Kaum hatte Hubert den alten Computer wieder ans Laufen gebracht, konnte er endlich mit der Aufnahme der Personalien des jungen Tatverdächtigen beginnen …
Nachdem die Angaben zur Person aufgenommen waren, fotografierte Legat mit seinem Telefon die Verletzungen im Gesicht des Jungen und zeigte Ghassan Rifi, wo er das Protokoll unterzeichnen musste. Anschließend wurde Ziad in die Obhut seines Vater übergeben.
Legat sagte zu Willes: „Nennen Sie mir bitte die Namen der beiden Beamten, die meinen Mandanten festgenommen haben. Ich möchte Anzeige wegen Amtsmissbrauch und Körperverletzung erstatten.“
„Machen Sie bloß, dass Sie hier verschwinden.“
„Ich werde trotzdem Anzeige erstatten, Herr Willes.“
Der Revierleiter deutete schweigend zum Ausgang.
Beim Verlassen der Wache hielt der Rechtsanwalt den Rifis wieder die Tür auf. Bevor sie sich hinter ihnen schloss, sah Willes, wie der Alte seinem jüngsten Sohn wortlos eine Ohrfeige verpasste. Die Aussage war dennoch eindeutig: „Lass du dich nochmal von den Bullen festnehmen.“
Zur gleichen Zeit lag Sina auf einer Behandlungsliege in der renovierungsbedürftigen Ambulanz des ehemaligen städtischen Krankenhauses, dem, vor einigen Jahren notgedrungen an einen Klinikkonzern verkauft, nun wegen mangelhafter Profitabilität die Schließung drohte. Ein junger, aus Ghana stammender Arzt untersuchte ihre Verletzung am Jochbein. Er reinigte den blutroten, fleischig angeschwollen Riss mit einem Tupfer und einer Desinfektionslösung bevor er eine Röntgenaufnahme veranlasste. Als diese ausgewertet worden war, erhielt Sina eine lokale Betäubung, ehe der Arzt den Riss nähte. Anschließend stellte er ihr ein Rezept für ein Schmerzmittel und eine Krankmeldung für ihre Dienststelle aus.
Die Notaufnahme verlassend hörte Sina ihren Namen durch den Flur schallen. Ausgerechnet Klemens, dachte sie. Der fehlte ihr noch.
„Tut es sehr weh?“ Seine Stimme klang besorgt.
„Ist nicht schlimm. Der Knochen ist nur angebrochen. Glück gehabt.“
Er versuchte, sie zu umarmen.
Sie wehrte ab. „Klemens, nein.“
Er wusste nicht, wohin mit seinen Händen. „Diese feigen Ratten“, sagte er nach einem Moment.
Eine unangenehme Stille legte sich über sie beide, bis Sina sagte: „Also, ich geh dann jetzt.“
Ihren Weg versperrend fragte Klemens: „Warum hast das gemacht?“
„Wie oft muss ich’s dir noch sagen?“
„Du schmeißt meine Klamotten einfach in den Flur?“
„Ich habe deine Sachen ordentlich in den Flur gestellt. Frisch gewaschen und gebügelt.“
„Du hast das Schloss ausgewechselt. Ich versteh dich nicht.“
„Was ist daran so schwer zu verstehen?“
„Wir passen doch so gut zusammen.“
„Anscheinend kapierst du’s nicht. Es ist aus und vorbei. Akzeptiere das endlich“, sagte Sina und versuchte erneut, ihn zu passieren. Er fasste sie grob am Handgelenk.
„Klemens, es reicht. Ich habe Kopfschmerzen.“
„Ich lasse mich nicht so einfach abservieren.“
„Lass endlich los … “
Aber er hielt sie unvermindert fest.
„Bitte.“
Nach einigen langen Sekunden lockerte sich schließlich sein Griff und Sina konnte widerstandslos ihre Hand entwinden.
Er sagte: „Darf ich dich denn wenigstens nach Hause bringen?“
Sie blickte an ihm vorbei. „Ich werde schon abgeholt.“
In Zivilklamotten näherte sich Dana. Klemens zog die Brust hoch, spreizte seine Schultern und walzte der verhassten Kollegin entgegen, um ihr einen Ellbogencheck zu verpassen. Sie wich aus und ließ ihn ins Leere laufen.