Es geschieht auf einer nächtlichen Fahrt von Rotterdam ins Ruhrgebiet . . .
Bevor ich die Panikattacke bekomme, erinnere ich mich:
Einige Kilometer hinter der Grenze lenke ich den Passat auf einen einsamen Parkplatz und bleibe mit laufendem Motor stehen. Meine Krawatte schnürt mit den Hals zu. Ich löse ihren Knoten und öffne den Kragenknopf meines Hemdes. Nach Atem ringend umklammere ich beidhändig das Lenkrad und lehne meine Stirn dagegen.
Schweiß tropft von meinem Gesicht, das Hemd klebt mir am Rücken.
Mit zittrigen Fingern suche ich die Starttaste der Mediaanlage. Kurz darauf verströmen die Lautsprecher leise entspannende Klänge.
Eine warme Frauenstimme sagt zu mir: „Einatmen … und … ausatmen. Einatmen … und … ausatmen. Du wirst mit jedem Atemzug ruhiger und entspannter … Einatmen … und … ausatmen … Mit jedem Atemzug wirst du ruhiger und entspannter … “
Immer tiefer ein- und ausatmend richte ich mich langsam wieder auf, um dann weit nach hinten in den Sitz zurück-zusinken. Ich schließe meine Augen.
Die warme Frauenstimme streichelt mich: „Du bist vollkommen ruhig und entspannt … Einatmen … und wieder ausatmen … Du bist vollkom-“
Im selben Moment wird die Fahrertür aufgerissen. Ich werde gepackt, man zieht mich aus dem Wagen. Ich knalle auf den Parkplatz. Alles dreht sich. Schemenhaft erkenne ich mehrere Typen. Mindestens zwei von ihnen halten mich fest und pressen mein Gesicht seitlich auf den Asphalt, sodass ich kaum Luft bekomme.
„Dein Leben ist ein befreiender Atemzug“, versichert die warme Frauenstimme.
Die Männer flüstern miteinander. Ihre Stimmen klingen jung und nervös, aber sie handeln effizient und schnell.
Ich bin völlig hilflos.
„Du fühlst dich federleicht und beschwingt“, strömt es unvermindert aus den Lautsprechern.
Bunte Sneakers durchqueren mein Blickfeld. Ich höre wie der dritte Mann die Heckklappe des Passat öffnet. Er sucht nicht lange, weiß offenbar genau, wo er fündig wird. Unterdessen tasten die beiden, die mich festhalten, meine Kleidung ab und nehmen mir das Telefon weg.
„Du bist fokussiert und klar. Alles ist einfach, alles ist leicht und du bist ein-“, endet schlagartig die Frauenstimme.
Der dritte Mann hat den Zündschlüssel abgezogen. Unvermittelt werde ich losgelassen und erhalte einen brutalen Tritt in den Bauch. Ich grunze und würge, der Kaffee und das Fischbrötchen kommen mir hoch, ich habe einen ekeligen säuerlichen Geschmack im Mund, kämpfe gegen den Brechreiz an.
Ein Stückchen entfernt startet ein Motor.
Langsam passiert mich ein dunkler Wagen. Seine Scheinwerfer leuchten erst auf, als er die Einfädelspur zur Landstraße erreicht.
Der Wagen beschleunigt.
Ich bin allein. Irgendwann drehe ich mich auf den Rücken und schaue hinauf in den klaren Nachthimmel, an dem hell die Sterne funkeln.
In meinem Kopf vollendet die warme Frauenstimme ihren unterbrochenen Satz, „ … und du bist eins mit den innersten Schwingungen des Universums“.
Ich denke noch, das ist doch jeder Tote und schreie laut meine Panik hinaus in die Nacht.