DIE AUFPASSER: Herspes Halleluja – I von IV

Bei mieser Auftragslage zählt jeder Job, also muss Sicherheitsexperte Bodo Herspe auf den umstrittenen Kommandanten aufpassen. Der Begründer und Vordenker der “Heimaterde-Bewegung” ist für eine Geheimkonferenz der extremen Rechtsaußen in der Stadt …

DRAMATIS PERSONAE

BODO HERSPE (49), Schichtführer, geschasster Ex-Bulle, geschieden, voll Alkohol und fatalistischer Ansichten

SVETLANA WAECHTER (33), Gründerwitwe, clever, bossig, steil aus dem Horizontalen- ins Aufpassergewerbe gehüpft

RUDOLF POLTER (52), Kommandant der “HEIMATERDE-Bewegung”, dank Schlaganfall gelähmt, redet mittels Sprechcomputer

LISA POLTER (30) über Leben und Terminkalender des Kommandanten bestimmende Gattin und blonde “Sieglinde”

KEN KRUSE (44) rechte Hand und Sicherheitsbeauftragter des Kommandanten, Sieglindes blonder “Siegfried”

INNEN. HOTELFLUR – TAG

Ein Mann in einem schlechtsitzenden blauen Anzug, hellblauem Hemd und blaue Polyester-Krawatte schlurft lustlos den Flur entlang. Im Vorbeigehen blickt er immer wieder auf die Zimmernummern an den Türen. Das ist BODO HERSPE. Als er schließlich stehenbleibt, wirft er schnell ein paar Pfefferminzpastillen ein und quält sich ein Lächeln ins Gesicht …

Fahnentest für Heimatkundige: Welches Bundesland ist das?

INNEN. VOR HOTELZIMMER – WEITER

Bevor Herspe anklopfen kann, wird die Tür aufgerissen und KEN KRUSE, groß, im eleganten blauen Anzug, weißem Hemd, schwarz-rot-goldener Krawatte, steht direkt vor ihm …

KRUSE: Sie sind drei Minuten zu spät.

HERSPE (holt Zettel aus Hosentasche, liest): “Lohengri-”

KRUSE (schnappt sich den Zettel): Idiot.

HERSPE: “Idyll”, hätten Sie antworten müssen. “Idyll”.

KRUSE: “Liebestod”, lautet die Parole. “Idyll” galt bis vor drei Minuten.

Kruse tritt zur Seite, Herspe kommt einen Schritt ins Zimmer hinein.

KRUSE: Der Kommandant wartet bereits. Ihr Auftrag lautet-

HERSPE (unterbricht automatisch): Bis zu Ihrer Rückkehr-

KRUSE: Unterbrechen Sie mich nicht. Bis zu unserer Rückkehr für die Sicherheit des Kommandanten-

HERSPE (unterbricht erneut): -zu sorgen. Schon klar.

KRUSE (bedrohlich nah vor Herspes Gesicht): Sie sorgen für die Sicherheit des Kommandanten. Notfalls bis zum Äußersten.

HERSPE (überlegt): Vielleicht noch bis zum Tod?

KRUSE: Wenn nötig. Bei uns heißt Ehre Treue.

HERSPE: Treue, aha … äh, für wie lange?

KRUSE; Solange es erforderlich ist.

HERSPE; Meine Auftrag lautet, eine Stunde.

KRUSE; Also dann für eine Stunde. Sie verlassen aber unter keinen Umständen das Zimmer.

HERSPE: Was ist, wenn ein Feuer ausbricht?

KRUSE: Dann rufen Sie mich hiermit an und warten. (Er reicht ihm ein Handy.) Die Nummer ist gespeichert. Keine anderen Anrufe damit tätigen. Verstanden?

HERSPE (nimmt das billige Handy, betrachtet es): Was verstanden?

KRUSE: Na, “verstanden”. Verstanden?

HERSPE: Ach so.

KRUSE: Ich verlass mich auf Sie.

Eine junge, äußerst gutaussehende und elegant-dominant gestylte Frau erscheint: LISA POLTER, die Gattin des Kommandanten. Herspe atmet seinen Bauch weg und strahlt reflexartig. Lisa ignoriert ihn.

LISA (zu Kruse): Können wir jetzt endlich?

KRUSE: Jawohl, Frau Polter.

Eilig tritt Herspe in den Flur hinaus, um Lisa vorbeizulassen. Kruse drückt ihm eine weiße Plastiktüte vor die Brust, automatisch greift er zu.

HERSPE: Für mich?

KRUSE: Für den Kommandanten.

Herspe schaut kurz in die Tüte, sieht dann irritiert zu Kruse.

KRUSE: Wie gesagt, ich verlasse mich auf Sie.

HERSPE: Äh …

Eindringlicher Blick von Kruse. Er wartet. 21-22 …

HERSPE: Was denn jetzt wieder? Verstanden?

KRUSE: Sie lernen schnell.

Kruse schließt zu Lisa auf. Herspe blickt ihm hinterher. Als Kruse die Frau erreicht, kneift sie ihm in den Hintern. Er zuckt gespielt zusammen und kichert albern.

Schwer ausatmend betritt Herspe das Hotelzimmer. Hinter ihm klickt die Tür ins Schloss.

INNEN. HOTELZIMMER – TAG

Er lehnt sich an die Tür und trinkt eilig einen Schluck Hochprozentigen aus einem Flachmann. Vorsicht schraubt er das Fläschchen wieder zu und steckt es weg.

Als er in den Raum kommt, ist im Gegenlicht des Fensters ein dunkles unförmes Etwas erkennbar. Herspe wirkt einen Moment lang konsterniert, setzt sich aufs Bett, öffnet die Tüte und blickt erneut hinein.

HERSPE: Na prima.

Dann schaut wieder er auf. Jetzt sehen auch wir …

Dass in einem ROLLSTUHL vor dem Fenster ein wie Kruse gekleideter Mann – dunkler Anzug, weißes Hemd, schwarze-rot-goldener Krawatte – sitzt. Zusätzlich trägt er einen Pin am Revers, der Deutschland in den Grenzen von 1937 zeigt. Der Mann hatte offensichtlich einen Schlaganfall, den Kopf zur Seite geneigt, blickt er Herspe an: KOMMANDANT RUDOLF POLTER.

Wenn Kommandanten träumen . . .

HERSPE: Tach, Kommandant. Bodo Herspe von Waechter-Security. Ich leiste Ihnen Gesellschaft bis zum Tod.

Der Kommandant reisst seine Augen weit auf.

HERSPE: Keine Bange, das haben Sie schnell hinter sich. Ich bin nur für eine Stunde gebucht.

Herspe holt ein IPAD aus seinem Sakko hervor und tippt auf eine APP.

OFF: RUFSIGNAL ertönt …

IPAD-SCREEN: Wir sehen ein Wanddisplay. Darauf das LOGO von WAECHTER-SECURITY und der CLAIM: “Immer sicherer”. Vor dem Wanddisplay bewegt sich etwas, eine Person taucht auf, wirft ihre langen blondierten Haare in den Nacken. Sie trägt eine weiße Bluse und die Jacke eines Hosenanzugs. Sie fährt sich mit einem Lippenstift über ihre Lippen: SVETLANA, die aufgebrezelte Chefin. Ertappt lächelt sie in die Kamera …

HERSPE: Ich bin am Einsatzort, Svetlana, und hab das Package übernommen.

SVETLANA (osteuropäischer Akzent): Stell mich bitte vor, Bodo.

Herspe schwenkt das Ipad auf Polter.

HERSPE: Svetlana Waechter, Kommandant. Kommandant, Svetlana Waechter.

Überrascht betrachtet Svetlana den Kommandanten im Rollstuhl …

SVETLANA (zu Herspe): Kann er mich hören?

HERSPE: Schätze ich mal, er blinzelt ab und zu.

SVETLANA (spricht betont laut): Herr Polter, äh, Kommandant, ich freue mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen. Sie sehen gut aus, wenn ich das sagen darf.

Der Kommandant schaut auf das Ipad. Er blinzelt.

SVETLANA: Danke, das freut mich. Bodo Herspe ist einer unserer erfahrensten und zuverlässigsten Mitar-

HERSPE (unterbricht): Steht davon eigentlich was im Auftrag?

SVETLANA (irritiert): Wovon?

HERSPE: Na, hiervon.

Er holt eine Erwachsenenwindel aus der Tüte hervor, sie klappt auseinander.

SVETLANA (ignoriert Windel, weiter betont laut): Sie können sich in jeder Situation absolut auf unseren Mitarbeiter verlassen, Kommandant.

HERSPE (dazwischen): Die Situation “Windelwechseln”, steht bestimmt nicht im Auftrag.

SVETLANA (ignoriert Herspe, weiter betont laut): Danke, dass Sie sich für Waechter- Security entschieden haben.

Svetlana duckt sich wieder ab. Allein das Wanddisplay mit dem Waechter-Logo ist zu sehen.

Herspe legt das Ipad aufs Bett. Der Kommandant beobachtet ihn mit starrem Blick.

HERSPE (zu Kommandant): Nicht ein Wort steht davon drin. (halblaut zu sich) Ich bin doch nicht zum Arsch abwischen hier.

Der Kommandant sieht Herspe ohne Wimpernschlag an. Herspe starrt zurück. 21-22-23 … Schließlich holt er seinen Flachmann hervor, schraubt ihn auf … Der Kommandant starrt unvermindert. Herspe hält ihm einladend den Flachmann hin … Keine Reaktion.

HERSPE: Auch noch abstinent wie dein großes Vorbild, was?

Erneut keine Reaktion.

IN TEIL 2: Macht nix, Herspe trinkt ohnehin lieber allein. Bekanntlich löst Alkohol die Zunge, und darum vertraut er dem Kommandanten an, von welcher Straßenschlacht sie sich kennen, und plötzlich wird’s unheimlich . . .

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert