Vor dreißig Jahren produzierten Rodolphe Burger und seine damalige Band Kat Onoma ihr Album BILLY THE KID, eine Hommage an den Poeten Jack Spicer und dessen 1958 in einem Kleinverlag in San Franzisko erschienenen Gedichtband BILLY THE KID …
„Spicer akzeptierte, dass die Aufgabe eines Dichters nicht darin besteht, das zu schreiben, was er glaubt, schreiben zu wollen, sondern das, was das Gedicht von ihm zu schreiben verlangt“, bemerkte Geoffrey O’Brien über den mit gerade mal 40 am Suff verstorbene Wortschmied, der sich weigerte, seine Werke dem Kommerz zu übergeben. Was schon damals, in den 1950er und 60er-Jahren für Normalsterbliche ein kaum durchhaltbares Konzept darstellte. Spicer verarmte und musste sich Zeit seines Lebens mit verhassten Dozentenjobs über Wasser halten (er soll sich auch als Statist beim Film und als Privatdetektiv versucht haben, vielleicht soff er deshalb so viel). Ebenso sehr wie den Kommerz und das Knechten hasste Spicer den Gedanken, jemand könne sein Leben niederschreiben, um im gleichen Atemzug aber darauf hinzuweisen, er wäre im The Place anzutreffen. Kein fiktiver Ort, wie O’Brien lange glaubte, sondern eine zu jener Zeit bekannte Künstlerkneipe in SF.
Der heute zur San Francisco Renaissance gezählte Spicer rebellierte in den späten 1940ern als Aktivist im liberalen Berkley gegen patriotische Treueschwüre und anderen autoritären Zinober und engagierte sich den eigenen sexuellen Sehnsüchten entsprechend bei einer Schwulenbewegung in der Bay Area. In den Aufzeichnungen zu seinen Vancouver Lectures findet sich die eigenwillige Idee, das Schreiben von Gedichten werde von unsichtbaren Marsmenschen diktiert. O’Brien meint dazu, das wäre immer noch sinnvoller, als die Theorien von spießigen Literaturwissenschaftlern wie Allen Tate oder Cleanth Brooks (der zudem ein ausgemachter Rassist gewesen sein soll).
Wie viele früh verstorbene Künstler, denen zu Lebzeiten der große Erfolg versagt blieb, oder die ihn, wie in Spicers Fall, eher absichtlich sabotierten, entdecken die kreativen Nachfahren ihr Genie und beziehen sich auf sie. Verdammt, jetzt wurde Jack Spicers Leben doch noch niedergeschrieben, von Hardcore-Romantikern, poetischen Verehrern und bemühten Literaturwissenschaftlern. Und warum nicht? Künstler gehören schließlich nie wirklich sich selbst, sondern immer auch der Welt, besonders wenn ihr Leben und damit ihr Werk abgeschlossen sind. Darum ist heute in diversen Ausgaben auch alles erhältlich, was der Meister irgendwie, irgendwann, in welcher Form auch immer zu Papier gebracht hat: seine Lectures, seine Briefe und vor allem seine Poems. Zum Freuen, zum Wundern oder zum Kopfschütteln, ganz wie es beliebt …
They expect everybody to be insane. / This is a poem about the death of John F. Kennedy. . . . Death is not final. Only parking lots.
Ungefähr so auf Deutsch:
Sie erwarten, dass jeder verrückt ist. / Dies ist ein Gedicht über den Tod von John F. Kennedy. … Der Tod ist nicht das Ende. Nur große Parkplätze.
Mehr zu Jack Spicer und seinem dichterischen Werk …
https://www.poetryfoundation.org/articles/69169/this-is-the-end-of-the-poem
Kat Onomas THE HEART ist eine geniale Vertonung von Spicers (gleichnamigen?) Gedicht. Magischer Gitarren-dominierter, Wild West angehauchter Indie-Rock zu magischen Worten wie …
Deathward we ride in the boat
Broken-hearted or broken-bodied
The choice is real.
Gegen die mörderischen Zeiten am besten gleich zehnmal oder häufiger hintereinander reinziehen …