Vom Meat- zum Moneyshot
Eine kurze Geschichte des Porno-Films bis zum Internet
Die Zeiten, als sich Männer mit hochgeschlagenem Kragen ihren Schmuddelkram noch in schmierigen Läden in den schmutzigen Straßen der Slums besorgten, sind längst vorbei. In den letzten Jahrzehnten haben sich Pornographen und Konsumenten immer mehr emanzipiert und das Genre zu einem Großteil aus der Anstößigkeit befreit.
Die Jahrhunderte währende christliche Repression von Sexualität und ihrer medialen Aufbereitung ist weitgehend beendet. Eine Pornodarstellerin wie Jenna Jameson wurde nicht nur eine Art Popstar und das meistphotographierte Covergirl aller Zeiten, sondern auch ihre eigene Produzentin und Multimillionärin. Hollywood-Stars sonnen sich in der Begleitung von Hardcore-Queens, und für das Image echter Rock´n´Roller ist ein Verhältnis mit Sexakteurinnen immer ein Gewinn.
Ein alter Pornofreund wie Don Johnson besetzte Jenna Jameson in den 1990er Jahren in zwei Folgen seiner Erfolgsserie „Nash Bridges“; The „Italion Stallon“ Rocco Siffredi brachte es zu einer vielbeachteten Darstellung in einem französischen Kinofilm. Selbst wenig erfreulichen deutschen Porno-Aktricen wie etwa Gina Wild alias Michaela Schaffrath (oder so ähnlich) dürfen jetzt kleine Rollen in Fernsehserien spielen. Insgesamt ist in Deutschland aber auch die Pornographie – wie jedes populärkulturelle Genre – ohne Glamour und provinziell.
Der Weg der modernen Pornographie, wie wir sie heute kennen und schätzen, war lang, steinig und oft gefährlich. Er begann mit der Photographie: „Fünf Minuten, nachdem 1827 die Photographie und 1894 der Film erfunden wurde, stand eine nackte Frau vor der Kamera“, sagte der Pornoproduzent David Friedman. Und damit hat er recht. Man darf wohl vermuten, dass auch spätestens fünf Tage, nachdem Gutenberg die Druckkunst erfunden hatte, die ersten Pornos gesetzt wurden …
Bereits während des amerikanischen Bürgerkriegs erfreuten sich die Soldaten an den Photos nackter Frauen, die über einen Mailorder-Versand vertrieben wurden. Und noch vor der Jahrhundertwende zeigten Franzosen und der deutsche Produzent Oskar Meester sich entkleidende oder badende Frauen auf der Leinwand.
Die Geschichte der Pornographie ist wie kaum ein anderes Genre mit der Entwicklungsgeschichte der Massenmedien verbunden. Porno spielte immer eine führende Rolle bei der Durchsetzung neuer Technologien wie Film, Video, DVD oder Internet. Oft trieb sie diese Entwicklung auch so stark voran, dass Medien wie Video oder Internet in kürzester Zeit zum Mainstream wurden.
Wie groß der mediale Einfluss der Pornoindustrie seit etwa 30 Jahren ist, zeigte der Kampf um die Durchsetzung des allgemein gebräuchlichen Videosystems: Anfang der 1980er Jahre verlor Sonys Betamax-Technik gegen VHS, weil sich die Pornoindustrie für letztere als gängiges Format entschieden hatte. Auch bei der DVD hat sie ein entscheidendes Wort mitzureden, da sie 2005 etwa 11.000 Titel auf DVD veröffentlichte und mit dieser Quantität den Markt beeinflusste.
1997 wurden in den USA geschätzte vier Milliarden Dollar mit Pornovideos umgesetzt, was einem Viertel des gesamten Videomarkts entsprach. 1998 setzte die gesamte Industrie, inklusive Magazine, Lizenzen, Softcore-Versionen für den Fernsehmarkt usw., in den Staaten acht Milliarden Dollar um, soviel wie Hollywood und die Musikbranche zusammen. Der „Economist“ taxierte 2004 den weltweiten Umsatz der Branche auf rund 20 Milliarden Dollar.
Porno hatte sich in den letzten Jahrzehnten zum Big Business gemausert – es existiert kaum ein Land, in dem es die Produkte nicht zu kaufen gibt. In den westlich orientierten Ländern werden Pornos ganz legal angeboten. So unterschiedliche Leute wie „Hustler“-Herausgeber Larry Flynt und der Schriftsteller Salman Rushdie führen die Legalität von Pornographie als Indiz für eine freie Gesellschaft an. Dagegen wettern vehement die Pornogegner, eine merkwürdige Allianz aus religiösen Fundamentalisten (christliche wie islamische Hardliner lehnen jede Form von Pornographie radikal ab) und ewig gestrigen Feministinnen. Die einen behaupten, Gott habe uns die Sexualität lediglich zur Fortpflanzung in der Ehe geschenkt, die anderen, dass Frauen durch Pornographie erniedrigt würden. (Was ist denn mit der erniedrigenden Darstellung der Männer als immer geile blöde Rammler?)
Meist behaupten diese Gruppen auch einen Zusammenhang zwischen Pornos und Sexualverbrechen. Empirisch konnte das nie nachgewiesen werden. Japan zum Beispiel ist berüchtigt für den massenhaften Konsum extremer Gewaltpornographie. Japan ist aber auch das Land mit der weltweit geringsten Rate an Sexualdelikten. In Asiens größtem Pornomarkt – vielleicht sogar dem größten der Welt – werden jährlich circa 10.000 Filme hergestellt, die etwa acht Milliarden Euro Umsatz machen.
Durch das Internet erlebte die Verbreitung von Pornographie einen enormen Schub. Nun kommen auch Menschen aus Ländern mit strengstem Pornographieverbot mit ein paar Mausklicks an die gefragte Ware, da das Netz massenhaft kostenlose Pornographie bietet. Laut Google wird täglich 68 Millionen Mal der Begriff „porn“ in die Suchmaschine eingegeben.
Der dänische Kriminologe Berl Kutchinsky datierte den Beginn der modernen Pornographie auf die 50er Jahre des 17. Jahrhunderts. In diesem Jahrzehnt erschienen drei Bücher, auf die er die meisten bis heute gültigen Topoi des Genres zurückführt: „La Puttana Errante“, „L´Ecole Des Filles“ und „Satya“. In ihnen finden sich lesbische Szenen, Sodomie, Gruppensex, Flagellation und Sadomasochismus neben den üblichen Beschreibungen aller erdenklichen Stellungen. Amoralität, Wollüstigkeit und stereotype Charakterisierungen runden das Bild ab.
Aber erst seitdem die Bilder laufen lernten, lässt sich ein stetiger Anstieg an pornographischen Material feststellen; zuvor war Porno noch ein Privileg der oberen Schichten. Die Entwicklung der Massenmedien sorgte für eine Demokratisierung. Bis in die 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ging diese zwar nur langsam, aber kontinuierlich vor sich; danach – durch Liberalisierung der Gesetze und die Einführung neuer Technologien – überschlug sich die Entwicklung, um heute einen nie gekannten Verbreitungsgrad zu erreichen.
Am Anfang des Pornofilms stehen die sogenannten Stag-Filme: kurze Stummfilme, primitiv gedreht, die mit wenig Handlungsvorwand sexuelle Akte auf die Leinwand brachten. Die ersten Stag-Filme wurden ab dem frühen 20. Jahrhundert in „Nickelodeons“ auf Rummelplätzen oder in Rotlichtbezirken gezeigt (Eintritt: einen Nickel). 1910 gab es in den USA um die 10.000 dieser Kleinstkinos. Zu ihrem Betrieb brauchte man nicht mehr als einen Projektor, eine Leinwand und ein paar Stühle.
Der erste offiziell gezeigte Stag-Streifen soll aus dem Jahre 1896 stammen. Die große Zeit des frühen Pornofilms waren die Jahre von 1920 bis Ende der 60er. In den fünf Jahrzehnten seiner Blüte blieben die Filme statisch – es waren ausschließlich Stummfilme in Schwarzweiß, meist mit maskierten Darstellern. Lediglich an Frisuren und Kleidung läßt sich erkennen, aus welchem Jahrzehnt sie stammen. Der Stag-Historiker Dr. Joseph Slad fand heraus, dass vor 1965 nur fünf Filme mit Ton gedreht worden waren (jeweils einer 1938, 1942, 1951 und zwei 1949) und nur vier in Farbe (1948, 1952, 1956 und 1959). Dokumentiert wurden in den USA bis 1970 etwa 2000 Stag- und Pornofilme. Wie sehr sich die Situation seitdem verändert hat, zeigt die statistische Tatsache, dass allein im Jahr 2000 rund 8000 Pornos produziert wurden.
Ein üblicher Stag war ein 16-mm-Schwarzweißfilm, der im wahrsten Sinne des Wortes nur bewegte Bilder zeigte. In den 20er Jahren wurden die Streifen auf 35-mm-Nitrat-Film gedreht, was ihre Lebensdauer begrenzte. Der erste „offiziell“ registrierte amerikanische Stag-Film, „A Free Ride“, stammte von 1915. Genaue Daten über diese frühen Pornos, die im illegalen Untergrund gedreht und vertrieben wurden, sind naturgemäß kaum zu ermitteln. Die Filme hatten keine Credits der Mitwirkenden, und die Produktionsfirmen gaben sich wechselnde Phantasienamen ohne Adressenangaben.
Stag-Filme waren durchschnittlich zehn Minuten lang. Vertrieben wurden sie durch herumreisende Vorführer, die Filme und Projektor im Gepäck hatten. Gezeigt wurden sie in den Hinterzimmern von Bars, Klubs, in Provinzkinos mit geschlossener Gesellschaft oder in Privathäusern von „Freundeskreisen“; jedenfalls nur an Orten für Eingeweihte, die Geheimhaltung garantierten und damit dem Zugriff der Ordnungshüter möglichst entzogen waren.
Wie das ablief? Der reisende Vorführer kam in die Stadt, in der die vorbereitete Klientel ihn sehnsüchtig erwartete, zeigte seine Filme in verrauchten Höhlen (daher auch die gelegentliche Bezeichnung dieser Filme als „Smokers“), wurde bar bezahlt und war am nächsten Tag wieder verschwunden. Die zehnminütigen Filme waren genauso lang wie eine Spule. (Eine einzelne Filmrolle ließ sich naturgemäß besser verstecken als viele). Nur in Bordellen konnte man Stags regelmäßig ansehen, da sie die Kundschaft anheizen sollten. Die Filme benutzten immer dieselben Handlungsmuster, die man auf fünf Plots reduzieren kann:
1. Eine Frau alleine zu Hause beginnt zu masturbieren. Dann kommt ein Mann dazu, und sie vögeln.
2. Ein Farmgirl sieht Tieren beim Geschlechtsakt zu, wird erregt, trifft auf den Bauern oder einen Handlungsreisenden und … ja, was wohl?
3. Ein Arzt untersucht eine Frau – und ab geht die Post.
4. Ein Einbrecher findet eine Frau im Bett vor und vergewaltigt sie. Oder umgekehrt.
5. Eine sonnenbadende Frau wird erwischt und verführt.
Was der Moneyshot (die Ejakulation außerhalb der Frau) für den heutigen Porno ist, war der Meatshot für den Stag-Film: die extreme Nahaufnahme der Penetration. Da man die Kamera nicht bewegen konnte, machte man aus der Not eine Tugend: Man positionierte sie so, dass sich der Zuschauer in der Rolle eines heimlichen Voyeurs wähnte. Viele Filme vermitteln so den prickelnden Eindruck, als würde man Verbotenes durch ein Schlüsselloch betrachten.
Linda Williams stellte in ihrem Buch „Hardcore“ fest: „So kam die Frage der sexuellen Befriedigung von Mann und Frau in diesen Filmen niemals vor: einen Penis in eine Körperöffnung einzuführen, galt automatisch als befriedigend für beide.“
Die Darsteller waren Amateure. Oft trugen sie Masken, um nicht identifiziert zu werden, falls der Film in die Hände der Ordnungskräfte geraten sollte. Rekrutiert wurden sie aus den unteren Schichten: Immigranten, Arbeitslose, Prostituierte und Zuhälter. Zur unfreiwilligen (?) Komik trug bei, dass die männlichen Darsteller neben Masken auch gerne ihre Socken anbehielten. Der maskierte Mann in schwarzen Socken wurde geradezu zum Symbol der Stag-Filme. Nur wenige Darsteller traten unter demselben Pseudonym – falls es überhaupt Credits gab – in mehreren Filmen auf; das heutige Star-System des Pornos existierte bei den Stags nicht. Eine der wenigen bekannten Aktricen, die einen bestimmten Charakter über mehrere Filme „entwickelten“, war eine Dame namens Blondie Blondell.
Anfang der Fünfziger drehte eine gewisse Juanita Slushes in einem Motel in Tennessee einen Stag und schrieb Pornogeschichte. Dafür gab sich die 16jährige den Namen Candy Barr, der Film hieß „Smart Aleck“. Beide wurden zur Legende. Candy war wohl der einzige Star, den der Stag-Film je hervorgebracht hat, und „Smart Aleck“ gilt als der berühmteste und beste Film des Genres. Das lag allerdings nicht etwa an einer ungewöhnlichen Handlung, sondern am Appeal von Candy, die ungewöhnlich erotisch rüberkam. Sie hat noch heute ihre Hardcore-Fans.
Die meisten Stag-Filme wurden in den USA hergestellt, gefolgt von Frankreich, wo das Genre so verbreitet war, dass erst de Gaulle dagegen mit härtester Repression vorgehen ließ. In den 20er Jahren wurden in Frankreich mehr Filme als in den USA gedreht. Eine liberale Sexmoral und Gesetzgebung ermöglichten sogar, dass Produzenten wie Bernard Natan und Dominique ihre Pornos in Anzeigen in Blättern wie „Paris Plaisir“ oder „La Vie“ bewerben konnten. Später aber verbot der französische Kultusminister in den 1970ern den Export französischer Pornofilme – aus Angst um das Image Frankreichs!
Ein berühmter deutscher Stag-Film war „Am Abend“ (1910): Nachdem ein Mann durch ein Schlüsselloch beobachtet hat, wie eine Frau masturbiert, betritt er das Zimmer und treibt es mit ihr vaginal, oral und anal. Im Chaos nach dem Ersten Weltkrieg blühte in der Weimarer Republik jede Form von Pornographie. 1920 verabschiedete der Reichstag einen Zensurparagraphen für die Filmindustrie, der diese Freizügigkeit einschränkte. Aber erst 1926 wurde jede Form von Pornographie verboten.
Den Höhepunkt der Anti-Sexualität erlebte Deutschland 1933 mit der Machtergreifung der Nazis. Sie vernichteten das Institut für Sexualwissenschaft von Magnus Hirschfeld in Berlin und damit auch die größte systematische Sammlung deutscher Pornographie. Einen Monat vor dem Überfall durch die SA hatte Hirschfeld mehrere Kisten mit wissenschaftlichem Material und Pornographie nach Argentinien verschickt. Von dort aus gelangte es später unter Umwegen zum Kinsey-Institut, wo es heute noch eingesehen werden kann.
Viele Stags kamen aus Lateinamerika, wo die Staatsmacht weniger präsent war. Vor allem in Tijuana und Havanna wurden üble Filme hergestellt, in denen Frauenhass sowie die Verachtung der katholischen Kirche ihren Ausdruck fanden. Verstärkt wurden in Lateinamerika auch sodomitische Filme (Bestiality) hergestellt. Heute gilt vor allem Mexiko als großer Lieferant für Snuff-Filme (Filme, in denen reale Morde gezeigt werden; aber Snuff ist ein Thema für sich – und hat nichts mit „normaler“ Pornographie zu tun).
Während der Depression in den 1930er Jahren wurden die Produktion und der Vertrieb integraler Bestandteil der Untergrundwirtschaft, die von den bekannten Gangsterbossen der jeweiligen Regionen kontrolliert wurde. Erst in den Fünfzigern, als sich die 16-mm-Schmalfilmtechnik durchsetzte, fanden Pornofilme Einlass in private Haushalte der Mittelschicht. Die gesamte Geschichte des Pornofilms kann man unter dem Aspekt betrachten, dass technische Entwicklungen und ihre Nutzung durch die Pornographen zunehmend darauf abzielten, im privaten Bereich konsumierbar zu werden. Der vorläufige Endpunkt ist dank dem Internet erreicht, das dem Konsumenten sogar den Gang in die Videothek erspart.
Dänemark war das erste westliche Land, in dem Pornographie legalisiert wurde – und zwar bereits 1969! Dagegen dauerte es in Großbritannien bis 1999; es war das letzte europäische Land, das seine repressive Gesetzgebung aufhob. Die Liberalisierung in den skandinavischen Ländern machte Dänemark und Schweden geradezu zum Synonym für Porno. Von dort aus schmuggelten Geschäftsleute und selbsternannte Überzeugungstäter Filme und Magazine ins südliche Europa ein.
Zum Inbegriff des Euro-Pornos wurde Lasse Braun (hinter dem Pseudonym verbirgt sich der Italiener Albert Ferro): Nachdem er mit Hilfe des väterlichen Diplomatenpasses Magazine nach Italien gebracht hatte, begann er in den 1960ern Filme zu drehen, die er über seine Stockholmer Firma Beta vertrieb. 1971 führte er gemeinsam mit dem amerikanischen Vertriebsmogul Reuben Sturman in Europa die Peep-Show-Kabinen (pay and spray) ein. Die wurden mit kurzen Filmen, sogenannten loops, munitioniert. Mitte der 1970er Jahre produzierte Braun mit „Sensations“ den teuersten europäischen Porno, der je gedreht wurde. Obwohl man zwei seiner Edelpornos sogar in Cannes vorführte, waren sie Flops. Der Misserfolg traf die Branche ins Mark, und sie stürzte sich fortan auf kostengünstige Produktionen. Erst in den Neunzigern stellten europäische Regisseure wie Joe D´Amato, Pierre Woodman und Luca Damiano wieder aufwendige Großproduktionen her.
Der zweite wichtige europäische Pornopionier war der Schwede Berthe Milton, der 1960 sein erstes Pornoheft herausgab: „Private“, das erste Porno-Mag in Farbe. Ende der 1980er verkaufte jedes Heft 100.000 Exemplare, davon allein 40.000 in Deutschland – doppelt so viel wie die schärfsten Konkurrenten „Foxy Lady“ und „Color Climax“. Aus dieser Urzelle entwickelte der ehemalige Tivoli-Manager einen der größten Pornokonzerne der Welt, besonders nachdem 1990 sein gleichnamiger Sohn die Geschäfte übernahm und wuchtig in den Videomarkt einstieg. Die „Private“-Filme zeichnen sich durch exotische Drehorte und teure Produktion aus.
Auch in den Staaten erfreute sich der Markt seit den 1970ern eines ungestümen Wachstums. Die 1960er Jahre hatten auch hier die Moral liberalisiert und für freieren Umgang mit Sexualität gesorgt.
Die Mafia hatte seit der Depression nichts mehr mit Pornographie am Hut – damals war sie nur ein bescheidenes Geschäft gewesen, das auf lokaler Ebene und nicht einmal von allen Mafia-Familien abgefrühstückt worden war. Ende der Sechziger führte der New Yorker Anthony Peraino schließlich die Colombo-Famile ins Busineß ein: Es entwickelte sich zum größten Gewinnbringer seit dem Drogengeschäft. Peraino produzierte Stags und Loops für die Münzautomaten in den Times-Square-Shops.
Auch Reuben Sturman, der ein undurchsichtiges Imperium aufbaute, war mit der Mafia verbandelt. Und wie diese schon den Rock ‘n Roll durch Bestechung der Disc-Jockeys und das Aufstellen von Jukeboxes durchgesetzt hatte, machte sie Porno jetzt zum Multimillionengeschäft. Das begann mit einem genialen Handstreich, indem die Ehrenwerte Gesellschaft ihr Geld in den bekanntesten und erfolgreichsten Porno aller Zeiten steckte: „Deep Throat“. Danach war Porno nie mehr derselbe. „Deep Throat“ war der Beginn des Pornofilms als Massenmedium, der erste spielfilmlange Porno mit einer durchgehenden Handlung.
Von Gerard Damiano in wenigen Tagen heruntergedreht, feierte der Film im Juni 1972 in einem richtigen New Yorker Kino Premiere. Gleichzeitig landesweit in 300 Kinos vorgeführt, schlug „Deep Throat“ Hollywoods Blockbuster der Saison, „Cabaret“ und „Shaft II“, um Längen. Innerhalb kürzester Zeit avancierte der Streifen zum Phänomen: Erstmals zeigte man einen Hardcore-Film landesweit – und Prominente wie Frank Sinatra, Warren Beatty und Truman Capote bekannten sich als Zuschauer.
Auf einmal war Porno Tagesgespräch und schick: Paare gingen gemeinsam in einen Porno, und niemand schämte sich, dabei gesehen zu werden. „Esquire“ schrieb: „Wer ihn nicht gesehen hatte, galt irgendwie als rückständig.“ Das Pornopublikum bestand nicht länger aus der Regenmantelbrigade.
„Deep Throat“ beförderte den Pornofilm ins Reich der Popkultur. Der für nur 22.000 Dollar gedrehte Streifen spielte mehr als 100 Millionen ein. Er gehört zu den Top-Ten-Moneymakern der Filmgeschichte und spielt in derselben Liga wie „Star Wars“ oder „Titanic“. Der weibliche Star Linda Lovelace wurde zur internationalen Berühmtheit und gerngesehener Gast in Talk-Shows. Der Begriff porn chique entstand, und deep throat wurde zu einem geflügelten Wort und feststehendem Ausdruck der Umgangssprache.
Es ist jedoch nicht ganz richtig, „Deep Throat“ als ersten Porno-Spielfilm zu nennen: Der erste Porno mit einer Handlung, der in amerikanischen Kinos gezeigt wurde, war „Mona“, ein 59minütiger Film aus dem Jahre 1970, gedreht und produziert von Bill Osco und Howard Ziehm. Doch für „Mona“ war die Zeit nicht reif.
„Deep Throat“ kam hingegen zum richtigen Zeitpunkt nach der sexuellen Revolution der Hippies. Der Film löste einen Trend aus: relativ aufwendig gemachte Pornos mit einer Handlung, die in großen Kinos von Paaren angesehen werden konnten. Porno hatte die schmuddeligen Abspielorte der Stags verlassen und war auf dem besten Weg zum Mainstream.
Diese Filme waren richtige Filme, gedreht auf Filmmaterial mit längeren Drehzeiten und von engagierten Regisseuren in Szene gesetzt. Für kurze Zeit sah es danach aus, als würden sich Porno- und Mainstream-Kino verbinden können und sowohl harten Sex als auch gute Geschichten kombinieren – etwa in „Eruption“ (1977), der Porno-noir-Version von Billy Wilders und Raymond Chandlers „Double Indemnity“ („Frau ohne Gewissen“). Die Dreharbeiten auf Hawaii dauerten für das Genre unglaubliche drei Wochen.
Aber die Welle hielt nicht an: Der vielleicht beste Pornofilm des Jahrzehnts, „The Devil in Miss Jones“ (1974) von Gerard Damiano, wurde ein Flop. Die Hauptdarstellerin Georgina Spelvin: „Der war zu anspruchsvoll. Die Leute kamen aus dem Kino und dachten: Ich bin reingegangen, um mir einen runterzuholen, nicht um nachzudenken.“
Die aficionados verklären mittlerweile nostalgisch die Pornos der 1970er Jahre: Sie hätten echte Menschen gezeigt, die heißen Sex miteinander hatten. Danach hätte es nur chirurgisch aufgemotzte Superpüppchen gegeben, die heißen Sex vorspielten. Stars wie Ginger Lynn oder Samantha Strong, die wirklich Freude beim Dreh haben und das auch rüberbringen können, gelten als Ausnahmen. Die clevere Amerikanerin Ginger Lynn war übrigens die erste, die eine prozentuale Beteiligung am Verkauf ihrer Videos durchsetzte und die erste, die sich exklusiv an eine Produktionsfirma band. Sie hatte das Recht, Filme und Partner abzulehnen, bekam dafür mehr Geld und arbeitete weniger. Zuvor hatte Marilyn Chambers für den Klassiker „Behind the Green Door“, den zweiterfolgreichsten Porno der 1970er, sagenhafte 25.000 Dollar und eine Beteiligung kassiert. Angeblich verdiente kein anderer Pornostar, bis zu Jenna Jameson, dank eines solchen Prozentvertrags mehr Geld.
Auf dem Höhepunkt des sogenannten Golden Age of Porn im Jahre 1978 produzierte man den USA etwa 100 Pornofilme mit einem durchschnittlichen Budget von 400.000 Dollar. 1996 wurden vergleichsweise etwa 8000 Filme für den Videomarkt gedreht – und kaum einer hatte ein Budget von mehr als 10.000 Dollar.
Eine neue technische Entwicklung beendete den großen Kinoporno, vergrößerte aber den Markt insgesamt gigantisch: Video.
Nachdem Sony 1969 den ersten Videorecorder vorgestellt hatte, schrieb Peter Gruber, Produzent der Columbia Studios, in einem vorausschauenden Artikel: „Diese Technik wird einmal alles revolutionieren und einen neuen Markt für Pornographie entwickeln. Man wird zu Hause seine eigenen Pornos drehen und vertreiben. Private Nacktfilme mit Darstellern aus der Nachbarschaft werden eine Tatsache sein.“
Videorecorder wurden ab 1975 auf den Markt gebracht, und die Pornographen reagierten umgehend. Bereits 1983 machten Pornos drei Viertel des Umsatzes an Videokassetten aus. Video erschloss neue Konsumschichten: Leute, die nie in einen Sexshop oder ein Pornokino gegangen wären, konnten nun in ihrer Videothek für wenig Geld unter einer großen Anzahl Pornos auswählen und die Filme in der Geborgenheit des eigenen Heims anschauen. 1981 gab es in den USA fast 1000 Kinos für Erwachsene, die 20 Prozent der gesamten Kinoeinnahmen umsetzten und wöchentlich 2,5 Millionen Tickets verkauften. Sechs Jahre später gab es weniger als 200. In derselben Zeit war der Videoverleih von Pornos auf 15 Millionen angestiegen und lag 1997 bei 600 Millionen – und das trotz der Repressionen durch die Regierungen Reagan und Bush …
Video ermöglichte noch mehr: Man konnte mit einer relativ billigen Kamera zu Hause oder in Swingerklubs seine eigenen Pornos drehen und sie mit Gleichgesinnten austauschen. Normalen Menschen bei ihren sexuellen Anstrengungen zuzusehen hat einen besonderen Reiz. Zumal die Artistik der Pornoprofis die übersättigten Konsumenten in den späten 1980ern mehr und mehr zu langweilen begann.
Ein neues Subgenre entstand und wurde zum Erfolg: AMATEUR-Pornos, bald auch „Gonzo Porn“ genannt. Die billige Videotechnologie zog immer mehr Amateur-Produzenten an die Futterkrippen des Obszönen. Das drückte zusätzlich auf die Budgets der Profis, die sich bald dazu veranlasst sahen selbst angebliche Amateurpornos herzustellen oder diese zu vertreiben. Eine Ausnahme stellte die US-Firma Vivid da. 1984 gegründet, setzte Vivid ganz auf QualityPorn für Paare und das Starsystem. Vivid drehte monatlich vier Filme auf 16-mm-Film mit einem jeweiligen Etat von 100 000 Dollar und mehr. Die Firma beschäftigte über hundert Personen und setzte jährlich 20 Millionen Dollar um. Die Stars waren exklusiv bei Vivid angestellt und verdienen 100 000 Dollar pro Jahr. Dafür mussten sie zwischen 20 und 30 Hardcoreszenen abliefern. Da Vivid auch Geld in die Werbung steckte, profitierten die Darstellerin noch in einem weiteren Markt: Sie traten in Strip-Schuppen auf, wo sie dank ihres Bekanntheitsgrades zwischen 8000- und 15.000 Dollar pro Woche einstreichen konnten. Vivid setzte auf „sauberen“ Porno ohne Gangbangs und ähnliches und auf nachvollziehbare Geschichten. Kein Wunder also, dass sich ihre Softcore-Versionen weltweit ans Fernsehen verkaufen ließen, die einen großen Anteil am Gesamtumsatz hatten.
Um den billigen Amateurpornos etwas entgegenzusetzen, fuhr man zweigleisig: Extreme Perversionen und die Rückbesinnung auf teure Ausstattungspornos. Besonders in den USA, Frankreich und Italien drehte man in den 1990ern vermehrt Ausstattungsfilme. Viel gedreht wurde in Osteuropa, wo die Produktionsbedingungen günstiger sind und ein Heer unverbrauchter Körper zur Verfügung steht. Außerdem perfektionierte man das Starsystem. Das Ex-Playmate Terri Wiegel wurde ebenso systematisch zur Porno-Queen aufgebaut wie Jenna Jameson, für deren Filme sogar Billboards am Times Square installiert wurden.
Erfolgreich waren auch Filme mit extremen sexuellen Praktiken. Analverkehr war seit den 1980ern ein Muss in jedem durchschnittlichen Porno. Dann kam Double Penetration hinzu (gleichzeitig Anal- und Vaginalverkehr). Dann auch noch das sogenannte „Bukkake“, bei dem mehrere Männer über dem Gesicht einer Frau ejakulieren. Bukkake wurde im Westen um 1999 der letzte Schrei, in Japan war das schon lange beliebt und vielgezeigt. Dort basiert diese Praktik auf eine traditionelle Bestrafung für untreue Frauen. Eine Zeitlang waren Gangbang-Filme ein Knaller. In ihnen verkehrten Darstellerinnen mit so vielen Männern wie möglich und stellten immer neue Sex-Rekorde auf. Mehr für das Guinness-Buch der Rekorde tauglich als zum Aufgeilen. Nach den „Regeln“ muss eine Penetration mindestens 30 Sekunden dauern. 1995 stellte Annabel Chong den ersten Gangbang-Weltrekord auf, in dem sie sich hintereinander 251mal vögeln ließ. 1996 erhöhte Jasmine St.Clair auf 300. 2003 legte die Polin Marianna Rokita in Warschau auf 759 vor. Am 16.Oktober 2004 brachte es dann die Amerikanerin Lisa Sparxxx auf 919 Kontakte an einem Tag. Das Betrachten dieser Rekorde ist wohl den Dumpfsten der Konsumenten vorbehalten.
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