Romanauszug, Kapitel 28 …
Die dreißig Kämpfer waren überwiegend junge Männer. Sie trugen die grüne Uniform der kongolesischen Armee, in der sie bis vor zwei Tagen gedient hatten, bevor sie desertierten. Sie schleppten ihre Waffen, AKs, Maschinengewehre, RPGs und Munitionskisten, zu Fuß durch den Busch. Es gab keine Jeeps mehr. Die Kämpfer waren auf dem Weg nach Süden, wo sie sich mit anderen F22-Rebellen zusammenschließen sollten. Der Feldwebel hatte gesagt, sie würden bis Goma durchmarschieren. Am Vortag wollten sie ein Dorf überfallen und ausplündern. Aber die Bewohner waren schon abgehauen und hatten alles Hab und Gut mitgenommen. Vor Wut zündeten die Rebellen die Hütten an und verwüsteten die Felder. Jetzt hatten sie Hunger und schlechte Laune und wollten kämpfen.
Im Dorf bereiteten sich alle auf den großen Aufbruch vor. Die Matratzen und Decken wurden aufgerollt und zusammengebunden, die Kleidung in große Bündel geschnürt, das Kochgeschirr und die wenigen Wertsachen in Säcke und Taschen gepackt. Alles, was die Männer im Dorf nicht unbedingt zur Verteidigung und zum Leben brauchten, musste mit. Jeder würde tragen helfen. Auch die Kleinsten.
Die Rebellen waren ebenfalls seit dem Morgengrauen auf den Beinen. Nach einer Stunde Fußmarsch sahen sie die ersten Felder, hörten die ersten, vom Wind herübergetragenen Stimmen. Sie setzten die schweren Kisten ab. Sie überprüften die Waffen, nahmen ihre AK-47 und ihre Macheten, ein Maschinengewehr und so viel Munition, wie ihnen nötig erschien. Als sie sich dem Dorf genähert hatten, sahen sie überwiegend Frauen und Kinder, dazwischen zwei weiße Frauen und ein paar unbewaffnete Männer. Leichte Beute. Der Feldwebel teilte seine Kämpfer in zwei Gruppen auf, sie würden die Dorfbewohner in die Zange nehmen, sie zusammentreiben und die Männer sofort töten. Die Frauen und Kinder nähmen sie sich später vor, nachdem sie Nützliches und Essbares zusammengetragen hatten.
„Ihr wollt doch Spaß haben“, sagte der Feldwebel.
Die jungen Kämpfer nickten in einem fort, das Blut pulsierte in den Adern, rauschte in den Ohren. Sie schienen die Befehle kaum zu hören, tuschelten aufgeregt miteinander. Sie dachten nur an die Beute, vor allem an Alkohol. In dem Dorf gab es bestimmt Kanyanga-Schnaps.
Endlich schwärmten die zwei Gruppen aus.
Die Ärztinnen Sonya und Claire saßen abfahrtbereit in ihrem Fahrzeug. Im Busch hinter ihnen bewegte sich etwas. Dann hörte Burget Schüsse. Als Nächstes sah er Stillman eine Baumreihe unter Beschuss nehmen. Die auf dem Dorfplatz versammelten Frauen und Kinder schrien, duckten sich, krochen schließlich schutzsuchend in die Hütten. Die Männer der Dorfschutzbrigade warfen sich kreuz und quer auf die Erde und schossen in die Richtung, aus der sie den Angriff vermuteten. Sicher waren sie sich allerdings nicht. Ihre Gegenwehr war langsam und wenig effektiv. Burget erkannte, dass der Angriff von zwei Seiten zugleich erfolgte. Das war auch Hunter sofort klar. Er signalisierte dem Blonden: Fire and Movement. Woraufhin beide, sich abwechselnd Feuerschutz gebend, gegen die Angreifer vorrückten. Der gebrochene Zeigefinger schien David dabei nicht sonderlich zu behindern.
Die unerwartete Gegenwehr überraschte die Rebellen, brachte ihren Angriff ins Stocken. Burget nutzte das Vorrücken der beiden Söldner und bewegte sich so schnell er konnte, auf allen Vieren zum Fahrzeug der Ärztinnen. Sonya und Claire waren erst seit wenigen Wochen im Ostkongo. Jetzt erlebten sie, an das Bodenblech im Fußraum des Autos gepresst, ihren ersten Rebellenangriff. Burget öffnete die Fahrertür, zog beide Frauen nacheinander aus dem Fahrzeug. Sie weigerten sich, zu den Hütten zu rennen. Er brüllte sie an und schob sie vorwärts, immer wieder kurze Feuerstöße Richtung Wald abgebend. Seit beinahe einer Minute schon schoss Stillman systematisch auf die Baumreihe. Allmählich wurde seine Munition knapp.
Ein paar Rebellen brachten das Maschinengewehr in Stellung und fütterten den ersten Gurt ein. Die Ärztinnen erreichten die nächstgelegene Hütte, in die sich bereits viele Frauen und Kinder geflüchtet hatten. Kaum lagen sie eingezwängt zwischen den anderen auf dem Boden, durchschlugen Maschinengewehrprojektile das dünne Holz über ihren Köpfen. In einer Höhe von siebzig Zentimetern wurde die Wand förmlich zersiebt. Der Lärm der Geschosse, das Krachen des splitternden Holzes übertönten ihre Schreie. Ganze Stücke brachen aus der Wand. Sonnenlicht drang durch die Öffnungen, fiel in langen, schmalen Schächten in den Raum. Nach kaum zwanzig Sekunden, die den Frauen und Kindern wie eine Ewigkeit vorkamen, endete der Beschuss. Die Stille klingelte in ihren Ohren. Zwei Rebellen lagen tot im Gras.
Hunter und David hatten das Maschinengewehr unter ihre Kontrolle gebracht. Jetzt schwangen sie es herum und beschossen die Angreifer. Wie ein Wahnsinniger, brüllend und johlend, jagte der Blonde einen Gurt nach dem anderen durch. Irgendwann würde der Lauf anfangen zu glühen. Irgendwann müsste er aufhören zu schießen. Irgendwann.