FANAL – Kapitel 3

Rieger braucht eine Unterkunft und eine Operationsbasis. Er wagt die Kontaktaufnahme . . .

„Das gibt’s doch nicht …“, sagte Georg, „Mensch, Jan.“

Mit einer Tasse Kaffee und einem Ei-Brötchen stellte Rieger sich zu ihm an den Stehtisch. Georg war ein hagerer Frühfünfziger mit langen grausträhnigen Haaren und schmaler schwarzgeränderter Brille. Verfassungsschützer hatte ihn jahrelang im Visier. Sie vermuteten, er würde dem engeren Sympathisantenkreis der RAF angehören. Diese Einschätzung verdankte Georg dem Vervielfältigen eines Flugis, in dem die Zusammenlegung der politischen Gefangenen in der damaligen BRD gefordert wurde. Später überließ er einem polizeilich gesuchten Pärchen für ein paar Nächte sein Bett. Der gewaltsame Tod des Mannes auf den Gleisen eines Kleinbahnhofs, löste bei Georg Panikattacken aus. Die Vorstellung, selbst im Kugelhagel der Bullen zu verrecken, veranlasste ihn, seine Bettwäsche zu verbrennen und in eine andere Stadt zu ziehen.

Jetzt war er wieder völlig aufgeregt.

Rieger legte ihm eine Hand auf den Unterarm. „Entspann dich. Ich bin’s nur.“

„Mensch, wie lange …? Zehn, zwölf Jahre?“ Georg zitterte unwillkürlich.

„Dreizehn. Sprich normal“, sagte Rieger.

Georg atmete ein paar Mal tief ein und aus. Er beruhigte sich etwas, biss in seinen Croissant.

„Und, wo warst du so?“, fragte er kauend. Einige Krümel klebten an Lippen und Kinn.

„Hier und da. Ich bin seit gestern zurück.“ Rieger prüfte den Kaffee. Eine dünne Brühe. Er nahm trotzdem einen Schluck. „Kann ich bei dir pennen?“

„Äh … na klar, überhaupt kein Problem. Im Gegenteil.“

Hinter dem Schaufenster offenbarte sich eine Skyline des Grauens

„Gut. Wollen wir?“ Rieger stellte seine Kaffeetasse ab.

„Geht nicht. Ich muss zur Arbeit. Ist ein mieser Job, aber … ich bin alt und brauche das Geld“, Georg lächelte Verständnis heischend und begann in seiner Jacke zu kramen, „warte, ich geb dir die Adresse.“

Rieger las auf dem Kopf, welche Straße und Hausnummer Georg in seiner kleinen gestochenen Schrift für ihn notierte.

„Äh … Suchen sie dich noch?“

„Macht das einen Unterschied?“

„Keine Sorge, ich werde schon lange nicht mehr überwacht“, sagte Georg und schob ihm den Zettel rüber, „um sieben bin ich meistens zuhause. Komm dann vorbei.“

Zum Abschied meinte er seinen alten Freund Jan umarmen zu müssen. Rieger gab ihm einen warnenden Blick. Georg betrachtete unschlüssig seine Hände.

„Hast recht … Also bis später.“

Eilig verließ er den Backshop.

Rieger biss in sein Brötchen. Er kaute und trank dazu den dünnen Kaffee. Er vermisste seinen morgendlichen Mokka. Georg war keine zwei Minuten fort, als ein uniformierter Polizist hereinkam. Rieger registrierte die P6 Dienstwaffe und die Handfesseln. Der Bulle blieb stehen, erfasste mit einem Blick das Ladenlokal und sah Rieger am Stehtisch an. Das Funkgerät knarzte. Hatte Georg ihn verraten? Ein zweiter Bulle betrat den Backshop, eine Frau mit blondem Pferdeschwanz. Ihre rechte Hand ruhte am Griff ihrer Pistole, als auch sie zu Rieger blickte.

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