Die Dunklen Felle, 29.04.2019:
HELDENARSCH!
„Er träumte von Revolution, Ruhm oder Reichtum. Die Revolution geschah wie immer anderswo und ohne ihn, und die Lage war unrühmlich. Was blieb, war der Reichtum.“ (S. 7)
Und den will Roland Burget sich holen. Burget, mal Pilot, mal Kämpfer, Abenteurer und Weltenbummler, aber immer irgendwie am Arsch, will sich den Reichtum im Kongo verschaffen. Warum auch nicht? In dem rohstoffreichen Land versucht doch eh jeder, der kann, sich ein Stückchen vom Kuchen zu sichern. Coltan ist gerade der begehrteste Rohstoff und Burget will daran mitverdienen. Als Frachtpilot heuert er bei Bobo Nokoma an, General und Warlord, fliegt Coltan und Waffen. Dies allerdings nicht nur für Nokoma. Und so befindet sich Burget schon bald in einer fast aussichtslosen Situation…
Wir leben in einer Welt, in der wir gerne unsere Augen verschließen. Vor allem, was uns unangenehm ist. Vor allem, was zu weit weg ist oder scheint. Vor Dingen, bei denen wir denken, wir hätten damit nichts zu tun. Zum Beispiel Tantal, welches aus Coltan (Columbit-Tantalit) gewonnen wird. Davon hat jeder von uns was zu Hause, in elektronischen Geräten, vornehmlich ist hier das Smartphone zu nennen. Interessiert uns wie und wo das Coltan herkommt? Nicht die Bohne.
Eines der Hauptländer, in dem Coltan gewonnen wird, ist die Demokratische Republik Kongo. Und genau hier wirft der Autor nun einen tiefer gehenden Blick hinein und zeigt auf, welche verherrende Wirkung unsere Lebensweise hat. Das „demokratisch“ im Namen des Landes dient nur zur Zierde, wird der Kongo doch von Diktatoren, WarLords und Rebellen regiert, kontrolliert, zerstört. Rebellentruppen, die Kindersoldaten heranziehen, Minen, in denen Kinder und Männer bis zur Erschöpfung nach Coltan schürfen, überfallene und zerstörte Dörfer, vergewaltigte Frauen, Tote, verlassene Landstriche, derweil die Anführer und Herrscher in Saus und Braus leben, ihren Teil der Beute scheffeln und Menschenleben mit den Füßen treten. Ein Horrorszenario. Es ist ein Thriller, doch denkt man daran, dass genau dies jeden Tag in diesem Land passiert, es ist erschreckend. Der Autor zeichnet ein erdrückend realistisches Bild des armen, reichen afrikanischen Landes.
In diese Kulisse setzt der Autor nun Roland Burget. Der ist ein Arsch. So richtig leiden mag ihn kaum jemand. Ich auch nicht. Ist aber ja auch nicht unbedingt nötig, solange er ein interessanter Charakter ist. Und das ist er. Er ist abgerissen und ich stelle ihn mir – ohne dass das geschrieben worden wäre – immer ein wenig müffelnd vor. Nach Schweiß und Dreck. Er hat schon ein paar wenige gute Momente, aber er ist schlicht und einfach ein Opportunist. Er mag vielleicht nicht alle Gebaren im Kongo gutheißen, doch er hat kein Problem damit, dort mitzuverdienen. Nachdenklich stimmen ihn zwar z. B. ein Besuch in einer Coltanmine, oder auch sein Kennenlernen von Leonine, einer ehemaligen Kindersoldatin, doch letztendlich stoppt ihn das nicht, seine eigenen Ziele zu verfolgen. Er versucht, aus der Situation im Kongo, das Beste für sich herauszuholen. Das heißt aber nicht, dass er nicht auch gute Dinge tut. So hin und wieder. Also manchmal. Na, jedenfalls ist er ein Arsch. Aber er hat sich mir eingeprägt. Zudem er auch durchgängig einige Diamanten in einem Plastikröhrchen im Arsch aufbewahrt. Seine eiserne Reserve. Tja, wer’s braucht. Aber dieses Detail vergess ich bestimmt nie.
Für Herz und Moral sorgt Amelie, die für eine Hilfsorganisation arbeitet. Wobei sie erst durch eine Sexszene durch muss, die mich jetzt nicht vom Hocker gehauen hat, aber zum Glück war die quasi einzigartig. Ich mag meine Krimi und Thriller ja lieber ohne sexuelle oder romantische Verwicklungen. Nichtsdestotrotz ist es auch mit ihr Verdienst, das Burget nicht immer ein Arsch ist. Neben Leonine ist Amelie denn aber auch die einzige Frau im Thriller, die eine Rolle spielt. Die Macht- und Rohstoffverteilung erfolgt ausschließlich unter Männern. Generälen und Warlords. Ja, und die CIA mischt mit. Natürlich nur inoffiziell.
Tatsächlich sind mir die ersten 100 Seiten schwer gefallen. Ich hatte zwar einige Seiten vorher schon mal angelesen, doch danach hatte ich Schwierigkeiten, es lief etwas zäh. Ich denke, ich hab ein wenig gebraucht, um mich auf die Umgebung und den „Helden“ der Geschichte einzustellen. Danach hatte mich die Geschichte aber gepackt. Die Machtspielchen, denen Roland Burget ausgesetzt ist, treiben ihn quer durchs ganze Land. Von einem Machthaber zum nächsten, von einem Flugplatz zur Landepiste im Dschungel, von einer Coltanmine zu einer Coltanauktion und natürlich wird auch nicht an Waffen und Munition gespart. So geizt der Thriller auch nicht an Aktionszenen, die in dem eh schon gefährlichen Setting Kongo die Dramatik noch weiter steigern. Besonders gefallen hat mir dann wieder eine Stelle, die ich jetzt mal Roadtrip nenne, auch wenn es keine Straße und schon gar kein Auto gab, doch Burget muss sich irgendwann durch den Dschungel kämpfen, inkl. Minenfeld und Vorräten, die ihm ständig abhandenkommen. Wäre es nicht für ihn lebensgefährlich, wäre das urkomisch gewesen. Mal abgesehen von der einen Szene mit den Silberrücken. Seufz.
Fazit:
Ein äußerst detaillierter und aufwühlender Blick in die Tiefen des Kongo, der mit einem „Heldenarsch“ gewürzt ist. Neben kleinen Startschwierigkeiten, ist dies ein gelungener Ausflug auf den afrikanischen Kontinent gewesen, der einem alle Probleme vor Augen führt, die wir heute nicht in den Griff kriegen.
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