungen, die ihnen das Gefühl geben, Teil von etwas Großem und Bedeutungsvollem zu sein. In Wahrheit sind sie nur Datenpunkte in einem Algorithmus, der darauf ausgelegt ist, Verweildauer und Umsatz zu maximieren. (Der bezahlte Fußball funktioniert ähnlich.)

Die promotete archtypische Story jedes UFC-Heldens ist die einer Person, die sich aller Widrigkeiten zum Trotz mit Blut, Schweiss, Tränen und harter, sehr harter Arbeit hochkämpft und im Erfolg niemals ihre Familie und ihre Herkunft vergisst. Die Champs tun Gutes, indem sie etwas an die Gemeinschaft zurückgeben und die weniger Glücklichen an ihrem Erfolg teilhaben lassen.

Das ist menschlich und lobenswert – und absolutes Kalkül der UFC. Es geschieht mit voller Absicht. So kultiviert man treue Fans und bereitet den Populus zugleich auf den Techno-Feudalismus vor: man lehrt das Pack, sich mit willkürlicher Autorität, algorithmischer Entscheidungsfindung, extremer Ungleichheit und vor allem der Idee zu arrangieren, dass individuelle Anpassung besser ist als kollektiver Widerstand.

Der techno-feudale Trainingsplatz

Was uns zum eigentlichen Punkt bringt: Die UFC ist ein Labor für postdemokratische Herrschaft. Jeder Aspekt, wie diese Organisation operiert, spiegelt die techno-feudale Ordnung wieder, die das ersetzt, was wir bisher Kapitalismus nennen. Sie ist sogesehen ein fleischgewordenes Marvel-Universum. Mehr noch als die WWE, weil Wrestling immer klar erkennbar Show/Entertainment war.

MMA dagegen ist bodenständig und „ehrlich“. Und wie ehrlich die UFC ist:

Plattformmonopole? Jawohl, Haken dran. Die UFC kontrolliert praktisch jeden Aspekt der MMA-Landschaft, von den Kämpferverträgen bis zu den Medienrechten und dem Merchandising. Kämpfer sind an die Plattform gebunden, wie mittelalterliche Bauern an das Land ihrer Lehnsherren-Fürsten.

Algorithmische Oberhoheit? Jawohl, doppelter Haken dran. Ranglisten, Matchmaking, sogar die Boni „Kämpfer der Nacht“ werden von undurchsichtigen Algorithmen (und Dana Whites Launen) bestimmt, auf die Kämpfer und Fans null Einfluss haben, die sie aber als objektiv und fair akzeptieren sollen.

Normalisierung von Überwachung und Kontrolle? Dreifacher Haken. Die umfassende Überwachung der Kämpfer, ihrer Körper, ihres Verhaltens und ihrer Social-Media-Präsenz würde ein chinesisches Social-Credit-System neidisch machen. Und die Fans feiern diese Invasion der Privatsphäre als Sicherstellung von „Integrität“ und „Sauberkeit“ im Sport.

Finanzfeudalismus? Vierfacher Haken. Die UFC kassiert auch noch bei jeder Form von Fan-Engagement mit, wie Abonnements, Wetten, Fantasy-Sports, NFTs usw., während die tatsächlichen Wertschaffer (die Kämpfer) systematisch Jahr für Jahr ihren Erlösanteil sinken sehen.

Das Zahlenspiel

Lasst uns noch einmal über diese 15 % sprechen, weil es die wichtigste Zahl im US-Sport ist. Sie repräsentiert den mathematischen Ausdruck des Systems, das Menschen zu Rohstoffen für die Finanzmaximierung macht.

2022 kürzte die UFC die Gehälter der Kämpfer um 32,8 Millionen Dollar, während sie den Umsatz um 224 Millionen und den EBITDA (Einkommen vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen) auf 120 Millionen Dollar steigerte. Denkt drüber nach: Man hätte jedem der 600 Kämpfer zusätzlich 50.000 Dollar (= 30 Milionen insgesamt) Bonus geben können und trotzdem mehr Gewinn als im Vorjahr erzielt. Stattdessen strichen die Shareholder das Geld ein und sagten den Kämpfern, sie sollten dankbar sein, einer so großartigen Organisation anzugehören. Relativ gut verdienen die Zugpferde der UFC. Sie kassieren ein paar Millionen vor allem durch ihre Medien- und Werbewirksamkeit, aber ihre Herrschaft währt nie lange, Titel wechseln schnell die Träger. Die Mehrheit verdient maximal im Hundertausenderbereich und muss nach ihrer oftmals kurzen Karriere ebenso malochen gehen wie die Mehrheit ihrer Fans. Die Anzahl derjenigen, die keine 20.000 Dollar p.a. verdienen, ist auch nicht gering. Siehe Tabelle:

(Quelle: Wettfreunde. https://www.wettfreunde.net/sportwetten-news/ufc-gagen-das-kassieren-die-kaefig-kaempfer/)

So funktioniert die kapitalistische Ausbeutung in Reinform. Das hat die Qualität und die Profitmargen des organisierten Verbrechens. Da werden Oligarchen und Wall-Street-Analysten ganz neidisch. Die Organisation saugt 85% des Wertes ab, während die tatsächlichen Wertschaffer sich um die verbleibenden 15% buchstäblich prügeln. Geil, fluppt wie ein Spielcasino, wo das Haus 85 % Vorteil hat und die Zocker dem Management für das Privileg zu verlieren danken dürfen.

Der amerikanische Albtraum

Die UFC ist damit aber auch Amerikas „ehrlichste Institution“: sie ist ein Ort, wo die fundamentale Brutalität unseres Wirtschaftssystems buchstäblich sichtbar ist, wo die Metapher des Wettbewerbs zu tatsächlicher physischer Gewalt mutiert und das „Wertschöpfen“ aus menschlichen Körpern nicht hinter Finanzinstrumenten verborgen wird, sondern auf Flachbildschirme übertragen.

Und das Publikum liebt es. Es zahlt Premiumpreise, um Menschen aus der Unterschicht und/oder armen Ländern dabei zuzuschauen, wie sie sich gegenseitig zur Bereicherung von Milliardären zerstören und es Sport nennen. Sie feiern autoritäres Management als „starke Führung“ und systematische Ausbeutung als „Leistungsgesellschaft“.

Die UFC bereitet nicht Kämpfer auf den Wettkampf vor; sie bereitet Amerika (und damit den Rest der sogenannten freien Welt) auf die Unterwerfung vor: der amerikanische Albtraum für uns alle.

Die Anfänge sind in unserer Bücklingsrepublik wie überall in Europa deutlich zu beobachten. Schaut nur genau hin.

Die Schlussglocke

Also das nächste Mal, wenn Ihr Dana White beim Geldzählen zuseht, während die Kämpfer sich um die Krümel prügeln, denkt dran: Ihr verfolgt keinen Sport, sondern ein Trainingsvideo für das Leben in eurer techno-feudalen Zukunft, wo die Eigentümerklasse sich an eurem menschlichen Elend maximal bereichert, während ihr Opfer um das Vorrecht kämpft, ausgebeutet zu werden.

Die Bosse verdienen nur, weil Ihr sie bezahlt. Direkt und indirekt.

Das Spiel ist falsch, die Karten gezinkt, der wahre Sieger steht von Anfang an fest. Die einzige Frage ist, ob Ihr denen weiterhin eure Kohle nachschmeißt, oder ihnen die doppelten Stinkefinger zeigt.

Nur, was soll man sonst gucken, maulen die Spacken in den Wohnzimmern und an den Tresen. Etwa die gescriptete ewig gleiche Fiktionscheiße von den Kotzstreamern?

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