BEAU SCHOLTES tituliert der Volksmund einen Heiratsschwindler und das Gesetz einen Betrüger. Er selbst nennt sich GLÜCKLICHMACHER. Denn unser Beau betrachtet sich als Geschenk an die Frauen. Mal Hand aufs Herz, wie viele Männer können das schon von sich behaupten? Eben. Und weil in diesem Leben nichts umsonst ist, auch ein Geschenk wie Beau nicht, ist er gezwungen sein Glück gegen Bares zu vergeben. Von Luft und Liebe allein, kann auf dieser Welt schließlich niemand sein.
Leider waren die Damen anderer Meinung und der gute Beau landete in Haft. Damit geriet sein Leben völlig aus den Fugen.
Frisch auf Bewährung draußen, der Selbstmordversuch, der seine Selbstachtung wieder herstellen sollte, gescheitert, muss er sich nun einer seiner Meinung nach erniedrigenden Psychotherapie unterziehen, damit’s bei der jungen Freiheit bleibt . . .
INNEN. GESPRÄCHSRAUM THERAPEUTIN – TAG
… aus der Unschärfe kristallisiert sich das Gesicht einer jungen Frau: Psychotherapeutin MIRIAM-LUISE WINTER.
MIRIAM-LUISE: Was hatte Sie dazu veranlasst, auf das Brückengeländer zu klettern?
CLOSE: Beau. Er hat ein großes Pflaster seitlich am Kopf kleben. Er scheint die Antwort zu überlegen.
Miriam-Luise blickt ihn freundlich auffordernd an.
BEAU: Die Aussicht.
Beide sitzen sich in bequemen Sesseln gegenüber. Auf einem Beistelltisch steht eine Kleenextücher-Box. Miriam-Luise trägt Jeans und eine helle Bluse. Sie hat die Haare zum Pferdeschwanz gebunden und macht sich mit einem Bleistift Notizen in einem A-4 Ringheft.
Beau hat eine alte Jeans und ein dunkles T-Shirt an. Er wirkt bleich und scheint sich unwohl zu fühlen, wie sein nervöses Spiel mit einer Visitenkarten schließen lässt.
Miriam-Luise signalisiert freundliche Aufmerksamkeit und ermuntert seine Antworten mit neugierigen Blicken.
BEAU: Na ja, von oben sieht man besser. (überlegt) Es war nicht einfach mit der Flasche da hinaufzuklettern.
MIRIAM-LUISE: Mit einer Flasche?
BEAU: Die Sektmarke kann ich Ihnen allerdings nicht empfehlen. (überlegt, was er ihr sagen kann) Eine Notlösung, es war kein Moet Chandon zur Hand.
Miriam-Luise hält seinen verständnisheischenden Blick.
BEAU: Und dann die Sekttulpe, die sind zerbrechlich.
MIRIAM-LUISE: Sie wollten also etwas feiern?
BEAU: Diese Sekttulpen bestehen aus sehr feinem Glas, müssen Sie wissen.
MIRIAM-LUISE: Was wollten Sie da oben feiern?
BEAU: (zögert, dann) Meine Freiheit.
Miriam-Luise vermutet, dass Beau lügt, obwohl er einigermaßen überzeugend klingt. Sie ändert ihr Vorgehen.
MIRIAM-LUISE: Ihre Freiheit?
Beau reagiert nicht.
MIRIAM-LUISE: Ihre Haftstrafe wurde nach 36 Monaten zur Bewährung ausgesetzt.
BEAU: Ja.
MIRIAM-LUISE: Unter ganz bestimmten Auflagen …
Beau meidet ihren Blick, macht eine bestätigende Geste.
MIRIAM-LUISE: Sie wohnen im Übergangsheim und müssen sich regelmäßig bei der Polizei melden … (dramatische Pause) Aber darum sind Sie nicht hier …
Sie schaut ihn auffordernd an: Komm, sag mir warum …
BEAU: Ich, nein … Ich bin … wegen der … Therapie hier.
MIRIAM-LUISE: Eine Psychotherapie. Genau.
Beau wirkt auf einmal unruhiger.
MIRIAM-LUISE: Die Therapie ist wichtig für Ihre Zukunft. Aber sie ist mehr als das.
BEAU: Noch mehr … ?
MIRIAM-LUISE: Sie ist Ihre Chance, ein anderes, wirklich neues Leben zu führen.
Beau hat offenbar Schwierigkeiten, sich das vorzustellen.
MIRIAM-LUISE: Wäre das nicht großartig?
BEAU: Na ja.
MIRIAM-LUISE: Vorausgesetzt Sie haben die innere Bereitschaft, aktiv mitzumachen.
BEAU: Es ist ja meine Bewährungsauflage.
Miriam-Luise schaut ihn mit einem aufmunterndem Lächeln an.
MIRIAM-LUISE: Sie haben also diese Bereitschaft?
Beau zögert – signalisiert schließlich mit einem eifrigen Nicken seine Zustimmung.
MIRIAM-LUISE: Das freut mich wirklich. Wie würden Sie Ihre Gefühle jetzt beschreiben?
BEAU (eher hilflos): Wie die vonn allen anderen Menschen … ?
MIRIAM-LUISE: Meinen Sie damit ’normal‘?
BEAU: Normal. Ja, wenn Sie so wollen.
MIRIAM-LUISE: Was heißt für Sie denn normal, Herr Scholtes?
BEAU: Hmm? Kein Geld … ?
MIRIAM-LUISE: Und was empfinden Sie dabei?
BEAU: Ich möchte mich besser fühlen.
MIRIAM-LUISE: Diese Empfindungen sind völlig normal. Ein gutes Signal. Der erste Lichtstreif am Horizont.
BEAU: Kündigt diesmal nicht die nukleare Katastrophe an?
MIRIAM-LUISE: (verkneift sich ein Grinsen) Nein.
BEAU: Das … ist irgendwie beruhigend.
MIRIAM-LUISE: Den Gedanken halten wir mal fest und sprechen morgen weiter. Ich gebe Ihnen noch etwas mit …
Sie sucht in der obersten Schreibtischschublade und reicht ihm dann eine Packung Tianeurax, 12,5 mg Tabletten.
MIRIAM-LUISE: Davon nehmen Sie bitte dreimal täglich eine vor den Mahlzeiten.
Beau schaut sie ausdruckslos an.
MIRIAM-LUISE: Soll ich es besser aufschreiben?
BEAU: Davon nehme ich gerne dreimal täglich eine Tablette vor den Mahlzeiten.
Auf dem Beistelltisch liegt Miriam-Luises Blödfon. Mit einem PING poppt das Bild einer exklusiven Handtasche auf. Miriam-Luise greift sofort zur ihrer digitalen Persönlichkeitsverlängerung, das Bild erlischt gleich wieder.
Doch Beau hat das Bild und ihr etwas hektisches Verhalten genau registriert. Sofort scheint in ihm etwas zum Leben zu erwachen . . .
WEITER MIT TEIL 2? BITTE SCHÖN . . .