Der Papst sagte letzte Woche in einem Interview mit dem Corriere della Sera, dass die NATO die Hauptschuld am Krieg in der Ukraine trüge. Sie hätte mit ihrer Politik Russland zum Angriff provoziert. Willkommen im Club der Erkenntnis, Franziskus . . .
Dieser Wahrheit zum Trotz verkündete der Bundespräsident Steinmeier anlässlich seines kürzlichen Besuches in Rumänien: „Unsere Bündnissolidarität gilt ohne wenn und aber.“ Da ist sie wieder, die deutsche Ehre, die Treue heißt, oder im Zeitgeist des Imperiums ausgedrückt: „Recht oder Unrecht egal, meine NATO.“
Damit bekräftigt das deutsche Staatsoberhaupt (wider besseren Wissens?, er hatte schließlich an den Minsk-Vereinbarungen mitgewirkt, deren Umsetzung den russischen Angriffskrieg hätte verhindern können) die fatalistisch-unterwürfige Politik der Bundesregierung und die mehrheitliche Meinung der in Bundes- und Landesparlamenten hockenden Parteien und Abgeordneten.
Brecht lehrt uns im Neinsager: „Wer A sagt muss nicht B sagen, wenn er erkannt hat, dass A falsch ist.“ Diese fundamentale Lektion intellektueller und emotionaler Weiterentwicklung wollen die fundamentalistischen Hirnakrobaten in Berlin und anderswo nicht vollziehen. Sie sind eben allesamt ekelige Saaldiener des Imperiums.
Unsere „bürgerliche“ Gesellschaft klammert sich an die Amerikaner und ihre rücksichtslose Machtpolitik, weil ihr nichts anderes übrig bleibt. Ohne den großen „Beschützer“ sind wir augenscheinlich weniger als nichts – ja wir existieren nicht einmal. Warum sonst ist der impotente „Wirtschaftsgigant“ Deutschland, dieser als Staat posende Konsumproduktionsapparat gehorsam auf Linie, selbst wenn die negativen Folgen der Sanktionen gegen Russland für die eigene Bevölkerung und die eigene Wirtschaft immer deutlicher absehbar sind?
Daran ändert auch ein intelligenter, aber handzahmer offener Brief an Buka Scholz nichts, in dem der Kanzler aufgefordert wird, angesichts der Gefahr einer nuklearen Eskalation keine schweren Waffen in die Ukraine zu liefern und sich stärker um den Frieden zu bemühen. „Return to Sender“, lautet die Antwort des tief in seinem Berliner Schützenloch eingegraben obersten Heeresführers (denn wir befinden uns faktisch in einem nichterklärten Krieg mit Russland). Unser Buka ist nur für Befehle aus Washington empfänglich. Scholz‘ Rubikon war sein erstes Einknicken bei den Waffenlieferungen. Von da an gab es kein zurück. Jetzt lautet die Parole offenbar: Augen zu und durch. „Wird schon schiefgehen!“, will man da dem politischen Grottenolm und seiner unterwürfigen Bagagge zurufen.
Die EU, dieser chaotische Hühnerhaufen unsolidarischer Einzelnationen, die außer ökonomischen Interessen keine wirkliche gemeinsame Basis haben, ist ebenso obrigkeitshörig. Außenpolitisch ohnmächtig, hechelt sie dem Obermaxes hinterher, verkündet eilfertig eine Sanktion nach der anderen, offenkundig damit die Kriegstreiber in Washington sie ernst nehmen und weiter lieb haben. Liefert sich die deutsche EU-Kommissionschefin UvdL (sprich Ufdell) mit Buka und Co gar einen Fleißkärtchenwettkampf im Günstlingsspiel?
Die strammrechten Nationalisten in Polen betteln inzwischen darum, auch mal amerikanische Nuklearwaffen bunkern zu dürfen. Warum sollen diese Vernichtungswaffen allein in Ländern wie Deutschland gelagert werden, wenn der Russe den Polen doch direkt vor der Haustüre auflauert?
LINK: Chapeau! Eine der wenigen EU-PolitikerInnen, die die Wahrheit offen aussprechen
Die Ziele der Amis in diesem Konflikt sind klar. Ihr Kriegsminister (den Verteidigungsheini nimmt diesem Herrn keiner ab) Lloyd Austin, Ex-4-Sterne-General, Ex-Ratheon-Vorstand mit Aktienpaket und Gewinnbeteiligung, ließ unlängst für alle Zweifler verlauten: Es gehe in der Ukraine darum, zu siegen und die Russen entscheidend zu schwächen. Zu Siegen heißt: Kampf bis zum letzten Ukrainer. Entscheidend zu schwächen bedeutet: Russland militärisch und ökonomisch auszubluten. Wir haben auch noch Alzheimer-Joes Gestammel von neulich in Polen in den Ohren: „Putin muss weg!“ Unter einem Regimewechsel in Moskaus machen die Amis es gar nicht.
Wer solche Ziele hat, der will keinen Frieden. Folgerichtig gibt es auch keine ernsthaften Friedensverhandlungen, folgerichtig werden Milliarden in die Rüstung gepumpt, folgerichtig werden Sanktionen verhängt, was das Zeug hält. Das ist die tödliche Logik von Schwachmaten, denn leider ebenso folgerichtig kann uns die ganze Kriegsscheiße ganz schnell um die Ohren fliegen. Dazu bedarf es nur eines Fehlers, einer falsch verstanden Aktion. 1914 hatten die deutschen Hurrapatrioten (heute heißt so etwas bündnistreu) auch im Traum nicht daran gedacht, dass es vier Jahre später vorbei sein würde mit der deutschen Herrlichkeit. Obwohl damals in einem ungeahnten Ausmaße geschlachtet und gelitten wurde, sind die Folgen des 1. Weltkrieges im Vergleich zu denen eines Atomkrieges geradezu lächerlich.
LINK: Kriegsziele, Kriegsgewinnler, Präsidentendarsteller . . .
Krieg ist unwägbar und einmal entfesselt selten wirklich zu kontrollieren. Die beste Strategie ist keine Gewähr für einen Sieg. Die Strategie der Amerikaner und ihrer NATO-Blockflöten, die Ukrainer mit Waffenlieferungen „im Kampf“ zu halten und gleichzeitig die Russen mittels Sanktionen und politischem Druck in der Welt zu isolieren, funktioniert außerhalb der NATO-Länder schon nicht mehr. Die Staaten Afrikas, Asiens und auch Lateinamerikas verstehen die Amis und ihr transatlantisches Bündnis (zu dem man ruhig auch den militärischen Vasallen Australien zählen kann) mehrheitlich nicht als Garanten für Demokratie, Frieden und Freiheit, sondern aus leidlicher Erfahrung als das, was sie wirklich sind: die übelsten und verlogensten Kriegstreiber dieses Planeten.
Wir – denn wir Deutschen sind kräftig dabei – tragen Tod und Verderben bis in den letzten Winkel der Erde. Ein schwarzer US-Amerikaner formuliert es so: „Wann hat jemals das Eingreifen der NATO den Menschen des „globalen Südens“ irgendetwas Positives gebracht?“ Zugegeben eine rhetorische Frage. Die Antwort lautet natürlich: Noch niemals.
Unter diesem Blickwinkel wird die Tragweite der o.g. Worte Steinmeiers richtig deutlich. Und damit auch ihre Konsequenz. Wir sind ein Volk von ignoranten Kriegsbeförderern. Warum ist das so? Weil wir wie Süchtige dem zerstörerischsten Wirtschaftssystem anhängen, das die Menschheit je erfunden hat.
In DER ZIEGELBRENNER schrieb Ret Marut (bekannter unter seinem anderen Pseudonym B. Traven) 1917, was ebenso heute hätte geschrieben werden können:
„Wer nur ein wenig tiefer schürft und sich von dem journalistischen Gefasel und von aller übrigen Denkfaulheit frei zu machen versteht, kommt bald darauf, daß die einzige Ursache dieses Massenunglücks das Geld ist. Schärfer ausgedrückt: Der Kapitalismus und die von ihm durch und durch verseuchte Weltanschauung. Begründung? Der Kapitalismus ist es gewesen, der den Menschen eingeredet hat: Das höchste Lebensziel ist Geld-Erwerb. Haben wir uns erst einmal zu der Auffassung bekannt, daß Geld das Erstrebenswerteste des Erdendaseins ist, so sind wir schon so in seinem Bann, daß uns alles, was nicht mit Geldgewinn zusammenhängt, nichtig erscheint, dagegen alles, was Geld bringt, für gut, für richtig und für vernünftig gehalten wird, sei es auch sonst das Niederträchtigste alles Handelns.“
(N.B. Die Russen, die Chinesen, die Inder usw. hängen dem gleichen System an. Schöne Scheiße.)
Krieg ist das Niederträchtigste allen Handelns. Für das Imperium, die Politik, die Medien, vor allem aber für die Konzerne der Waffenindustrie ist es ein höchst profitables Geschäftsmodell.
Den Preis für ihre kriminelle Bereicherung zahlen immer die anderen:
Geschätzte 20.000 getötete ukrainische Soldaten (die russischen Verluste sollen sich in ähnlichen Dimensionen bewegen), lt. UN mehr als 3.300 ermordete ukrainische Zivilisten – dazu zahllose Verletzte –, 5.7 Millionen ukrainische Flüchtlinge, zerstörte Städte, vernichtetes Hab und Gut, all das spricht eine schreckliche, deutliche Sprache.
Geistig verblödete Fuzzis im Bundestag fordern dessen ungeachtet mit gespielter Empörung immer mehr WAFFEN, WAFFEN, WAFFEN für die Ukraine. Die tapferen Ukrainer ließen sich schließlich für „unsere Freiheit“ niedermetzeln. Diese verlogenen deutschen Etappenhetzer sind einfach zum Kotzen.
Was wird aller Voraussicht nach der Ausgang dieses Krieges sein (wenn nicht der Dritte Weltkrieg ausbricht und wir alle in einem nuklearen Inferno verrecken): 1) Die Russen werden siegen. Eine andere militärische Lösung wird es nicht geben, da kann die westliche Propaganda noch so trommeln. 2) Die Ukraine wird darum ihre überwiegend von Menschen russischer Abstammung bewohnten Gebiete verlieren, vielleicht wird sie sogar völlig zu einem Binnenstaat wie die Schweiz oder Österreich schrumpfen. 3) Die NATO-Mitgliedschaft, ohnehin ein nicht ernstgemeinter politischer Köder, ist endgültig vom Tisch, die Ukraine bleibt neutral, d.h. keine NATO-Berater und Waffen mehr. 4) Folgen des sinnlosen Krieges: Das Armenhaus Europas wird noch ärmer als je zuvor und viele der geflohenen Bürger werden nicht zurückkehren, weil sie ökonomisch keine Zukunft in der zerschlagenen Heimat sehen. 5) Die brutalen Konsequenzen der Sanktionen werden uns, vor allem aber die Ärmsten der Welt noch lange nach Ende der Kampfhandlungen heimsuchen.
Für so viel Erfolg lohnt sich die deutsche Bündnissolidarität ohne wenn und aber, gelle, Herr Bundespräsident?
Das alles hätte man der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung ersparen können. Einzig die Neo-Nazis und Ultra-Nationalisten des Landes brannten auf den Krieg mit Russland. Sie sahen von Anfang an nur eine militärische Lösung für den seit 2014 festgefahrenen Konflikt. Ihre Gewaltbereitschaft kam dem Obermaxe sehr zupass. Und wir Deutschen sind mitschuldig, dass es soweit kommen konnte. Und das ist eine schier unerträgliche Schande. Sie entlarvt die ideologische Verblendung, die Inkompetenz und die Ohnmacht unserer politischen Klasse (und die Scharlatanerie unserer Medien), und wir bequeme Wähler können uns nicht einmal beschweren. Aufgrund unserer Passivität haben wir die Politiker, die wir verdienen.
Weiter unten in dem Artikel von Ret Marut steht noch:
„Eine Umwandlung dieser Begriffe über die wirklichen und wahrhaften Lebensziele und Lebensaufgaben der Menschen muß auch eine Umwandlung und Beseitigung aller Folgen mit sich bringen, die dieser Zwangsbegriff (Kapitalismus) hervorruft. Es wäre übertrieben zu sagen, daß eine solche Umwandlung den Menschen ungetrübtes Glück in den Schoß werfen muß. Glück ist rein individuell und hat mit Geld an sich nicht das Geringste zu tun. Aber der Kapitalismus in seiner jetzigen Gestalt muß immer zu Kriegen führen.“
Was soll sich also ändern, solange wir nicht das System ändern? Noch so eine rhetorische Frage.
(N.B. Gedenken wir allen Opfern der vom Westen betriebenen Kriege in Afghanistan, Irak, Palästina, Jemen, auf dem afrikanischen Kontinent usw., die uns Europäer nicht annähernd so interessieren wie das Gemetzel „nebenan“. Und das ist ebenfalls ein zutiefst beschämendes Eingeständnis.)