DIE GIERLAPPEN DES TODES

Charakter beweist sich in der Prüfung. Diese dramaturgische Binsenweisheit bestätigt sich besonders in unseren Viruszeiten am Beispiel des Impfstoffpatentschutzes. Macron, Merkel und Konsorten sprechen sich klar gegen eine Patentfreigabe zur Herstellung von generischen Covid-19-Impfstoffen aus und werden von Bill Gates, den Herstellern und der globalen Pharmalobby in dieser Haltung eifrig unterstützt.

Ihre Argumente sind fadenscheinige Ausreden. Da wird gefaselt, a) die Impfstoffe könnten aus technologischen Gründen in den armen Ländern nicht hergestellt werden, b) außerdem würde die westliche Industrie für den globalen Bedarf schon genügend Impfstoffe bereitstellen. Argumente, die uns vorgaukeln sollen, dass die Verweigerung der Patentfreigabe allen Menschen zum Vorteil gereicht. Zu a) Indien, das besonders stark von der Pandemie betroffen ist, rangiert an Nr. 3 in der weltweiten Pharmaproduktion. Die haben internationale Standards aber können trotzdem keine Impfstoffe produzieren? Zu b) Wer sich den globalen Roll-out der Impfstoffe anschaut, erkennt wie lange die westliche Industrie brauchen wird, die ganze Welt zu versorgen.

Die wahren Gründe sind demnach völlig andere. Nämlich: 1) der Profit und 2) das Prinzip.

Profit ist selbsterklärend. Prinzip bedeutet, würde das Patentrecht, mit dem schließlich Milliarden verdient werden, aufgeweicht, dann wären Forderungen der armen Länder nach weiteren Freigaben und Ausnahmeregelungen für andere Präparate sicher die Folge. Es würde das Prinzip des Privateigentums zur Disposition stellen, und das gilt es unbedingt zu verhindern. Eine „Katastrophe“ wie mit dem Polio-Impfstoff, den seine Entwickler der Welt geschenkt haben, weil eine Vermarktung ihrer Meinung nach unmoralisch wäre, darf sich nicht wiederholen.

Die Lösung: Demonstrative Wohltaten für die Armen, damit das Privateigentum sakrosankt bleibt.

Verlogene Philanthropie

Stiftungen liegen voll im Trend. Freiwillige Wohltaten werden von den Medien mit Applaus bedacht. Dabei versuchen Multimilliardäre sowie Großkonzerne damit das hehre „Solidaritätsprinzip“, auf dem unsere Gesellschaft und auch die Staaten- und Völkergemeinschaft angeblich beruhen, durch freiwillige „Sozialleistungen“ abzulösen. Im Klartext, sie vermeiden mit allen legalen und illegalen Tricks Steuerzahlungen und spenden dafür einen Bruchteil der eingesparten Summen für den „guten Zweck“.

Weltgutmensch Bill Gates macht vor, wie es geht: Seine Finanzmanager legen die Milliarden seiner Stiftung nach dem Prinzip Profimaximierung überall dort an, wo Renditen winken, ohne Rücksicht auf Nachhaltigkeit, Vermeidung von Raubbau und was sonst vorgeblich ethisch und wichtig ist. Mit den Erlösen finanziert die Stiftung Projekte, die der Weltgutmensch und seine Noch-Ehefrau für sinnvoll erachten. Längst reicht ihr Einfluss soweit, dass sich Regierungen an ihren Maßgaben orientieren.

Superreiche Schmarotzer

Ein weiterer Blick über den großen Teich zum Trendvorreiter zeigt, wohin die Reise des Systems auch bei uns zwangsläufig führt: In den USA haben die 643 Milliardäre (nagelt mich nicht auf ein paar mehr oder weniger fest), allen voran Bezos, Musk und Gates, seit März 2020 über eine Billion Dollar (das sind 1000 Milliarden!) dank der „Coronahilfe“ der Federal Reserve eingesackt. Der Rest der Bevölkerung schaut mehr oder weniger in die Röhre. Ökonom Michael Hudson spricht bereits von einer Rückkehr in die Wirtschaftsordnung des 13. Jahrhunderts. Die bisherigen Aufgaben eines Staates werden immer weiter privatisiert und dadurch finanzialisiert. Feudal-Oligarchen übernehmen mit der „Finanzialisierung“ aller Lebensbereiche die komplette Wirtschaft, bereichern sich konsequent auf Kosten der Allgemeinheit und verteilen (damit sie sich selbst besser fühlen) Almosen nach Gutsherrenart.

Hier die Preise, die 2020 die belgische Ministerin Eva De Bleeker zum Ärger der Pharmaindustrie auf Twitter veröffentlichte, damit alle sehen, wie beim Impfschutz abkassiert wird. Der Preis des Impfstoffs AstraZeneca ist verblüffend niedrig, oder?

Devote Systempropaganda

Unsere politische Führungskaste pustet natürlich gehorsam in das Horn der Finanzelite und der Konzerne, weil sie ohne deren Unterstützung politisch ohnmächtig wäre. Einen Zustand, den die Politik selbst geschaffen hat.

Wir erinnern uns, als Mutti sich zu Beginn der Impfkampagne äußerte, pries sie vorweg die „Handlungsfähigkeit der freien Marktwirtschaft“, weil die Industrie so schnell wirksame Impfstoffe bereitstellten konnte. Was die Kanzlerin absichtlich verschwieg: 1) zu dem Zeitpunkt waren bereits chinesische und russische Impfstoffe im Einsatz, deren Wirkung den westlichen in nichts nachsteht, und 2) die Entwicklung der Impfstoffe wurde von der westlichen Pharmaindustrie seit über zehn Jahren verschleppt, weil die Profitaussichten zu gering waren.

Das ist der echte Skandal. Covid-19 ist nicht der erste Virus seiner Art. Epidemiologen haben aufgrund der Erfahrungen mit dem Sars-Erreger vor einer globalen Pandemie gewarnt und seitdem auf die Entwicklung eines Impfstoffes gegen Covidviren gedrängt.

Öffentliche Subventionen

Die Bundesrepublik finanziert (offiziell heißt das fördern) die Pharmaforschung der „handlungsfähigen freien Marktwirtschaft“ mit ca. 3,8 Milliarden Euro jährlich. Die Industrie selbst investiert rund 7 Milliarden. Wer kassiert eigentlich den Profit, der Dank dieser 10,8 Milliarden Euro erwirtschaftet wird? Frage: Bekommt der Bund, und damit der Steuerzahler, davon anteilig eine Erfolgsausschüttung?

Im September 2020 beschloss die Bundesregierung zusätzlich, die Covidforschung von drei deutschen Pharmaunternehmen mit 750 Millionen Euro zu fördern. 375 Millionen davon gehen an BioNTech, die mit Pfizer kooperieren und an deren Erlösen wohl auch partizipieren s.u. Auf den Preis des Impfstoffes hat das offenbar keine Auswirkung, oder erhält die Bundesrepublik auf die 12 Euro pro Dosis noch Rabatt?

(N.B. Die Bill und Melinda Gates Stiftung investiert übrigens in Aktien von vier Pharmaunternehmen, die Covid-19-Impfstoffe entwickeln, darunter auch BioNTech. Der Kreis schließt sich.)

Erschreckende Realität

Derzeit sind in den reichen Ländern einer von vier Erwachsenen geimpft, in den armen Ländern vielleicht einer von fünfhundert. (Die aktuellen Impf-Tracker sind online verfolgbar.) Pharmagigant Pfizer meldete für das 1. Quartal dieses Jahres einen Profit von 4,9 Milliarden Dollar. Sie rechnen für 2021 mit einem Gewinn von 15 Milliarden Dollar allein aus den Covid-Impfstofferlösen, was einer Gesamtgewinnsteigerung von beinahe 30% gegenüber dem Vorjahr entspräche (von 42 auf 57 Milliarden USD). Bei den anderen Impfstopff-Herstellern verhält es sich ähnlich.

Noch Fragen, warum es keine Patentfreigabe geben darf?

Allseitiges Charakterversagen

Fazit, und immer wieder wichtig zu betonen: Es geht in der herrschenden Wirtschaftsordnung einzig und allein um den Profit. Seinem Diktum wird kompromislos alles untergeordnet. Profit kann aber nur maximiert werden, wenn sich das System ausdehnt, alles vereinnahmt und „jeder“ (ver)käuflich ist, ergo wenn alles zur Ware wird. Im Umkehrschluss heißt das, wer kein Geld hat, um sich die „Waren“ zu leisten, der ist draußen. Für Millionen armer Menschen bedeutet diese perverse Profitlogik in Pandemiezeiten letzlich das Todesurteil.

Womit ungeachtet ihrer Selbstdarstellung der wahre Charakter der handelnden Personen in Politik und Wirtschaft bewiesen wäre: Sie sind niederträchtige Gierlappen, wofür das System sie auch noch belohnt. Und wie ist es um unser aller Charakter bestellt, die wir diese unertäglichen Zustände und dieses System widerstandlos hinnehmen?

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