MONEYSHOT – Leseprobe

1

Samba musste jemanden aus dem Universum kicken. Also rief er Schmudtke an, der eine von Scharks Spielhöllen leitete.

„Wie stehst du zu Detto?“

„Ein Riesenarschloch.“

„Weiß jeder. Ich will wissen, wie du zu ihm stehst.“

„Ich mache seit Jahren keine Deals mehr mit ihm.“

„Scharky ist ziemlich sauer auf Detto.“

„Hat wieder scheiße gebaut, was?“

„Macht er dauernd.“

„Wenn Schark auf mich sauer wäre, hätte ich ein Problem.“

„Genau. Deshalb gebe ich dir eine Chance, bei Scharky zu punkten.“

„Wie das denn?“

„Detto kriegt eine Abmahnung.“ Samba zündete sich genüsslich einen Zigarillo an. Er wusste, wie Schmudtke reagieren würde.

„Ohne mich. Ich hab ne Bewährung offen. Ich kann mir nichts leisten.“

„Nicht so vorlaut. Ich rede nicht von einer finalen Freisetzung, sondern von einer ersten Abmahnung.“

„Für sowas brauchst du mich doch nicht, Samba.“

„Ich will dich dabei haben, damit er weiß, dass du auf Scharkys Payroll stehst.“

„Und warum?“

„Weil du künftig unser Wirtschaftsprüfer bei Detto bist. Du steigst auf. Du kriegst Kontrolle.“

„Echt?“

„Laber mir kein geschwollenes Ohr. Ich hole dich in ner halben Stunde ab. Und bring deine Kanone mit.“

„Du hast gesagt…“

„Bepiss dich nicht. Er soll richtig Angst kriegen. Detto ist kein Weichei. Man muss ihm schon klar machen, dass die Zeit im Kindergarten zu Ende ist. Das ist alles.“

„Warum bringst du nicht selbst ne Kanone mit?“

„Weil ich ihm ein paar überstreiche. Ich will beide Hände frei haben. Du hältst ihn in Schach.“

„Du kannst sie ihm zeigen und wieder einstecken.“

„Ich kann ihm auch meinen Schwanz zeigen und wieder einstecken. Aus was für einen Film ist das denn, du Clown?“

„Wenn sie mich mit ner Knarre erwischen, ist meine Bewährung hin.“

„Nicht, wenn ich dabei bin.“

„Meinst du, Detto hat ne Knarre dabei?“

„Nie. Du zeigst ihm deine, und ich bearbeite ihn. Musst dir nicht mal die Knöchel blutig machen. Das wird ne schnelle Nummer. Kein langes Rumgemache.“

„Du haust ihn doch mit einem Hieb aus dem Anzug.“

„Und wenn er deine Knarre sieht, nimmt er das hin, ohne den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Dann ist er froh, dass er nur gezüchtigt wird.“

„Ich… Ich verstehe.“

„Warst immer ein Schnelldenker. Scharky wird das gefallen.“

„Ich bin loyal. Schark weiß das, oder?“

„Deshalb hast du auch die Ehre, mich zu begleiten.“

Samba legte auf und ging in die Küche. Er löffelte Kaffee in einen Keramikbecher, füllte ihn mit Leitungswasser auf und stellte die Brühe in die Mikrowelle. Die Küche war teuer und noch nie zum Kochen benutzt worden. Aber Samba wollte nun mal alles vom Feinsten. Das Teuerste musste es sein. Er war schließlich ein Fresser. Die Welt bestand, so hatte es ihm sein Boss Schark beigebracht, nur aus Fressern und Gefressenen. Mit dem dampfenden Schlamm ging er ins Badezimmer. Neben dem Spiegel klemmte ein Bodybuilderfoto mit Widmung von Arnold Schwarzenegger. Das Idol seiner Jugend. Samba begann ruhig und gleichmäßig seinen muskelbepackten Körper mit einer wohltuenden Mixtur einzuölen. Vielleicht waren Arnies Muskeln perfekter gestylt, aber im Grunde war diese Hollywoodschwuchtel doch ein Weichei. Dann setzte er sich eine Spritze mit B12-Vitaminen. Die bezog er von Tunz, einem schwulen Bodybuilder und Apotheker, was praktisch war. Man konnte schließlich nie genug für den Körper tun. Er betrachtete sein breites Gesicht mit der mehrfach gebrochenen Nase im Spiegel. Die Eisenplatte im Schädel war unter der Haut nicht zu erkennen. Jetzt war er fast vierzig. Kaum zu glauben. Seine Kindheit war doch erst gestern gewesen. Kindheit! Kindheit und Jugend, so ein Soziologenscheiß. Während seine Altersgenossen brav zur Schule gingen um fürs Leben zu lernen, hatte Samba das Leben kennen gelernt – auf der Straße. Unterricht im Überlebenskampf. Das hatte ihm gut gefallen. Er war immer etwas hungriger als die anderen. Man konnte es ihm an den blutunterlaufenen Augen ansehen. Schlafmangel aus Lebensgier. Wenn er nicht trainierte, um aus seinem Körper eine Kampfmaschine zu machen, hing er in den einschlägigen Etablissements herum, immer auf der Suche nach einem Geschäft, einem guten, profitablen Geschäft. Das gute, profitable Geschäfte, wenn sie von kleinen Fischen auf der Straße gemacht werden, fast immer illegal sind, versteht sich von selbst. Und da er noch in der Lehre war, erwischte man ihn gelegentlich. Erst Jugendstrafen, dann auch mal richtig Knast. Bis er an Schark geriet. Der fette Big Man nahm ihn in seine Truppe auf. Nach einiger Zeit wurde Samba sein Leibwächter, persönlicher Vertrauter. Fast sowas wie ein Prokurist. Verdammt guter Job. Er war die geborene Nummer Zwei und mochte das. Kein falscher Ehrgeiz. Nix mit „Kalif an Stelle des Kalifen“ werden wollen. Das wusste Schark – und das gefiel Schark. Es gab genügend Arschlöcher, für die man Augen am Hinterkopf brauchte. Er verließ das Bad und ging in den großen, kargen Wohnraum. Karg, aber ein paar sehr teure Möbel. Vom Feinsten eben. Neben dem Breitwandfernseher stand ein alter Hinrichtungsblock. Samba glaubte, dass er echt war. Er wollte glauben, dass Menschen ihren Kopf daraufgelegt hatten, bevor er mit dem Beil vom Rumpf getrennt wurde. Leider gab es keine Kerben, an denen man ablesen konnte, wie viele Köpfe hier vom Hals getrennt worden waren. Dabei wäre das doch interessant, oder? Durch das viele Blut hatte sich das Holz über Jahrhunderte giftig verfärbt. Er hatte es gerne gemütlich. Er warf einen zärtlichen Blick auf das Terrarium, das die gesamte Fensterlänge des Wohnzimmers einnahm. Orangen glitzernde Augen über einen die Oberlippe betonenden Mund starrten wütend zurück. Der einmeterundfünfundneunzig lange braune Körper der Schlange zuckte aggressiv. Samba trat direkt vor das Glas und drückte seinen Kopf in Augenhöhe dagegen.

„Mein Goldstück ist heute wieder schlecht drauf, was?“

Der Kopf schoss gegen Glas und das ganze Terrarium erzitterte von der ungeheuren Kraft des Taipans, der wahrscheinlich giftigsten Schlange der Welt. Kichernd zog sich Samba zurück und während er seine Wohnung verließ, dachte er darüber nach, was er alles über das illegal erworbene Reptil wusste. Reptilien hatten ihn immer fasziniert. Der Taipan ist in Queensland, Australien, am weitesten verbreitet und der Horror der Einwohner. Sambas Liebling stammte aus der Nähe von Cairns im nördlichen Queensland am Rande des Korallenmeeres; ein Ort mit der höchsten Giftschlangenpopulation der Welt. Der Name Taipan stammte von malaiischen Zuckerrohrarbeitern und bedeutete „Meister“. Darin drückte sich Respekt und Angst aus. Bis 1950 hatte es kein Gegengift gegeben und jeder, der von einem Taipan gebissen wurde, starb schnell und elend. Der Erste, der einen lebend gefangen hatte, wurde tödlich gebissen, als er die Schlange in einem Laboratorium ablieferte. Aber sein heroisches Opfer war nicht umsonst. Denn von nun an konnte man diesen Taipan melken und ein Serum als Gegengift entwickeln. Samba hatte das Zeug im Kühlschrank gebunkert. Für alle Fälle. Denn manchmal ließ er seinen kleinen Liebling aus dem Terrarium. Er besorgte kleine Tiere, damit er dem Taipan bei der ungleichen Jagd zusehen konnte. War nie einfach, die Schlange dann wieder einzufangen und zurück ins Terrarium zu stecken. Der blöde Taipan kriegte einfach nicht mit, dass Samba nur das Beste für ihn wollte. Aber bisher war immer alles gut gegangen und Samba war noch nie gebissen worden. Na ja, er hatte ja das Serum. Nach zweimaligem Melken hatten die Wissenschaftler festgestellt, dass die gewonnene Giftmenge ausreichte, um 150 Menschen zu töten. Diese Effektivität begeisterte Samba. Kein Nachladen, um mal eben ein Dorf auszurotten. Eines Tages würde er in Australien eine Schlangenfarm betreiben. Er mochte Schlangen sehr. Sie lösten in den meisten Menschen dieselben Ängste aus, die auch er in ihnen auslöste.