VIGILANTEN – work in progress 12

In Zepter kann es für die Polizei gefährlich werden, ein auffälliges Fahrzeug anzuhalten. Vor allem, wenn eine Handvoll Jugendlicher – entgegen offizieller Versicherungen – genau ins Beobachtungsraster der Behörden fallen …

Als das Rufsignal im Seitenfach der Tür ihres Polizeiwagens ertönte, kontrollierten Sina und ihr Co einen aufgemotzten 3er BMW mit vier jugendlichen Insassen.

„Guten Tag, Verkehrskontrolle. Ihren Führerschein und den Fahrzeugschein bitte“, sagte Sina nachdem der Fahrer sich endlich bequemt hatte, die Seitenscheibe herunterzulassen.

Er antwortete: „Machste, weil ich Ausländer bin.“

„Sie haben vorhin an der Kreuzung Scheidtstraße, Gröner Zeile eine rote Ampel überfahren. Ihren Führerschein und den Fahrzeugschein bitte.“

Der Fahrer wendete sich an seine Kumpels im Innenraum: „Hey, bin ich bei Rot gefahren?“

Die Antworten waren Sprüche auf Arabisch, die Sina nicht verstand, für sie aber anzüglich und beleidigend klangen.

Sie sagte zu dem Fahrer: „Steigen Sie bitte aus“, und trat selbst einige Schritte zurück.

„Willst mich kennenlernen?“ Grinsend folgte der Fahrer ihrer Anweisung.

Routinemäßig blickte der am Heck des BMW stehende Benz sich um. Gegenüber auf der anderen Straßenseiten kamen drei, vier Jugendliche zusammen. Publikum, nicht gut, dachte Benz und legte eine Hand an seinen Schlagstock.

Der Fahrer baute sich vor Sina auf. „Was jetzt?“ Er war einen halben Kopf kleiner als sie, aber recht stämmig. Er trug einen roten Trainingsanzug. Um seinen Hals hing eine massive Goldkette mit einem großen goldenen Dollarzeichen als Anhänger.

„Treten Sie zwei Schritte zurück.“

Jetzt stiegen die anderen drei Insassen aus dem BMW. Mit ihren Trainingsanzügen und ihren dicken Goldketten ähnelten auch sie amerikanischen Ghetto-Gangsta-Rappern. Hinter dem Fahrer erschien ein schmaler, höchstens 14-jähriger Junge.

„Los, zwei Schritte zurück!“, befahl Sina erneut.

Der Fahrer grinste sie an, ohne sich zu rühren.

Der schmale Junge hinter ihm sagte: „Alte, verpiss dich.“

„Was hast du gesagt?“ Benz wurde wütend.

Gegenüber, auf der anderen Straßenseite war die Anzahl der Jugendlichen weiter angewachsen. Benz zählte acht oder neun Typen.

„Verpiss dich“, sagte der schmale Junge jetzt zu Benz.

„Du hältst die Klappe, Junge“, sagte Sina und an den Fahrer gerichtet: „Zum letzten Mal: Ihren Führerschein und den Fahrzeugschein.“

Der Fahrer schwieg.

Dafür sagte der schmale Junge: „Halt du deine Klappe, Fotze.“ Er starrte Sina herausfordernd an.

Sie wurde von den Jugendlichen nicht ernst genommen.

Langsam wurde es brenzlig. Benz drückte auf die Nottaste seines Funkgeräts – ein Alarmsignal an alle Polizeifahrzeuge in der Nähe – und zog seinen Schlagstock. Inzwischen hatten sich auf der anderen Straßenseite zwölf oder mehr Jugendliche zusammengerottet. Er dachte: Wo kamen die kleinen Ratten nur so schnell her?

Der Fahrer trat näher an Sina heran.

„Zurück!“, brüllte sie ihm ins Gesicht.

Er versuchte, sie mit einer Hand wegzuschieben. Sina wich aus, sprühte ihm Pfefferspray in die Augen. Aufheulend beugte der Fahrer sich nach vorn. Plötzlich waren der schmale Junge und einer der anderen Möchtegern-Gangsta-Rapper bei ihr. Jemand schlug Sina mit der Faust ins Gesicht. Sie taumelte, fiel rückwärts auf den Asphalt, verlor die Dose Pfefferspray.

„Zurück! Zurück!“ Mit dem Schlagstock wirbelnd eilte Benz seiner Co zu Hilfe.

Die vier jungen Typen wichen zurück, keiner hatte Bock auf Stockschläge. Aus der Ferne drang der Heulton einer Polizeisirene herüber. Die Kollegen waren im Anflug. Erleichtert half Benz Sina mit einer Hand hoch auf die Beine. Sie hatte einen großen Riss unter dem rechten Auge.

„Bullenschweine! Bullenschweine!“, skandierten die jugendlichen Zuschauer auf der anderen Straßenseite. „Bullenschweine!“

Die Gangsta-Rapper-Imitationen lachten hämisch, hielten aber trotzdem Abstand.

In einhundert Metern Entfernung bog ein Streifenwagen in die Straße ein und raste mit Blaulicht heran. Benz rammte dem dreckig lachenden 14-Jährigen die Spitze seines Schlagstocks aufs Brustbrust, sodass dem Jungen der Atem stockte. Obwohl Sina Schmerzen hatte, sprühte sie ihm Pfefferspray ins Gesicht und nahm ihn in einen Haltegriff. Die vorgefahrenen Kollegen stürmten mit Pfefferspray und Schlagstöcken bewaffnet hinzu. Die soeben noch auf der anderen Straßenseite laut brüllenden jugendlichen Zuschauer verzogen sich. Dem 14-Jährigen und dem Fahrer des BMW wurden Handschellen angelegt. Ein Kollege verfrachtete sie in den zweiten Streifenwagen. Die beiden anderen, unbeteiligten minderjährigen Mitfahrer wurden nach Feststellung ihrer Personalien laufen gelassen, der BMW vorübergehend stillgelegt.

„Alles okay?“, fragte Benz seine Co.

Sina lehnte sich gegen ihren Polizeiwagen, rutschte dann langsam hinab in die Hocke. Ihre Wange war stark angeschwollen. Leise sagte sie: „Ruf bloß keinen Notarzt.“

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