Gestrichene Szene über Söldner, Wehrpflicht, Krieg und Geld:
„Genossen, Krieg ist seit Menschengedenken ein Geschäft. Auf der Ausführungsebene ist er immer hartes Handwerk, Soldaten sind demnach Handwerker und gewillt, gegen Bezahlung ihrem Handwerk nachzugehen“, schwadronierte einer von Burgets Ausbildern im Unterrichtsfach Ideologische Aufklärung, dem die versammelten Kämpfer gebannt lauschten, „die Jahrhunderte hindurch kämpften Söldnerheere auf allen Seiten zur Vermehrung von Größe, Macht und Reichtum ihrer jeweiligen Herrscher – sie kämpften für kargen Sold und was beim Plündern so abfiel. Erst mit der Machtergreifung der Bourgeoisie, dem Aufkommen der Nationalstaaten im Europa des 19. Jahrhunderts, mit Nationalismus und Patriotismus wurde die allgemeine Wehrpflicht modern. Die Bedeutung von Söldnertruppen nahm ab. Fortan wurde nicht mehr für Geld, sondern für Ehre, Ruhm und Vaterland gestorben.“
Der Ausbilder blickte über die Köpfe der Zuhörer hinweg:
„Die beiden katastrophalen Weltkriege des 20. Jahrhunderts veränderten die alte Weltordnung, Genossen. West- und Ostblock entstanden, der Kampf der Systeme, nukleare Hochrüstung und Kalter Krieg folgten. Mit dem Niedergang der alten Kolonialmächte Großbritannien, Frankreich, Spanien und Portugal nach 1945 begann die Entlassung der Kolonien in die Unabhängigkeit. Zumeist behielten die neuen afrikanischen Staaten die von den Europäern wahllos gezogenen Landesgrenzen bei. Was im Nachgang interne Machtkämpfe und Konflikte zwischen rivalisierenden Volksgruppen auslöste. Eine Vielzahl lokaler und regionaler Kriege brach aus. Oftmals ideologische Stellvertreter-Kriege der rivalisierenden West- und Ostmächte, dank deren Hilfe Diktatoren grausame Terrorregimes errichten konnten. Söldner wurden wieder en vogue und viele Veteranen des 2. Weltkriegs fanden auf dem Schwarzen Kontinent neue Schlachtfelder …
Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts erkannten Think Tanks der erstarkenden Konservativen in den USA, dass Wehrpflichtige sich nicht für unpopuläre, aber aus ihrer Sicht wirtschaftlich und machtpolitisch notwendige Kampfeinsätze in exotischen Ländern eigneten. Eine ziemlich eigenwillige Quintessenz aus den Studentenunruhen und den Vietnamkrieg-Protesten. Adieu, allgemeine Wehrpflicht. In den USA und in Großbritannien entstanden reine Berufsarmeen. Mit Zusammenbruch des Ostblocks 1989 endete schließlich der Kalte Krieg. Und wie reagierte der Westen? Wurden die erdrückenden, völlig aberwitzigen Verteidigungsbudgets reduziert und das Geld endlich für etwas Sinnvolles ausgegeben wie Bildung, Bekämpfung der Armut, Gleichberechtigung, Gesundheitsvorsorge und Umweltschutz?“
Spätestens an diesem Punkt legte der Ausbilder in seinem atemlosen Vortrag immer eine dramatische Pause ein, sah jedem Einzelnen der Männer in die Augen, als wolle er die besondere Bedeutung dieser verpassten Chance für die Welt in der endlosen Reihe verpasster Chancen des imperialistischen Westens seit 1945 klarmachen.
Atemlose Stille bei den Neulingen.
„Eine rhetorische Frage. Natürlich wurden die Verteidigungsbudgets des Westens nicht der verringerten Bedrohung angepasst. Der Umsatzverlust wäre zu groß. Was machten sie stattdessen? In guter alter Tradition nach neuen Feindbildern suchen“, dröhnte die Stimme des Ausbilders.
„Mit dem in Folge des 11. September 2001 ausgerufenen, zeitlich unbegrenzten Global War On Terror legitimierten Pentagon und US-Rüstungsindustrie den Krieg vollends als Geschäftsmodell. Bezeichnete Stratege Clausewitz den Waffengang noch als vermeintlich logische Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, so bezeichneten Businessstrategen ihn folgerichtig als wachstumsdynamischen Zukunftsmarkt für Corporate America. Statt Friedensdividende heißt es fortan Kriegsdividende. Solange der Krieg nur läuft. Victory is just a state of stock value …
Damit nicht genug. Konsequent die neokonservative Wirtschaftsideologie befolgend, wurde outgesourct. Das verschlankte Department of Defense kümmerte sich fortan ums Kerngeschäft, also das Führen von illegalen Angriffskriegen und für notwendig erklärte Präventivschläge, vorzugsweise gegen Menschen brauner Hautfarbe, und privatisierte die unterstützenden Geschäftsfelder der Kriegsführung. Private Military Contractors übernahmen Verpflegung, Unterkunft und Nachschub der Truppen, aber auch Dienstleistungen wie Gefangenenverhöre. Darüber hinaus benötigten die den Truppen nachrückenden US-Großkonzerne Schutz bei ihrem unermüdlichen Einsatz für den Wiederaufbau der Rohstoffförderung und verlangten nach qualifizierten Personen- und Objektschützern …
Geld spielte keine Rolle. Die Margen stimmten immer, denn das Pentagon zahlte alles. Die meisten Kontrakte waren auf Cost-plus-Basis, was bedeutete, eventuelle Mehrkosten trug immer der Auftraggeber, und damit der US-Steuerzahler. Eine noch heute übliche Praxis.“