Dem Kommandaten widerwillig die Windeln gewechselt, muss Herspe noch ein Viertelstündchen den leidigen Wachköter geben . . .
FORTSETZUNG:
LISA: Kruse!
Kruse eilt sofort zur Hotelzimmertür, öffnet, prüft kurz den Flur …
KRUSE: Frau Polter, wir können.
Lisa beugt sich zum Kommandanten herunter, gibt ihm zum Abschied einen Kuss auf die Stirn.
LISA: Ich bin gleich wieder da. Deine Rede habe ich schon eingesteckt. (zu Herspe) Geben Sie noch einmal gut auf meinen Mann acht.
Sie streicht Herspe mit dem Zeigefinger unterm Kinn entlang.
HERSPE (verdattert): I-immer, Frau Polter.
Mit zügigen Schritten verlässt Lisa das Hotelzimmer.
INNEN. HOTELZIMMER – WEITER
Sofort öffnet Herspe die Minibar, nimmt zwei Schnapsfläschchen heraus und leert zügig das erste. Er öffnet gleich das zweite Fläschchen.
KOMMANDANT (Roboterstimme): Trink für mich mit, Kamerad.
Beflissen prostet Herspe dem Kommandanten zu und leert das zweite Fläschchen ebenfalls in einem Zug.
KOMMANDANT (Roboterstimme): Ich erinnere mich an dich. (fragender Blick von Herspe) Dein Verhalten bei meiner Rede … sehr lobenswert.
HERSPE: Ich habe nur die Anweisungen meines Einsatzleiters befolgt.
KOMMANDANT (Roboterstimme): Pflichtbewusstsein beweist Charakter.
HERSPE (winkt ab): Ich habe ‘ne Menge weniger positiver Charakterzüge.
KOMMANDANT (Roboterstimme): Loyalität und Patriotismus-
HERSPE (dazwischen): Ich rede vom Alkohol.
Der Alkohol zeigt schlagartig Wirkung. Herspe verfällt in eine Art Delirium, denn ab hier erklingt die Stimme des Kommandanten für ihn – und auch für uns – völlig normal.
KOMMANDANT (einfühlsam): Ein Mann, dessen wahre Qualitäten weder von seinem Dienstherren noch von seiner Ehefrau erkannt werden, hat gute Gründe, dem Alkohol zuzusprechen.
Irritiert mustert Herspe den Kommandanten …
KOMMANDANT: Kamerad, ich weiß genau, welches Unrecht dir zugefügt wurde.
Herspe schüttelt den Kopf.
KOMMANDANT: Unterschlagung von Beweismitteln.
HERSPE: Verleumdung.
KOMMANDANT: Versuch der Vorteilsnahme.
HERSPE: Unbewiesen.
KOMMANDANT: Handel mit Betäubungsmitteln.
Herspe schweigt.
KOMMANDANT: Wie hättest du auch sonst dein Eigenheim finanzieren sollen?
HERSPE: Mein Eigenheim gehört jetzt meiner Ex-Frau. Nicht mal den Keller haben sie mir gelassen …
KOMMANDANT: Das System, dem du treu und selbstlos gedient hast, hat dir deine Karriere genommen.
HERSPE: Ich hasse das System.
KOMMANDANT: Die Frau, die du treu geliebt hast, hat dir deinen Sohn genommen.
HERSPE: Ich hass- (den Tränen nahe) Mein Sohn verachtet mich.
KOMMANDANT: DIE interessiert dein unverdientes Unglück nicht.
HERSPE: Das kriegen DIE alles zurück.
KOMMANDANT: So so.
HERSPE: Alles. Ich schwöre’s dir.
KOMMANDANT: Wie denn? Du bist nur einer und du bist alleine. DIE aber sind viele.
Herspe holt das letzte Schnapsfläschchen aus der Minibar heraus, öffnet es und trinkt gierig …
KOMMANDANT: DIE haben mir auch meinen Lehrstuhl weggenommen und meine Familie ruiniert. DIE haben mich fertig gemacht. Ich war erledigt, total am Ende.
Mit schwimmendem Blick schaut Herspe den Kommandanten an.
KOMMANDANT: Mir blieb nur meine Überzeugung. Mir blieb mein Glaube an meine Bestimmung. Ganz alleine gründete ich die Bewegung, jetzt sind wir viele. (feierlich) Meine “Heimaterde” ist auch deine Heimat, Kamerad. Du bist nicht mehr allein. Du bist viele …
Herspe hebt das Fläschchen …
HERSPE (inzwischen sieht er doppelt und dreifach): Ich bin viele!
… und trinkt.
KOMMANDANT: Was wir beide heute durchgestanden haben, das schweißt zusammen.
HERSPE: Erinnere mich bloß nicht daran.
KOMMANDANT (konspirativ): Kann ich dir vertrauen?
HERSPE: Worauf du du einen lassen kannst.
KOMMANDANT: Ich meine, wirklich vertrauen, Kamerad?
HERSPE: Jawohl, mein Kommandant.
KOMMANDANT: Vertrauen gründet auf Ehrlichkeit. Zwischen uns darf es keine Geheimnisse geben.
HERSPE: Keine Geheimnisse.
KOMMANDANT: Es gibt eine Verschwörung gegen unser Deutschland, gegen unsere Heimaterde, gegen deinen Kommandanten.
HERSPE: Nein, eine Verschwörung?
KOMMANDANT: Ja, eine Verschwörung.
Die beiden blicken einander lange an. Herspe dämmert’s.
HERSPE: Kruse?
KOMMANDANT: Kruse will Kommandant werden anstelle deines Kommandanten.
HERSPE (vertraulich): Jede Wette, Kruse vögelt deine Frau, mein Kommandant.
KOMMANDANT: Ich wette, dafür kann es nur eine Strafe geben …
HERSPE (kapiert): … die Höchststrafe.
Der Kommandant nickt. Herspe nickt auch. Zwei, die sich verstehen.
KOMMANDANT: Willst du mein Vollstrecker sein, Kamerad?
HERSPE: Ich will.
KOMMANDANT: Das ist eine besondere Ehre.
Herspe nickt ehrerbietig.
KOMMANDANT: Unter dem Bett findest du eine Pist-
HERSPE (dazwischen): Wie … äh … hast du den Verrat entdeckt, mein Kommandant?
Der Kommandant hält inne und schaut Herspe intensiv an.
KOMMANDANT: Bist du bereit für die Wahrheit?
HERSPE: Voll und … bereit …
KOMMANDANT: Durch eine alte Kriegslist.
HERSPE: Kriegslist … ?
KOMMANDANT (sichtlich stolz): Ich habe mich verstellt, um unsere Feinde in Sicherheit zu wiegen.
HERSPE (hat Mühe zu folgen): Verstellt … ?
KOMMANDANT: Und sie zu zwingen, ihren schändlichen Verrat zu offenbaren.
HERSPE: Wie denn verstellt … ?
Der Kommandant schaut vielsagend. Herspe versucht zu überlegen. Bei den vielen Promille gar nicht so einfach.
HERSPE: Du … kannst richtig sprechen?
KOMMANDANT (plötzlich Roboterstimme): Das bildest du dir nur ein.
Der Zauber ist gebrochen. Der Kommandant spricht ab jetzt wieder mit seiner Roboterstimme. Es dämmert Herspe …
HERSPE: Du kannst nicht … das kann nicht …
KOMMANDANT (Roboterstimme): Ja, Kamerad. (erhebt sich aus Rollstuhl) Ich kann …
Er geht auf Herspe zu …
HERSPE: Du bist nicht … gelähmt (voll Ekel) Du kannst auch …
KOMMANDANT (Roboterstimme): Deine Ehre ist Treue.
HERSPE: (vollendet) … ganz alleine aufs Klo.
KOMMANDANT (Roboterstimme): Das erfüllt mich mit großem Stolz.
Herspe versucht, sich den restlichen Schnaps in den Rachen zu schütten, um den Offenbarungsschock zu verarbeiten. Doch das Fläschchen ist leer.
Mühsam geht der Kommandant geht auf die Knie und holt eine Pistole unter dem Bett hervor, die mit Klebeband an der Innenseite des Bettrahmen befestigt ist. Er quält sich wieder auf die Beine und hält Herspe die Waffe hin.
KOMMANDANT (Roboterstimme): Du machst Schluss mit Unrecht, Verlogenheit und Demütigungen.
Herspe blickt ungläubig von der Pistole zum Kommandanten.
HERSPE (fassungslos): Ich musste deine Windel wechseln, dir den Arsch abwischen.
KOMMANDANT (Roboterstimme): Für Deutschland.
HERSPE: Ich muss kotzen …
KOMMANDANT: (Roboterstimme): Für deinen Kommandanten!
Herspe lässt den Kommandanten mit der Pistole in der Hand einfach stehen und geht schwankend.
KOMMANDANT (Roboterstimme, ruft ihm nach): Niemand widersetzt sich mir …
INNEN. HOTELFLUR – TAG
Herspe hastet schwankend den Flur hinab. Kruse und Lisa kommen ihm entgegen.
KRUSE: Schon wieder fahnenflüchtig!
HERSPE: Er kann alleine aufs Klo …
Kruse blickt Lisa überrascht an. Die schüttelt ungläubig den Kopf.
KRUSE: Ein Wunder!
Freudig strahlend, eilt Kruse an Herspe vorbei.
KRUSE (laut): Mein Kommandant, mein Kommandant!
In diesem Augenblick erscheint der Kommandant im Flur, die Pistole in der Hand, den Arm ausgestreckt …
KOMMANDANT (Roboterstimme): Verräter!
Er schießt, Kruse heult getroffen auf und schlägt mit einer Drehung lang hin.
LISA (rennt zu Kruse): Ken!
Der Kommandant schwenkt die Pistole auf Lisa.
KOMMANDANT (Roboterstimme): Ich heiße Rudolf.
Lisa entreißt dem Kommandanten mit einer Hand die Waffe und verpasst ihm mit der anderen eine kräftige Ohrfeige.
LISA: Wer hat dir erlaubt aufzustehen?
Der Kommandant reibt sich die Wange.
KOMMANDANT (Roboterstimme): Aua. Das tut weh.
Ohne sich umzudrehen, müht Herspe sich mit schwerer Schlagseite den Hotelflur entlang. Bloß weg von hier …
ENDE