BLOODY F-ING BULLETS – Sam Peckinpah zum 100.

Max Säger hat sich vom Hocker gewuchtet und seine DVD-Sammlung durchgewühlt, um mit einem Sam-Peckinpah-Filmmarathon einen Regisseur zu huldigen, der in einer lange zurückliegenden Phase einmal sehr wichtig für ihn war. Und das ausnahmsweise nüchtern und ausgeschlafen. Danach gratulierte er der alten Wüstenratte mit einer per Quija-Brett übermittelten persönlichen Würdigung, die von einer Filmstudentin Buchstabe für Buchstabe abgefilmt und in mühevoller Kleinarbeit transcribiert wurde. Darum erst heute, mit viertägiger Verspätung …

Sam Peckinpah. Ein Name wie ein Schuss aus einer doppelläufigen Schrotflinte, der durch die Nebelwand von Zeit und Wahnsinn bricht. Jesus H. Christ.

Am 21. Februar 1925 hat du deinen ersten Schrei in diese Welt hinausgebrüllt.

100 Jahre ist das her. Das ist kein Jubiläum, das ist eine Explosion, ein kollektiver Albtraum durch den Abgrund des Kinos, das Peckinpah geschaffen hat. Und was für ein Abgrund, meine Freunde. Ein Abgrund voll Blut, Whiskey geschundenen Leibern und zerbrochen Träumen. Ein Abgrund, in dem die Grenzen zwischen Gut und Böse, zwischen Helden und Schurken, zwischen Leben und Tod verschwammen wie die Farben des LSD-Trips, der gerade in meinem Hirn explodiert..

Peckinpah war kein Regisseur. Er war ein Outlaw, ein schonungsloser Vorführer der Gewalt, die in uns tobt, wenn das Bier mal wieder zu warm, oder das Chili wieder zu kalt ist. Ein Mann, der das Kino nicht einfach nur filmte – der es jagte, einfing und zerlegte, um es uns dann in all seiner rohen, blutigen Pracht in die Visage zu klatschen.

„The Wild Bunch“? Holy Fuck. Das war kein Film, das war ein Massaker, ein psychedelisches Inferno aus Kugeln, Blut, Dreck und Schweiß. Ich konnte den Gestank der Eingeweide im Kino förmlich riechen.

Die Slow-Motion-Gewalt, diese hypnotischen, traumhaften Sequenzen, in denen die Zeit selbst zu zerfließen schien – das war kein Stil mehr, das war eine Vision. Die Horrorvision von einer Welt, die dich längst überholt und ausrangiert hat, aber vergessen zu verscharren. Peckinpah zeigte uns diese Welt, und er zwang uns, sie so lange anzustarren, bis wir in unseren blutetenden Augen unser gottverdammtes Schicksal sahen. Immer wenn ich heulen will, ziehe ich mir The Wild Bunch rein. Katharsis 2025.

Aber Sam P. war mehr als nur Gewalt. Er war ein auch übler Romantiker, ein gottverdammter Träumer, der an die Ideale des „alten Westens“ glaubte, obwohl er genau wusste, dass sie nichts als verschissene Lügen waren. „Ride the High Country“? Das war kein Western, das war ein Requiem, ein letzter, verzweifelter Versuch, die Geister einer vergangenen Freundschaft zu beschwören, als man noch nicht entfremdet war voneinander, von der Natur, vor allem nicht von sich selbst. Und gerade in dieser bitteren Melancholie lag eine seltsame Schönheit, wie sie nur Peckinpah einfangen konnte. Ein Mann zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Traum und Wirklichkeit.

Und dann war da „Straw Dogs“. Holy shit. Ein Film wie ein Frontalangriff, ein psychologischer und physischer Guerillakrieg gegen alles, was wir über Zivilisation, Moral und menschliche Natur zu wissen glaubten. Dustin Hoffmans Charakter, dieser sanftmütige, brillante Mann, der in die Dunkelheit getrieben wird, bis er selbst zum Monster geworden ist – das war kein Plot, das war eine Warnung. Eine Warnung, dass die Gewalt, die wir in Peckinpahs Filmen sahen, nicht nur auf der Leinwand existierte. Sie existiert in uns. In jedem von uns. Peckinpah wusste das, und er hatte den verdammten Mut, es uns zu zeigen: Hier, schau hin, all das bist du.

Tat twam asi, Sam wusste, was das bedeutet.

Peckinpahs Leben war wie seine Filme – chaotisch, gewalttätig und voller Widersprüche. Er war ein Trinker, eine Koksnase, ein hinterfotziger Kämpfer, der sich mit den Studios anlegte, bis sie ihn in den Arsch traten. Aber er war auch eine Art Künstler, ein Visionär, der sich weigerte, sich den Regeln Hollywoods zu beugen.

Okay, seine Filme waren nicht perfekt – dazu waren zu wild, zu roh, viel zu viel. Aber das war wohl ihr Punkt. Peckinpah wollte f-ing Wahrheit. Und die, meine Freunde, ist niemals sauber und perfekt. Sie ist blutig, sie ist dreckig und sie tut echt weh. Sie lässt dich mit Fragen zurück, die dir den Schädel spalten, wenn du versuchst, darüber nachzudenken.

Heute, 100 Jahre nach seiner Geburt, ist Sams Kino immer noch da. Wie ein Untoter, geistert es durch die seelenlosen Kanäle unserer hypermodernen „Multiplattform-Entertainment-Movie-Streaming-Welt“, die sich in ihrer sentimentalen Gefühlsduseligkeit und Correctness suhlt und dabei so berechnend, so herzlos, so seelenlos, so Algorithmen optimiert und profitmaxiert ist, das mir das Kotzen kommt.

Peckinpas Filme sind keine Filme – sie sind Manifeste, Anklagen, Warnungen, Einladungen zum Wahnsinn, der sich Leben nennt, wenn man wirklich bereit ist, es zu leben. Sie erinnern uns daran, dass Kino mehr sein kann als bloße Unterhaltung. Es kann ein Spiegel sein, ein Trip, der dich verändert, ob du willst oder nicht. „Buy the ticket, take the ride.“

Also, hier ist ein Toast auf Sam Peckinpah, auf den Mann, der uns zeigte, dass die Hölle kein Ort ist, sondern ein Zustand in uns. Der uns zeigte, dass man in der Dunkelheit verstörende Schönheit finden kann, wenn man den Mut oder die Verzweiflung hat, danach zu suchen. Der Mann, der uns zeigte, dass Kino, wenn es von einem Wahnsinnigen gemacht wird, mehr ist, als nur 24 Bilder pro Sekunde auf einer Leinwand. Es ist Leben. Es ist Wahrheit. Und ja, es ist vielleicht sogar verschissene Kunst. Was immer auch Kunst ist, außer künstlich.

Happy Birthday, Sam, du alte f-ing Wüstenratte. Du fehlst mir. Die Welt ist langweiliger ohne dich.

Zu Max Sägers Überraschung erhielt er eine Antwort via Ouija-Brett, leider nicht vom Geburtstagskind selbt, das hüllte sich in Schweigen, sondern von dem Filmjournalisten John Parson, der 1968 zwei Drehtage an Peckinpah’s Set in Durango, Mexiko überlebte. Danke John, RIP!

Sam Peckinpah am Set von „The Wild Bunch“

1968. Die Wüstensonne brennt wie ein weißglühender Hammer auf das Set nieder, als hätte sie eine persönliche Vendetta mit den Gringos aus dem Norden. Staub hängt in der Luft, dick und erstickend, und fängt das Licht ein wie ein billiger Hollywood-Effekt. Doch das hier ist kein Effekt. Das ist echt.

Das ist Peckinpahs-Welt. Da hockt er im Dreck, wie ein wahnsinniger Prophet, seine Sonnenbrille rutscht ihm die Nase hinunter, eine Zigarette baumelt von seinen Lippen, die Asche droht auf die verstreuten Drehbuchseiten zu fallen. Sein Hemd ist schweißdurchtränkt, sein Haar von einem Bandana gebändigt, Der Mann sprüht vor Energie, vor Manie.

Er brüllt etwas zur Crew, seine Stimme ist heiser, aber scharf, schneidet durch das Chaos. „Gottverdammt, ich will mehr Blut! Mehr Chaos! Das hier ist keine verdammte Teeparty!“ Er führt nicht einfach Regie, er „führt Krieg“. Das Set ist ein Schlachtfeld und Peckinpah ist der General, der das Gemetzel mit einer Art wahnsinnigem Genie orchestriert.

Die Schauspieler stehen in der Reihe, blinzeln in die Sonne, ihre Gesichter mit Schmutz und Kunstblut verschmiert. William Holden sieht aus, als wäre er in den letzten zehn Tagen zehn Jahre gealtert, aber in seinen Augen lodert ein Feuer. Er versteht es. Sie alle verstehen es. Das hier ist kein gewöhnlicher Film. Das ist etwas anderes. Etwas Rohes. Etwas Echtes.

Plötzlich springt Peckinpah auf, wirft einen Stuhl um, hat einen scharfen Colt-Revolver in der Hand und wedelt damit herum, als wäre er eine Verlängerung seines Arms. „Das ist es!“, bellt er. „Das ist der Moment, an den sie sich erinnern werden! Hier zeigen wir ihnen, was es wirklich bedeutet, für nichts zu sterben!“

Die Crew tauscht Blicke. Sie haben das schon oft gesehen. Den Wahnsinn. Die Leidenschaft. Die pure, unerbittliche Intensität. Sie wissen nicht, ob er genial oder einfach nur verrückt ist.

Vielleicht ist er beides.

Und dann, ganz plötzlich, ist er ruhig. Er nimmt einen langen Zug von seiner Zigarette, atmet langsam aus und lächelt – ein schiefes, gefährliches Lächeln.

„Okay“, sagt er, seine Stimme fast ein Flüstern. „Lasst uns Geschichte schreiben. Action!“

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