AUSV€RKAUF – Kapitel 6 Auszug

Den Koffer mit der Kohle abgegriffen, Komplize auf der Strecke geblieben, verschwand der dünne Räuber in dem Toyota Avensis in der Kurve der Waldstraße. Der Bodyguard rammte ein neues Magazin rein und ballerte unvermindert weiter . . .

6

Als der Schlitten zum zweiten Mal arretierte, weil das Magazin wieder leer war, hörte der Bodyguard auf zu schreien. Er machte kehrt und lief zu dem weiter oben auf der Straße liegenden Chauffeur. Der blutete am Arm, ein lächerlicher Streifschuss.

„Wie schlimm ist es? Sag die Wahrheit, Cordt, muss ich etwa sterben?“

„Hör auf zu Wimmern“, herrschte der Bodyguard ihn an und überlegte, Spuren beseitigen, Verfolgung aufnehmen, heraus-finden, wer dahinter steckt … Er bestellte über sein Smartphone Geron und Ali her. Dann hakte er die Leiche des bulligen Räubers unter und zog sie rückwärtsgehend in die Büsche. Er half dem Chauffeur auf die Beine, setzte ihn auf die Rückback der Limousine, sagte, er würde ihn sofort verbinden, und lief zum Renault, der die Fahrbahn blockierte, um ihn an den rechten Straßenrand zu fahren. Für den Mercedes benötigte Cordt die Ersatzschlüssel.

Die beiden Räuber wussten genau, welchen Weg die Limousine fahren würde, dachte er. Sie wählten gezielt die Stelle, wo der Chauffeur immer die Abkürzung durch den Wald nahm. Auf der schmalen Waldstraße war so gut wie nie Verkehr, vor allem nachts um diese Uhrzeit nicht. Sie stellten den Renault mit geöffneter Fahrertür quer zur Straße. Einen Schwerverletzten mimend legte der Bullige sich davor und …

„Setz zurück“, hatte Cordt den Chauffeur angewiesen, weil der große Mercedes nicht vorbeikonnte. Er war mit der sicheren Überstellung des Koffers betraut, nicht damit, fremden Personen Hilfe zu leisten.

Im selben Moment leuchteten hinter ihnen Scheinwerfer auf. Der silberne Toyota Avensis versperrte den Rückweg. Die kurze Ablenkung nutzte der Bullige, um die Fahrertür aufzureißen und dem Chauffeur eine alte Pistole-M, eine Makarow-Kopie, sicher aus ehemaligen DDR-Beständen, an die Schläfe zu pressen. Und der zweite, der Dünne, überrumpelte dich, dachte Cordt beschämt, er schoss direkt zwischen deine Beine in den Sitz, beförderte dich auf die Straße und während du noch auf die Waffe starrtest, durchtrennte er mit einer Axt die Kette, die den Koffer mit deinem Handgelenk verband …

Die zwei Räuber besaßen exakte, detaillierte Informationen, waren bemüht, unnötige Risiken zu vermeiden. Gewohnheits-verbrecher also, ganz sicher vorbestraft.

Während er den Chauffeur verarztete, trafen die beiden herbestellten Männer mit seinem Lexus ein. Die Villa des Auftraggebers lag nur zehn Minuten entfernt. Cordt befahl ihnen den Renault und den Toten zu durchsuchen. Im Renault fanden sie keine weiterführenden Hinweise. Vermutlich war er extra für den Überfall gestohlen worden. Der bullige Räuber konnte anhand seiner Papiere im Portemonnaie identifiziert werden. Sehr gut. Sie würden um so schneller dessen kriminelle Vergangenheit im Polizeicomputer ausfindig machen und darüber sicher den Komplizen aufspüren.

Als Nächstes tätigte er zwei Telefonate. Im ersten gab er eine Beschreibung und das Kennzeichen des Toyota Avensis sowie den Namen des Bulligen an seinen Kontakt bei der Polizei durch, im zweiten informierte er seinen Auftraggeber über den Überfall und den Stand der Dinge.

Die Stimme des Auftraggebers verriet keinerlei Erregung, als er ihn anwies, den Koffer wiederzubeschaffen und sämtliche Spuren, mögliche Verbindungen zu oder Hinweise, egal wie entfernt auf seine Person zu beseitigen. Er endete mit: „Der Überfall hat niemals stattgefunden.“

Die beiden Männer luden die Leiche des bulligen Räubers in den Kofferraum des Renault, sie würde im Ofen eines Guss-werkes entsorgt, der Wagen fände in einer Schrottpresse sein Ende. Sie sammelten noch alle Patronenhülsen auf, ehe Geron sich hinter das Steuer des Renault setzte und Ali den Mercedes übernahm. 19 Minuten nachdem der Toyota in der Biegung der Kurve verschwunden war, hatten sie auf der Waldstraße sämtliche Spuren des Überfalls beseitigt.

Cordt wartete, bis die Rückleuchten der beiden Fahrzeuge außer Sicht gerieten, bevor er feierlich auf die Knie ging, sich demütig in die Richtung verneigte, in der er den Fujiyama vermutete und bei seiner heiligen Ehre gelobte, den Geldkoffer wiederzubeschaffen und alle Zeugen auszulöschen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert