Die am 07. Oktober gestartete militärische Aktion der Hamas gegen Israel hat den Ukrainekrieg kurzzeitig aus den Schlagzeilen verdrängt. Kriegsberichterstattung im Zeitalter von Smartphones und Social-Media heißt, die kämpfenden Parteien stellen ihre eigene Propaganda online. Ihre Videos und Statements buhlen mit Beiträgen der Systemmedien sowie unabhängiger Berichterstatter um unsere Aufmerksamkeit. Wir werden mit hoch emotionalisierendem „Klickfutter“ befeuert – je empörender und grausamer, desto besser. Diese Bilder dienen je nach Lager als Beweis für die Gerechtigkeit der eigenen Sache und die Bösartigkeit der Gegenseite. Sensationen statt Informationen …
Gleich vorweg: Jeder militärische Angriff auf die Zivilbevölkerung, um die eigenen Ziele zu realisieren, ist ein Kriegsverbrechen und strengstens zu verurteilen; unabhängig davon, welche Seite aus welchen Motiven auch immer diese Handlungen begeht. Unsere Politik und die Systemmedien jedoch sind in einer nicht zu rechtfertigenden Weise parteiisch. Nachfolgend daher einige Fakten und Zusammenhänge, um die jüngsten Kampfhandlungen und die Reaktionen etwas besser einsortieren zu können:
1. GAZA IST EIN KONZENTRATIONSLAGER
Der Gazastreifen ist 41 Kilometer lang und zwischen 6 und 12 Kilometer breit. Seine Fläche umfasst 364 Quadratkilometer. Dort leben seit letzter Schätzung 2,4 Millionen Menschen, die Hälfte davon Kinder unter 15 Jahren. Die Bevölkerungsdichte ist größer als die von Tokio. 2009 wurden alle israelischen Siedler zwangsevakuiert. Anschließend begann Israel mit der Errichtung des „Hochsicherheitsknasts“. Seit 2014 wird der Gazastreifen von einem mehr als sechs Meter hohen „intelligenten Zaun“ umschlossen, dazu einer 65 km langen unterirdischen Sperre und einer Seebarriere. Die „Sicherungsmaßnahmen“ sind mit Hunderten von Kameras, Radaren und anderen Sensoren ausgestattet, ferner mit elektronischen Detektoren zur Erkennung von Infiltrationen auf dem Seeweg sowie ferngesteuerten Waffensystemen.
Für die Errichtung wurden angeblich 140.000 Tonnen Eisen und Stahl aufgewandt. Israel soll dreieinhalb Jahre gebraucht haben, um dieses Hightech-Gefängnis fertigzustellen. Die Lebensumstände im Gazastreifen sind katastrophal. Der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter konstatierte: „Die Palästinenser im Gazastreifen werden mehr wie Tiere denn wie Menschen behandelt … Noch nie in der Geschichte wurde eine so große Gemeinschaft durch Bomben und Raketen verwüstet und dann der Mittel des Wiederaufbaus beraubt.“
2. HAMAS IST AUCH EIN PRODUKT WESTLICHER STRATEGIE
Hamas ist eine sunnitische politisch-militärische Organisation im Gazastreifen und Westjordanland. (Offiziell: Islamische Widerstandsbewegung, Ḥarakah al-Muqāwamah al-ʾIslāmiyyah). Sie ist in den 1970er-Jahren aus der Muslimischen Bruderschaft hervorgegangen. Konzentrierte sie sich anfangs auf soziale und religiöse Reformen wie die Wiederherstellung „islamischer Werte“, so wurde sie in den 1980er-Jahren politisch aktiv und zu einem radikalen Gegner Israels. Damit waren die Fronten von Anfang an klar, sollte man meinen. Denkste.
Im Kalten Krieg benutzte die CIA zur Erreichung der politischen Ziele der USA gerne radikale religiöse Gegenströmungen, die in Opposition zu der Ideologie der Machthaber eines Landes standen. In Ägypten war dies die Muslimische Bruderschaft, die von der CIA im Kampf gegen Präsident Nasser, den Nationalisten mit sozialistischen Neigungen und inakzeptablen Moskau-Kontakten unterstützt wurde. In Afghanistan wurden die Mudschaheddin gegen die sozialistische Regierung Nadschibullahs und nach dem Einmarsch 1979 gegen die Sowjetunion unterstützt.
Der größte palästinensische Gegner Israels war die PLO unter Yassir Arafat, der einen säkularen, sozialistisch angehauchten Widerstand anführte, der Moskaus Sympathien genoss. Natürlicher Gegenentwurf zu den „Gottlosen“ waren die „Gottesfürchtigen“. Die Israelis lernten vom großen Beschützer und ließen die Hamas nicht nur gewähren, sondern ihr ab Ende der 1970er-Jahre sogar Geld zukommen. So behauptete der Brig. Gen. Yitzhak Segev, der damalige israelische Militär-Gouverneur in Gaza, er hätte ein Budget gehabt, um Organisationen und Moscheen zu fördern, die sich gegen die PLO richteten. Die Hoffnung, dass die Palästinenser sich gegenseitig komplett zerfleischen würden, ging nicht ganz auf.
Times of Israel zufolge hatte Netanyahu noch 2019 Knesset-Abgeordneten seiner Likud-Partei gesagt: „Jeder, der die Etablierung eines palästinensischen Staates verhindern will, muss die Hamas stärken und finanziell unterstützen.“
Das Ziel ist hier ganz klar: Die radikalen Hardliner in Israel können keine „gemäßigte“ Palästinenserführung gebrauchen, die westliche Sympathien gewinnt. Nur eine „bestialische, Israel hassende“ Hamas dient ihren Zielen.
3. DEMOKRATIE ALS STOLPERSTEIN FÜR BUSH
2006 drängte die Bush-Administration die Palästinensische Verwaltung, freie Wahlen für den Nationalkongress abzuhalten, in der Hoffnung, dass die regierende Fatah unter dem Arafat-Nachfolger Abbas siegen würde. Doch war die Unzufriedenheit in der Bevölkerung über die miserablen Umstände und Zukunftsaussichten groß und so produzierte der Urnengang die aus westlicher Sicht falschen Gewinner: die Hamas-Partei, deren Charta von 1988 sie zu dem Ziel verpflichtete, „Israel ins Meer zu treiben“.
Der Wahlausgang stellte für George W. Bush und seine Administration ein echtes Problem dar. Der Präsident wollte nämlich als „großer Friedensstifter im Heiligen Land in die Weltgeschichte“ eingehen. Jetzt stand ihm mit der Hamas ein großes Hindernis im Weg. Dieses musste ausgeräumt werden. Das war nicht nur seine Sichtweise, auch Hillary Clinton und andere maßgeblichen Politiker in den USA und der EU plädierten dafür, das „demokratische Problem Hamas“ aus der Welt zu schaffen. Die gefundene Lösung ist bezeichnend für die US-Außenpolitik: Sie wollten einen Regimewechsel herbeiführen.
Die Zeitung Vanity Fair behauptete 2008, vertrauliche Dokumente vorliegen zu haben (inzwischen von Quellen in USA und Palästina bestätigt), die eine von Bush genehmigte und von Außenministerin Condoleezza Rice sowie dem stellvertretenden nationalen Sicherheitsberater Elliott Abrams gemanagte Covert-Action (Verdeckter Einsatz) belegen. Das Ziel: einen palästinensischen Bürgerkrieg zu provozieren. Der Plan sah vor, der Fatah mit neuen, auf amerikanisches Geheiß gelieferten Waffen die nötige Schlagkraft zu verleihen, um die demokratisch gewählte Hamas-geführte Regierung zu entmachten.
Die Sache ging schief, mit dem Resultat, dass Hamas seine Macht im Gazastreifen festigte. Die politische Folge: Boykott von Hamas und Sanktionen gegen die Palästinenser. (Der Kriegsverbrecher Elliot Abrams war übrigens in den 1980ern maßgeblich in die Iran-Contra-Affäre und Mordkommandos in El Salvador verwickelt. Jüngst wurde er von der Biden-Administration reaktiviert.)
(QUELLE: The Gaza Bombshell, Vanity Fair, April 2008)
4. ISRAEL IST ZUTIEFST GESPALTEN
Alastair Crooke, ehemaliger britischer Diplomat und in Beirut ansässiger Nahost-Fachmann zufolge, hat sich in Israel eine tiefe Spaltung vollzogen:
„Die beiden Seiten, die liberalen Juden und die konservativen Juden sind in der Bevölkerung mehr oder weniger gleich stark vertreten. Im Parlament hat sich die Macht nach ,rechts‘ verschoben. Eine Koalition aus nationalreligiösen Gruppen, Siedlern und anderen Gruppierungen verfügt jetzt über die Mehrheit in der Knesset. Diese Koalition besitzt eine völlig andere Vorstellung von der Zukunft Israels als die Liberalen. Sie wollen den ihrer Meinung nach ursprünglichen Zweck des Staates verwirklichen: ,Ein alttestamentarisches Israel im Westjordanland und in den historischen Gebieten‘, das nicht mit den Grenzen des heutigen Israel übereinstimmt. Außerdem wollen sie dem Obersten Gerichtshof die Möglichkeit nehmen, ihre Gesetze zu kippen. Denn für sie ist der Oberste Gerichtshof eine säkulare liberale Institution, die den Status quo aufrechterhalten soll.
Eine treibende Kraft hinter der Koalition sind die aus Nordafrika und dem Nahen Osten stammenden orientalischen Juden. Sie galten lange Zeit als Juden zweiter Klasse. Jetzt bekleiden sie Ämter und wollen nicht nur ihre Vorstellung eines ,alttestamentarische Israels‘ wiederherstellen, sondern auch ein religiöses Staatsjudentum – und das ist Teil ihrer Ablehnung des Obersten Gerichtshof –, welches zum jüdischen Gesetz der Halakha zurückkehrt (in etwa mit der Scharia in der islamischen Welt vergleichbar).“
Viele traditionelle, tiefreligiöse Juden widersprechen den Zielen der Ultrarechten, weil nur Gott den Staat Israel wieder herbeiführen kann. Die Diaspora ist ihren Vorstellungen nach Gottes Wille. Der Konflikt zwischen dem zionistischen Staat Israel und den Palästinensern ist ihrer Logik folgend daher kein religöser, sondern ein ideologischer Konflikt zwischen Kolonisten und der dort ansäßigen Bevölkerung.
Dann springt im Hinterkopf immer noch der irrwitzige Gedanke herum, die religiösen israelischen Fanatiker könnten einen Krieg mit den arabischen Nachbarn vom Zaum brechen, in den sie die ganze Welt mithineinziehen, um die Rückkehr des Messias zu beschleunigen, aber das ist natürlich Blödsinn. Hoffen wir zumindest mal.
LINK: Alastairs Crookes Interview in voller Länge …
5. NETANYAHU KÄMPFT UMS POLITISCHE ÜBERLEBEN
Und damit kämpft der ewige Premierminister und politisches Steh-auf-Männchen auch um seine persönliche Freiheit. Die hängt nicht zuletzt vom Fortbestand der Koalition ab. (Bis vorvergangene Woche wurde ständig gegen den PM demonstriert und sein Rücktritt gefordert.) Der wegen Korruption vor Gericht stehende Politiker hat in seiner Regierung die radikalen treibenden Kräfte, die für die Enteignungen in Ost-Jerusalem und die Erstürmungen des Tempelberges verantwortlich sind. War Netanyahu bisher der größte Scharfmacher und Kriegstreiber, der in den USA immer wieder für Angriffe auf Irak und Iran warb, muss er nun noch radikalere Palästinenserhasser bei der Stange halten.
Sein jetziger Minister für Nationale Sicherheit, dem die Polizei unterstellt ist, legte vor 10 Jahren auf einer Konferenz den Plan für den Wiederaufbau des alten Tempels auf dem Tempelberg und die Gründung eines Israels in den alttestamentarischen Grenzen vor. Der Wiederaufbau des Tempels würde bedeuten, dass die al-Aqsa Moschee abgerissen wird. Israel in den alttestamentarischen Grenzen hieße, dass die Palästinenser aus dem Westjordanland vertrieben und ihnen vollends ihre politischen Rechte genommen werden. (Das nennt man ethnische Säuberungen, wie wir sie im Bosnien-Krieg und jüngst in Bergkarabach erlebten). Für beide verfeindeten Seiten ist es demnach ein existenzieller Kampf. Am Donnerstag vor dem Angriff der Hamas wurde der Tempelberg erneut von Anhängern der fanatischen Rechten gestürmt. Die Polizei sah zu und knüppelte dann auf protestierende Palästinenser ein.
Der Krieg verschafft dem in die Ecke gedrängten Netanyahu wieder etwas Luft. Eine Regierung der nationalen Einheit ist genau nach seinem Geschmack. Denn Netanyahu interessiert sich nur für Netanyahu. Alles andere ist diesem korrupten, absolut skrupellosen Kriegsverbrecher egal.
LINK: Killing Gaza, ein wichtiger, absolut empfehlenswerter Film über das elende Leben im Belagerungszustand …
LINK: Eine umfassende Situationsbeschreibung, die sich die hiesigen Hirnbremser in Politik und Medien anschauen sollten …
6. GEWALTFREIER PROTEST FUNKTIONIERT NICHT
Israel versucht, jeglichen gewaltfreien Widerstand gegen sein „Apartheidsregime“ zu unterbinden. Das geschieht a) mit massivem Einsatz von Lobbyisten und diplomatischem Druck. So wird die friedliche Boykottbewegung BDS, die auf eine Blockade israelischer Produkte abzielt, um „zivilen Druck“ auszuüben, von der israelischen Regierung und deren Lobbyisten mit „Antisemitismus“ gleichgesetzt. In den USA, der EU und hierzulande gilt die Organisation den Herrschenden daher als verdächtig. Zum Teil wurde sie schon verboten. In Deutschland wird wohl ein Verbot erwogen.
Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit, unbewaffneten Protest zu brechen, nämlich b) durch den Einsatz von Scharfschützen. Unbewaffnete Demonstrationen gefährden die Propaganda „vom palästinensischen Hass und sinnloser Gewalt“ der Regierung in Jerusalem und werden darum gnadenlos niedergemacht. Die Scharfschützen schießen gezielt auf Kinder und Frauen, die sich unbewaffnet dem Grenzzaun nähern. Würde man sie passieren lassen, wäre die „Flut nicht mehr aufzuhalten“. Zwischen 2018 und 2020 wurden 59 palästinensische Kinder bei dem sogenannten „Marsch der Rückkehr“, Massenprotesten am Zaun, der Israel vom belagerten Gazastreifen trennt, getötet. Alle Kinder wurden aus der Ferne von israelischen Scharfschützen erschossen.
Die Gesamtzahl der verwundeten palästinensischen Kinder zwischen 2015 und 2022 beläuft sich laut UN-Angaben auf über 8000.
Die von internationalen Menschenrechtsgruppen gesammelten Daten lassen keinen Zweifel daran, dass dieses Vorgehen Teil einer bewussten, umfassenden Strategie des israelischen Militärs ist – auch die Tötung palästinensischer Kinder.
„In allen Fällen“, so die jüngste Untersuchung von Human Rights Watch, „schossen die israelischen Streitkräfte auf die Oberkörper der Kinder.“ Dies geschah ohne „Warnungen oder die üblichen, weniger tödlichen Maßnahmen“.
2022 wurden allein im Westjordanland 144 Kinder getötet, die höchste Zahl seit 18 Jahren.
LINK: Bericht von Human Rights Watch …
https://www.hrw.org/news/2023/08/28/west-bank-spike-israeli-killings-palestinian-children
7. HAMAS NUTZTE ISRAELS HYBRIS
Der von der Hamas gestartete Überraschungsangriff zu Land, zu Wasser und in der Luft am frühen Samstag, den 07. Oktober, stellt ein noch nie da gewesenes Ausmaß gegen Israel dar. Biblisch ausgedrückt: David Hamas attackiert den militärischen Goliath Israel. Der Hamas-Militärchef sagte, die Operation habe den Codenamen „al-Aqsa-Flut“. Noch Fragen? Der Bezug ist eindeutig.
Die wirklich brennende Frage ist, wie es soweit kommen konnte? Die israelischen Medien sprechen von einem massiven Versagen der Geheimdienste Israels und der Vereinigten Staaten. Scott Ritter zieht einen Vergleich zum Yom-Kippur-Krieg von 1973, bei dem den arabischen Staaten ein Überraschungsangriff gegen Israel gelang.
Inzwischen wurde kolportiert, Ägypten hätte die israelischen Behörden gewarnt, ja sogar Hamas selbst hätte angeblich Hinweise auf ein bevorstehendes Großereignis gegeben. Alle Warnungen seien ignoriert worden. Für die israelische Regierung galt der Gazastreifen als gesichertes Konzentrationslager, in dem regelmäßig „der Rasen gemäht werden müsse“, damit Ruhe herrsche (Begriff der israelischen Armee für militärische Strafmaßnahmen wie Bombardierungen etc.). Der Fokus lag seit längerem auf Ost-Jerusalem und dem Westjordanland. Aufgrund der dortigen Spannungen zwischen den aggressiven Siedlern und den lokalen Palästinensern wurden drei Bataillone von Gaza zum Westjordanland beordert. Die Zeichen standen also günstig für Hamas.
Scott Ritter sieht noch einen weiteren Grund für die kolossalen Fehler des „angeblich besten Sicherheits- und Überwachungsstaats“ der Welt. Er meint, Israels fataler Fehler war es, offen mit der Rolle der KI bei der Operation „Mauerwächter“ zu prahlen. Die Hamas war offenbar in der Lage, die Kontrolle über den von Israel gesammelten Informationsfluss zu übernehmen. Ritter weiter:
„Es wurde viel darüber spekuliert, dass Hamas die Nutzung von Handys und Computern ,abschalten‘ würde, um Israel die mit diesen Kommunikationsmitteln glieferten Daten vorzuenthalten. Aber das ,Abschalten‘ an sich wäre schon ein nachrichtendienstlicher Indikator gewesen, den die KI mit Sicherheit aufgegriffen hätte. Stattdessen ist es sehr wahrscheinlich, dass Hamas einen ausgeklügelten Plan zur Täuschung der Kommunikation umsetzte, der in Art und Umfang ausreichte, um die israelischen KI-Algorithmen davon zu überzeugen, dass nichts Ungewöhnliches im Gange war.“
LINK: Scott Ritters Artikel im englischsprachigen Original …
8. EIN BISSCHEN FRIEDEN IST UNMÖGLICH
Die Reaktionen aus den USA, der EU und Berlin sind eindeutig: Israel ist das Opfer eines beispiellos brutalen, verabscheuungswürdigen Terroranschlags, dem keine Provokation vorausging und dessen Opfer hauptsächlich unschuldige Frauen und Kinder sowie harmlose Partygänger sind. Der Terror wird einhellig verurteilt und Israel jedes Recht zugesprochen, sich mit aller Macht zu wehren. Den Palästinensern und den Kämpfern der Hamas hingegen wird das Recht auf Selbstverteidigung abgesprochen.
Die Nakba, die 75 Jahre währende Entrechtung der Palästinenser, die konsequente Ignoranz von UN-Beschlüssen durch Israel, die 16 Jahre andauernde Blockade gegen Gaza, die komplette Zerlöcherung des Westjordanlandes durch die jüdischen Siedlungen, die Schießbefehle gegen Frauen und Kinder … all das empört keinen Politikvollstrecker im Westen. (Wer sich ein genaueres Bild über Israels Angriffe gegen Gaza verschaffen will, der gehe auf den nächsten LINK unten.)
Was sollen wir aus der einseitigen Parteinahme und den ewig gleichen verlogenen Reaktionen des Westens schließen? Es gibt nur einen Schluss: Der kollektive Westen ist diplomatisch unwillig und unfähig. Wir beobachten dieselben inkompetenten, wichtigtuerischen, zensorischen und eskalierenden Verhaltensmuster wie im Ukrainekrieg.
Die Bundesaußenministerin fällt durch alberne Plattitüden und kindische Appelle anstatt Diplomatie auf. Der Bundeskanzler proklamiert Solidarität und Unterstützung für Israel und kommt mit der autoritären Zensur- und Verbotskeule gegen Palästina-Sympathisanten, wofür ihn die unsägliche Boulevardpresse beklatscht. Sie stehen stellvertretend für die Dummheit, Arroganz und Ignoranz unserer Gesellschaft.
Die Medien warnen vor wachsendem Antisemitismus und bereiten diesem mit ihrer Hetzpropaganda gegen Hamas indirekt den Boden. Überhaupt ist die massive Ungleichbehandlung der Palästinenser eine der Hauptursachen des Antisemitismus aus den muslimischen Reihen. (Der widerliche deutsche Antisemitismus, insbesondere bei den Rechtsaußen ist ein separates Thema.)
International zeigen Russland und China und mit ihnen die BRICS-Staaten die diplomatischen Initiativen, die sonst die USA für sich in Anspruch genommen haben. Hat der Westen die angeblichen „westlichen Werte“ vergessen? Inzwischen zweifle ich daran, dass diese überhaupt existieren. Wie degeneriert und sklerotisch sind Washington, Brüssel, Berlin et al. wirklich?
Fakt ist: Der Staat Israel existiert und er hat ein Recht dazu.
Ebenso Fakt ist: Die Palästinenser existieren und sie haben ein Recht auf einen eigenen Staat.
Beide Völker beanspruchen den gleichen Flecken Erde. Schon 1947 hatte sich die UN für eine Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen, die ich persönlich für nicht realisierbar halte. Vernünftiger wäre eine säkulare Einstaatenlösung, in der Religion Privatsache ist und alle Bewohner unabhängig ihrer Ethnie gleiche Rechte haben, aber das ist äußert unpopuläres Wunschdenken.
Die Zwei-Staaten-Lösung wurde nach dem 6-Tage-Krieg 1967 bekräftigt. Israel spielt seit 56 Jahren auf Zeit und versucht systematisch auf illegale und brutale Weise, unverrückbare Tatsachen zu schaffen: sich Ost-Jerusalem und das Westjordanland einzuverleiben. Und der Gazastreifen?
Der von einem fanatischen israelischen Terroristen 1995 ermordete Premierminister Yitzhak Rabin soll gesagt haben, seinetwegen könne der Gazastreifen im Meer versinken. Damit wären aus Sicht der Zionisten die Probleme gelöst. Nur gehen die Palästinenser nicht fort, sondern sie wehren sich, weil es nach UN-Statuten ihr gutes Recht ist und weil sie nichts mehr zu verlieren haben.
Was jetzt? Jetzt herrscht totaler alttestamentarischer Vergeltungskrieg gegen die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens. Israel verweigert den Palästinensern jede Menschlichkeit und begeht vor unser aller Augen und mit unserer Unterstützung Kriegsverbrechen um Kriegsverbrechen.
Ach ja, die ewigen Kriegshetzer im US-Senat wie Lindsey Graham verlangen, den Iran zu bombardieren.
Absoluter Irrsinn. Absolut beschämend.
LINK: Israels Angriffe gegen Gaza seit 2005 …
https://www.aljazeera.com/news/2022/8/7/timeline-israels-attacks-on-gaza-since-2005
LINK: Der chinesische Außenminister zur aktuellen Situation in Israel-Palästina …
LINK: Weitere Hintergrundinformationen zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern und die Haltung der deutschen Politik …