BUCHSTABENSUPPE VERWÄSSERT JEDEN WORTSALAT
In den vorangegangenen 4 Teilen beschäftigten wir uns mit einigen grundsätzlichen Maximen des vorherrschenden Wirtschaftssystems. Im fünften Teil ein Sidestep: Überlegungen zu Politik und Herrschaft.
Immer hilfreich zu Beginn: Ein Blick über den Atlantik zur ideologischen Vorreiternation und ihren Entwicklungen.
„Die USA waren nie eine richtige Demokratie, sondern immer nur eine von Banken und Industrie gelenkte Republik.“ Gore Vidal
Das „demokratische Vorbild” der – sogenannten freien – Welt war schon bei der Gründung eine Republik für reiche weiße Männer mit Eigentum (Land, Sklaven, etc.), die vor allem eines wollten, die Sicherung ihrer Macht vor dem „Pöbel“ (Frauen, Schwarze, Ureinwohner, weiße Männer ohne Eigentum). Die in der US-Verfassung aufgeführten persönlichen Freiheitsrechte, die prinzipiell jedem Bewohner zustehen, wurden mittels politischer Praktiken unterdrückt. Gesellschaftliche Errungenschaften, wie Abolition, Frauenwahlrecht, Sozialrechte, Bürgerrechte, mussten durch Massenbewegungen gegen heftigen, oftmals brutalsten Widerstand der Mächtigen erkämpft werden. Nirgendwo auf der Welt tobte der Kampf der Industriebarone gegen die Arbeiterbewegung so gewalttätig wie in den Vereinigten Staaten. Ironischerweise war der aus heutiger Sicht „progressivste Präsident“ ausgerechnet der hochkriminelle Kriegsverbrecher Richard Nixon, der aus Angst vor Massenprotestbewegungen z.B. die Umweltschutzgesetzgebung, Gesetze für saubere Luft und reines Wasser abzeichnete. Errungenschaften, die der derzeitige Amtsinhaber als braver Erfüllungsgehilfe seiner Klasse, wo es nur geht zurückschraubt.
SAALDIENER DES GELDES
Die Politik im „Land von Frieden, Freiheit und Demokratie“ hat sich völlig Wallstreet und den Oligarchen ergeben. Kein Wunder, werden in den USA doch Wahlkämpfe, und zwar alle, von kommunaler bis nationaler Ebene, einschließlich der von Sheriffs und Richtern, privat durch Spenden finanziert. Deshalb ist Geldsammeln die wichtigste Beschäftigung eines US-Politikers. Eindeutige Vorteile hat, wer von Haus aus reich ist. 2010 wurden im „Citizen United Urteil” den Corporations vom US-Supreme-Court die gleichen Meinungsrechte wie Privatpersonen zugesprochen. Eine katastrophale Entscheidung. Seitdem dürfen Konzerne und Milliardäre den Kandidaten ihres Vertrauens unbegrenzte Summen spenden: Money is free speech. Die Geldgeber finanzieren „Super-Pacs“ zur Wahl ihres Favoriten und pumpen mit jedem Wahlzyklus immer mehr Dollars in die Politik. Größte Nutznießer sind derzeit die TV-Networks, sie machen das Geschäft ihres Lebens, denn die zwingende Logik des Systems lautet: „Ohne Wahlkampfwerbung keine Stimmen. Je größer die Werbung, desto mehr Stimmen. Je mehr Geld für den Wahlkampf, desto mehr Werbung für Stimmen.“ Natürlich verlangen die Finanziers und ihre Lobbyisten von den so in Parlamente und Ämter gehievten Kandidaten die Durchsetzung ihrer Interessen und Vorgaben: „Wess’ Brot ich ess’, dess’ Lied ich sing.“
MANIPULATION ALS GESCHÄFTSMODELL
Das digitale Zeitalter toppt alles bisher dagewesen. Aufgrund des Geschäftsmodells der Internetgiganten – Google, Facebook usw., die ihre Dienstleistungen für User gegen „kostenloses“ Datensammeln erbringen, um diese zu verhökern – gibt es statt indirekter Indoktrination nun die Möglichkeit, User gezielt zu vermessen und ihnen genau auf ihr persönlich-politisches Profil abgestimmte, emotionalisierende Stories zu präsentieren. Cambridge Analytica und Facebook haben gezeigt, wie es geht. Getreu der bewiesenen PR-Maxime, „wenn eine Lüge nur oft genug wiederholt wird, dann wird sie zur akzeptierten Wahrheit“, befeuert das Netz – egal ob durch reale Personen oder Bots – das potentielle Stimmvieh 24-7 mit gezielten Fehlinformationen, Teilwahrheiten, aus dem Zusammenhang gerissenen Aussagen und blanken Lügen, um vor allem eines zu erzeugen: Gefühlswallungen.
Nach Zizek zeigt sich unsere wahre ideologische Haltung in unseren spontanen Reaktionen. Diese Reflexe werden durch emotionalisierende Botschaften gezielt angesprochen. Zustimmung statt kritischem Denken, Lagerbildung (tribalisation im Englischen) statt Diskurs. Das Ziel ist es, möglichst viele der Millionen vereinzelter Gestalten hinter ihren Smartphones und Computerscreens auf seine Seite zu bringen. Dafür wird die Illusion von Identität durch vermeintliche Gruppenzugehörigkeit erzeugt. Doch diese findet nur virtuell statt. Anonymität, Isolation, Entfremdung, Emotionalisierung, Bestätigung der eigenen Meinung, für eine wahrhaft demokratische Gesellschaft stellt dieser Effekt des Internets mittlerweile ein echtes Problem dar. Für den Sicherheitsstaat dagegen ist das Netz die Erfüllung aller feuchten Träume. Perfekte Überwachung! Von Algorithmen erstellte Profile ermöglichen, potentielle Täter zu ermitteln und das Verhalten zukünftiger Krimineller zu antizipieren. Profiling par excellence – nicht nur online. Die Pre-Crime-Fiction von Philip K Dick ist inzwischen polizeilicher Alltag in den Armenvierteln der US-Großstädte.
REELL STATT VIRTUELL
Damit Protest auch auf der Straße geschieht, bedarf es eines bestimmten Ventils und eines gewissen Momentums, wie bei den Gelbwesten in Frankreich. Hinter dem signalstarken wie simplen Erkennungszeichen – jeder Autofahrer besitzt eine gelbe Warnweste – scharen sich die unterschiedlichsten Menschen mit unterschiedlichsten Nöten, Vorstellungen und Zielen, deren kleinster gemeinsamer Nenner die gelbe Weste und ihr wöchentliches Protestritual ist. Das Bedrohungspotential dieser Protestbewegung für die bestehende Ordnung ist dennoch nicht zu unterschätzen. Darum hat das „liberale, demokratische“ System seit Jahrzehnten alles daran gesetzt, Massenbewegungen zu marginalisieren. Was sind die Gelbwesten gegen die Ostermärsche oder die Friedensbewegung der 1960er -1980er Jahre? Sie artikulieren zwar ihre Unzufriedenheit, sind aber weit von einer zentralen, einheitlichen Position entfernt, die konkrete Veränderung zum Ziel hat. Das Einlenken Macrons ist darum vor allem ein politischer Schachzug. Divide et impera, Teile und herrsche. Gruppierungen innerhalb der Gelbwesten sehen ihre Forderungen erfüllt oder glauben in den Zugeständnissen genügend Bewegung seitens des Staates zu erkennen. Nach dem Motto, „mehr geht nicht“. Die Meinung der breiteren Bevölkerung schwenkt um. Die Proteste verlieren an Zustimmung und damit reduziert sich der Kreis der Aktiven auf einen radikalen Kern. Aus diesem Grund sind die Gewaltaktionen, unabhängig ob von Agent Provocateurs ausgelöst oder aus dem radikalen Kern selbst entstanden, und ungeachtet der hämischen Freude, das Lieblingsrestaurant von Sarkozy in Flammen aufgehen zu sehen, symbolisches Ausrufungszeichen und Ausdruck eigener Ohnmacht zugleich.
Natürlich empört sich die „liberale“ bürgerliche Gesellschaft mehr über die Zerstörung von Eigentum als dem Absaufen von Flüchtlingen im Mittelmeer oder der Kriegsgräuel im Jemen – schließlich definiert sich das Bürgertum über Privatbesitz. Es schwingt die Moralkeule, freut sich aber insgeheim über den taktischen Fehler, mit dem die Protestierenden sich selbst diskreditieren. Die Gelbwesten haben doch dem Präsidenten einen Sieg abgerungen, was gibt ihnen also das Recht, mit der Zerstörung fortzufahren? Hier lohnt es sich an Balzac zu erinnern: Hinter jedem Vermögen steckt ein Verbrechen. Die Zerstörung sorgt also – zumindest symbolisch – für ausgleichende Gerechtigkeit.
KORRUPTION IST SYSTEMIMMANENT
Wer in die Politik geht, strebt nach persönlicher Macht. Macht korrumpiert und selbst die hehrsten Absichten verflüchtigen sich, ist man erst einmal in den Mühlen des Systems angekommen. Das macht Berufspolitiker so fragwürdig. Die Wirtschaft sucht den Kontakt zur Macht, die Macht sucht den Kontakt zur Wirtschaft. Beide bedingen und befördern einander. Daher gibt es die sogenannte revolving door, die Drehtür, durch die Berater zu Politikern, Politiker zu Managern, zu Lobbyisten und wieder zu Ministern werden. Die Entscheidungen in den Parlamenten führen Leute herbei, die nach ihrer Rückkehr in die Wirtschaft selbst von diesen Entscheidungen profitieren. (Für Deutschland seien die Namen Schröder, Riester und Rürup stellvertretend für viele andere Nutznießer genannt.) Die „Drehtür-Herrschaften“ bilden eine „Elitekaste“, die sich systematisch an der Allgemeinheit bereichert. Während weltweit Korruption ein Zug-um-Zug-Geschäft ist (Beispiel: Geld gegen Stimmabgabe), gibt es in Deutschland die Besonderheit der „vorauseilenden Korruption“. Mit der Gewissheit, dass „korrektes Verhalten“ im Sinne der Industrie zu einem späteren Zeitpunkt entlohnt wird. Das macht es häufig viel schwerer, einen strafrechtlichen Zusammenhang zwischen Abstimmungsverhalten und Entlohnung herzustellen.
Korruption findet sich in der Menschheitsgeschichte schon bei den Babyloniern. Neu ist lediglich ihr Ausmaß. Sie ist längst ein notwendiger Teil des Systems geworden, ohne den das Ganze nicht mehr funktioniert. (N.B. Proportional zum Wachsen der Korruption, nehmen auch die sozialen Wohltaten (englisch: Charity) der Milliardäre zu. Notwendigkeit, damit der Kessel nicht platzt, oder Eitelkeit, weil sie sich ein Denkmal setzen wollen, oder doch nur schlichter Selbstbetrug und Imagepolitur?) Bereits die derzeitige Lobbypolitik von Interessenvertretern der Industrie oder der Gemeinschaft zukünftiger Erben (jenen Leuten, denen das zusammengestohlene Geld ihrer Vorfahren in den Schoß plumpst) ist systemimmanente Korruption. Die dadurch entstehenden gesetzlichen Regeln und Ausnahmeregeln nützen immer den Habenden. Die vom System ohnehin benachteiligten Habenichtse müssen sich dagegen mehr und mehr für die „Leistungen“, die sie erhalten rechtfertigen. (Stichwort „Hartz4-Betrüger“) Systemische Ungerechtigkeit wird als persönliches Versagen tituliert und damit zur Verantwortung des Einzelnen verdreht. Jeder ist seines Glückes . . . blah, blah, blah.
POLITIK – EINE FORTWÄHRENDE REALITYSHOW
Bürgernah, spontan, menschlich, so präsentieren sich moderne PolitikerInnen ihren WählerInnen. (Politcal correctness ist wirklich etwas Feines.) Facebook und Twitter haben die Selbstdarstellung völlig verändert. Man ist heute ständig PR-Agent in eigener Sache. Meinungen, sogar offizielle Entscheidungen, werden direkt per Tweet oder Facbook-Post verkündet, oft noch vor der amtlichen Verlautbarung. Diese volksnahe „Natürlichkeit“ ist inszeniert. Statt einfach nur eine öffentliche und eine private Person in sich zu vereinen, muss der auf Außenwirkung bestrebte Politiker nun zwischen öffentlich-öffentlich, öffentlich-privat und privat-privat unterscheiden. Erscheinung wird dabei mit Sein verwechselt. Das sogenannte Sich-selbst-neu-erfinden, was nichts als die Veränderung des eigenen Erscheinungsbildes bedeutet, ist ungefähr so tiefgreifend und aussagekräftig, wie ein Wechsel der Unterwäschenfarbe von blau zu rot. Dem Publikum wird ein Wandel präsentiert, der vielleicht den Wunsch oder das strategische Ziel ausdrücken mag, wie man wahrgenommen werden möchte, der jedoch über keine Veränderung in wirklich relevanten Bereichen hinwegtäuschen soll. Auch der Umkehrschluss ist möglich: die bisher präsentierte Persönlichkeit war nicht echt. (Menschen tendieren dazu, das als Maßstab zu nehmen, was sie zuerst kennen gelernt haben.) Schafften vor unserer Socialmedia-Zeit die wöchentlichen Talkshows eine öffentliche Bühne für das „Zurechtrücken“ des eigenen Erscheinungsbildes von Politikern, so ist dies nun zu einer kontinuierlichen Pflicht geworden. Nichts davon dient der Sache. Es geht allein um Image und Wirkung.
Allerdings verrät die Form immer mehr als der Inhalt. Das Ausgelassene ist ebenso Teil der Präsentation, wie das Explizite. Die Gesamtheit dessen, was in welchem Bezug gesagt oder nicht gesagt wird, ist entscheidend. Hier erhält Wissen um Zusammenhänge seine Bedeutung. Ständig zu beobachten ist zudem das Framing eines Themas. Wer den Rahmen (Frame) der Debatte absteckt, der kontrolliert die Debatte. Einfaches Beispiel, Trumps Mauer an der Grenze zu Mexiko. Ein Thema, das von dem Wahlkämpfer 2016 als aufmerksamkeitsstark und polarisierend entdeckt wurde und seitdem als Dauerforderung fungiert. Obwohl alle Argumente falsch sind, es längst eine hochgesicherte Grenze gibt, die Wahrheit ist völlig uninteressant. Allein der von Trump gesetzte thematische Frame bestimmt das Feld, innerhalb dessen sich die Diskussion bewegt: alle reden nur noch über die Mauer. Je nach Lageridentität entweder pro oder contra Mauer. Sämtliche Fragen, die den Frame als solchen anzweifeln oder gar aushebeln, und damit die Lächerlichkeit der ganzen Diskussion entlarven, werden nicht gestellt. Von den US-Mainstream-Medien ohnehin nicht, die sich genau von dieser Polarisierung eine positive Quote erhoffen. (Alles was Aufmerksamkeit erzeugt, ist den Gesetzen des Marktes nach für Medien positiv.)
In Deutschland ist der Merkel-Satz von der Alternativlosigkeit, der jede grundsätzliche Diskussion abwürgt, ein gutes Beispiel oder die Migrantenhysterie der angeblichen Alternative, die im vergangenen Wahlkampf in Bayern den Rahmen der Debatte weitestgehend vorgab. Die oppotunistischen Mainstream-Medien hierzulande stehen den Amis in nichts nach, auch sie bewegen sich innerhalb des blödsinnigen Frames und pumpen ihn mit ihren um Aufmerksamkeit bettelnden Sendungen noch ordentlich auf.
POPULISMUS ALS PHANTASIEGEGENWELT
Populismus präsentiert sich als Gegenentwurf zur technokratischen Ödnis der Experten und ihrem Pseudo-Sprech (der eines verrät, ihre Verachtung für das dumme Wahlvieh). Primitives populistisches Vorgehen funktioniert nur, wenn ein klarer Feind benannt wird, den es zu bekämpfen gilt. Seien es Migranten, LGBT+, die EU, was auch immer. Der Frame der Diskussion bestimmt den Feind. Der Feind ist an der dumpf empfundenen Misere schuld. Mit der Umkehrlogik: Ist der Feind erst einmal bekämpft und vertrieben, dann sind die Probleme gelöst und alles ist wieder gut. Damit das funktioniert, muss man also an den Feind und dessen zersetzende Wirkung auf das eigene Leben glauben. Wir erkennen in diesen zwei Elementen Mechanismen des Faschismus wieder. Die eigene Identität ist eine negative, denn sie existiert nur dank des Feindes. Bei den Nazis war der Feind „die Juden“; bei Trump sind es „die faulen Mexikaner“, vereinfacht, alle Menschen dunkler Hautfarbe. Bei der erstarkenden Rechten, den elenden Nationalfaschisten in Europa wie Ungarns Premier Orban, ist es die EU mit ihren, das ungarische Volk unterlaufenden Auflagen (was ihn natürlich nicht daran hindert, sich und seine Vasallen schamlos an den EU-Subventionen zu bereichern) und der Milliardär George Soros, ein Jude ungarischer Herkunft, der als „Verkörperung allen Übels“ gilt; bei der Lega in Italien und der PIS in Polen, sind es ebenfalls die EU, die „Migranten und die Muslime“. Das Gleiche gilt für die FN in Frankreich oder die Partei von Wilders in den Niederlanden.
Und in Deutschland? Hier beschwören die kriminellen Idioten der AfD, wirtschaftlich stramm auf neo-liberalem Boden und damit brave Heloten der Ursache allen Übels, ebenfalls die Bedrohung der Heimat durch islamische Zuwanderung, die EU und den Euro. Die niederträchtige Saat von geistigen Brandstiftern wie Thilo Sarrazin, ist schnell aufgegangen. Es ist der große Fehler der „Linken“ und des liberalen Bürgertums, sich in den von der AfD gesetzten Frame hineinzubegeben, mit der Folge einer konfrontativen Lagerbildung, anstatt die „Rechten“ als genau das zu entlarven, was sie sind: menschenverachtende Faschos. Der Frame und damit die Diskussion als solche ist schon falsch. Daran ändert auch die zweite beliebte Taktik nichts, ständig mit Halbwahrheiten und zusammehangslosen Teilinformationen die absolute Richtigkeit der eigenen Position zu „untermauern“.
Die Welt wird vereinfacht – und falsch – in Gut und Böse aufgeteilt, komplexe Probleme werden ihres Kontextes enthoben und damit auf scheinbar simple Entscheidungen reduziert. Das mag in unserer komplizierten und verwirrenden Welt zwar die Sehnsucht vieler Menschen bedienen, sie enthebt uns aber nicht von der Pflicht, genau diese Kontexte offenzulegen und die wirkliche Situation und deren Ursachen zu verdeutlichen. Mit dem Ziel, die richtigen Fragen zu formulieren, deren Antworten dann überhaupt erst zu – hoffentlich – richtigen Lösungen führen können. Die richtigen Fragen zu formulieren ist in dem verwirrenden Überangebot von Meinungen und vermeintlich schnellen, einfachen Lösungen zu allen möglichen Problemen, die größte Herausforderung für ein eigenständiges Denken.
ANGST UND FRUST REGIEREN
Seit Mitte der 90ziger Jahre wurde die Polizei systematisch paramilitärisch aufgerüstet. Robocop hat bei den modernen Riotcop-Hundertschaften scheinbar Pate gestanden. (Das hätte der alte Satiriker Paul Verhoeven nicht gedacht.) Führen wir uns nur den „grandiosen Einsatz“ der Polizei bei dem G20-Gipfel in Hamburg vor Augen. Die einst aus Furcht vor Terrorismus und außerparlamentarischer Opposition verabschiedeten Gesetze zum Schutzes des Staates vor Feinden im Inneren (wie 1968 die sogenannten „Notstandgesetze” in der Bundesrepublik) sollen nun scheint’s vor dem Ausdruck systemischen Widerstandes, sowie Protest und Aufständen sozial benachteiligter Gruppen schützen. Sogar über den Einsatz der Armee im Inneren wurde von den Geistesheroen – unter der an Geistesheroen nicht gerade armen deutschen Politikerkaste im Parlament – nachgedacht. Die Flachköpfe wollten allen Ernstes die Bundeswehr innerhalb Deutschlands einsetzen können, natürlich nur unter strengen Auflagen und wenn die Lage es wirklich erfordert, wie bei Terrorabwehr oder Flüchtlingsabwehr, je nach dem. Eine Lage, die sie selbst mit ihrer Politik herbeiführen.
Gerade in der Krise entlarvt sich die EU als das, was sie wirklich ist, eine Wirtschaftszweckgemeinschaft, von der die Mitgliedsstaaten nur eines wollen: ordentlich profitieren. Verbreitet sich die Ansicht, dies sei nicht mehr in dem gewünschten Rahmen möglich, dann erstarken die Absetzbewegungen wie der „Brexit“ von Großbritannien zeigt. (Dessen Leave-Kampagne 2016 vom reichen kriminellen Establishment und Off-Shore Profiteuren finanziert und betrieben wurde.) Die europäische Idee von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, will sich das finanzstandartisierte Europa nicht mehr leisten. Frei nach Oberfinanzdrakon Schäuble: der europäische Stabilitätspakt lässt sich von demokratischen Entscheidungen nicht beeinflussen.
Das ist die wahre Krux. Der großartige Gedanke einer Europäischen Union als Lehre aus dem 2. Weltkrieg und Folge der niedergegangenen Kolonialherrschaften, wurde nach den alten Regeln der Wirtschaftsgemeinschaft umgesetzt, die es versäumt hat, rechtzeitig ihre politische Einheit auf solide gesellschaftspolitische Füße zu stellen, stattdessen konsequent eine wirschaftsliberale, konzernfreundliche Politik verfolgt (selbst wenn diese Kritikern aus der Industrie nicht weit genug geht). Eine wahre radikale Reform Europas muss genau hier ansetzen, mit einer schonungslos-kritischen Analyse der Institutionen und ihren Funktionen. Mehr denn je sind wir gefordert, die richtigen Fragen zu stellen.
Fortsetzung und Finale …