KÖNIG KOBOLD – zwischen Wonnerausch und Wahnkoller

Veit Derner und Max Säger sind mittendrin im Geschehen, das zur Zeit die Schlagzeilen dominiert, weil der Obermaxe anders will als sein kriegsgeiles, aber impotentes Nochgefolge europäischer Regierungen und Systemmedien. Die erbärmliche Scharade hielt die beiden nicht länger an ihren Thekenstammplätzen und während in der Stadt des organisierten Frohsinns das Straßengelage tobt, haben sie sich in jene Straßen geflüchtet, wo Artilleriefeuer schlagartig jeden ernüchtert. Eine Aktion wider des Zeitgeists in der abgewirtschafteten Bücklingsrepublik, in der ein Blackrockmann sich anschickt, den Staat endgültig zu einem liederlichen Finanzcasino abzuwirtschaften und dem die blöden bourgeoisen Kleingeister dabei kräftig die Daumen drücken, weil die unsäglichen Faschopatrioten mit einer Goldman-Sachs-Furie an der Spitze in der Kulisse lauern. Hier die erste Depesche von Derner und Säger aus der Abdeckerei im Osten, diesem bluttriefenden Beweis für die Niedertracht unserer herrschenden Eigentümerklasse und ihren Eliten und natürlich der elenden Schafmentalität ihres feigen Stimmviehs …

Der Himmel über K. ist ein gequälte Violett, durchzogen von Wolken, wie sie nur erscheinen, wenn die Halbgötter nach langem Gelage den höllischen Absinth auskotzen. Irgendwo in der Ferne hallt das dumpfe Grollen von Artilleriefeuer. Es klingt wie ein Heer betrunkener Trommler auf Siegfrieds Beerdigung. Säger versucht aufgeregt, mir etwas zu zuflüstern. Ein zähes Unterfangen, da mir soeben der Soundtrack zur Verteidigung heiliger europäischer Werte wie Demokratie, Freiheit, Menschenrech-, sorry, natürlich Kriegsgeiferei, Selbstgerechtigkeit, Zensur usw. in Düsenjägerlautstärke in den Ohren tobt: Wagners Nibelungen-Overtüren. Was schon Stukas im Sturzkampf über K. recht wahr, kann uns Sturzbesoffene in K. mehr als 80 Jahre später nur billig sein, um in Stimmung zu kommen.

Der Thekenphilosoph und ich stecken in einem aufgepimpten Hotel aus der Sowjetzeit fest, einem Ort, an dem die neuen Tapeten sich seit dem 24. Februar 22, dem 11. September dieses Jahrzehnts, in großen, aussätzigen Streifen wieder von den Wänden ablösen und der Geruch von Schimmel deine Seele penetriert wie ein rösiger Kater den Kadaver einer frischüberfahrenen Katze.

Wir sind gekommen, um vom Endstadium des U-Krieges zu berichten, aber was wir vorfinden, ist etwas viel Dunkleres – vor unseren Augen dräut eine Geschichte von Macht, Wahnsinn und Blut, die selbst Willi Shakespeare nach Härterem als Haggis an Miesmuscheln hätte greifen lassen.

Alles beginnt mit einem Brutalo von Mann namens Makarow. Ein Waffenschieber voller Ambitionen und einer rohem Fleisch ähnelnden Visage. Seine Augen glühen wie eine Feuerzangenbowle aus Brennspiritus oder vor Wahnsinn, den man von jungen Männern kennt. Dieser Spezies, die ernsthaft glaubt, die Botschaften des Übermenschschwurblers Nietzsche vollends gecheckt zu haben, um anschließend in die unergründliche Tiefe des Abflussrohrs in Muttis Küche vorzustoßen.

Makarow ist Gefreiter in der Armee, zumindest war er das irgendwann mal. Inzwischen ist er etwas ganz anderes – ein Mann, der seine Uniform gegen einen Ironman-Kostüm und einen Ruf eingetauscht hat, der selbst die abgebrühtesten Marvelfans nervös macht.

Wir treffen ihn in einer ausgebombten Kneipe am Rande von K. Das Loch wird von einer einzigen flackernden Glühbirne beleuchtet, die ein Untergebener Makarows mittels eines Laufbands und maximaler körperlicher Anstrengung am Flackern hält. Die Luft ist dick vom Gestank verbrannten Fleischs, der Fußboden klebrig von verschütteten Wodka-Red-Bull.

Makarow hält Hof an einem Ecktisch mit dem Rücken zur Wand, umgeben von einem zusammengewürfelten Haufen aus Schranzen, Söldnern und Schiebern. In der einen Hand eine Flasche selbstgebrannten Hrolika, in der anderen eine Kalaschnikow. Er erzählt eine immer wieder variierende Geschichte, wie er alleine oder mit wem sonst ein ganzes Bataillon in der Schlacht von B. aufgehalten hat, dessen Hoheitszeichen und Herkunft je nach Publikum ebenso variabel sind

„Sie kamen auf mich zu wie Wölfe“, knarzt der einstige Tenor. „Aber ich habe ihnen gezeigt, was passiert, wenn man sich mit der falschen tollwütigen Töle anlegt.“

Säger beugt sich zu mir herüber, die Augen hinter seiner Pilotenbrille dank zwei Zündhölzenchen als Stützen weit aufgerissen. „Der Typ ist entweder völlig bekloppt oder der lang vermisste Autor der Cobra-11-Folge ,Heldenkadaver auf der A44‘“, flüstert er.

Ich weiß nicht, was ich denken soll, aber eines ist sicher: Makarow ist ein Mann am Abgrund, und der Abgrund ist hier ein Ort, der zum Stepptanzen einlädt. „Komm Briderchen trink! Kosackenkaffee!“

Der richtige Ärger beginnt, als Makarow auf die Hexen trifft. Oder vielleicht sind es gar keine Hexen – vielleicht sind es lediglich drei abgetakelte Bordsteinschwalben, die zu viel Flugzeugbenzin geschnüffelt und zu viele Frau-im-Spiegel-Horoskope gelesen haben. Was auch immer sie sind, sie finden Makarow in der Ruine des Pissoir, wohin er gegangen ist, um sich zu erleichtern und wittern ein flottes Geschäft. Reverse Gangbang, kann ich in der Militärtaktikbroschüre der besten aller Miltärschulen zu ihrem Vorgehen nachlesen.

„Heil, Makarow!“ Ihre Stimmen kreischen wie Kreide auf einer Schultafel. „Heil, König Kobold!“

Makarow starrt sie an, sein Gesicht eine Maske aus Verwirrung und Verblödung. „Wovon zum Teufel redet ihr?“, grunzt er wie einer, der seinen Harnstrahl nicht länger bändigen kann.

Doch die B-Schwalben lachen nur und verschwinden hinterm Schutt, zurück bleibt Makarow mit Wasserlatte, einer Hose voll übereilt abgelassenem Hrolika und einem Herzen voller Gift und Galle.

Von da an geht’s bergauf. Als Makarows Frau, die Makarowa ist eine echte Furie von Weib – eine ehemalige Schönheitskönigin, die zur Kriegsprofiteurin geworden ist, mit einem Lächeln, das Glas schneidet, und einer Seele, so schwarz wie der After eines Braunbären – von der Prophezeiung hört, erkennt sie die Chance und ergreift selbige mit beiden manikürten Händen.

„Du willst König Kobold sein?“, geifert sie triefend vor Bosheit. „Dann handle wie der König!“

Und er handelt. Zuerst muss der koksende 1. Knappe dran glauben – ein Selbstbereicherer in olivfarbigem Jogginganzug, seit drei Jahren Star der größten Realityshow des Jahrzehnts mit Hunderttausenden Statisten und Massen echter Opfer zum Wohlgefallen seiner Sponsoren im Westen und anderswo.

Makarow macht ihm mit abstürzenden Quoten den Garaus. Algorithmen und Restzuschauer jubeln. Dann erledigt er seine verbliebenen Rivalen der Schmierenkomödie „keine Ersatzbank ist länger als die unserige“ einen nach dem andern, bis niemand mehr übrig ist, der ihm einen Monolog versaut. Jetzt ist er endlich am Ziel: König Kobold, zum Wohlgefallen von der Makarowa und seinen Mätressen.

Doch je mehr Höhenluft Makarow schnuppert, desto paranoider wird er. Überall sieht er Feinde – in seinem Gefolge, in ignoranten Zivilisten, in den Schatten der Wände. Er kann nicht schlafen, nicht essen, nicht klar denken und trotz Viagra nicht mehr rammeln. Das Einzige, was ihn am Laufen hält, sind Hrolika, Koks und Ecstacy und selbst diese Hausmittel reichen nicht aus, um der Kakophonie des Irrsinns in seinem Kopf die leidigen Mäuler zu stopfen.

Die Makarowa hat derweil beim Solitär spielen entdeckt, dass sie sich seit Karneval 2014 selbst betrügt und dem Narrentreiben zwischen Hirnvorderlappen und Stammhirn mittels eines zu Ehren des ersten Monats der Regentschaft von König Kobold wieder aufgelegten Handfeuereisens, der Makarow 9-mm ein Ende gesetzt.

She should have died hereafter, there would have been a time for such a word, to-morrow and to-morrow and to-morrow“, soll König Kobold trauernd gebrabbelt haben, wie Säger mir, die Walküre in meinen Ohren überbrüllend versichert.

Der letzte Akt spielt sich an einem dem Morgen grauenden Tagesbeginn in einer Bahnhofsklappe ab. Umgeben von Überresten seines Gefolges und Geistern seiner Willkür und seines schlechten Geschmacks, hat Makarow sich dort zum letzten Gefecht verschanzt. Draußen rücken die gepanzerten Schildkröten der Koboldkohorten an, ihre Ketten zermalmen den dünnen Asphalt zu kleinen Krümeln.

Säger und ich sind natürlich dabei, wo sollen wir sonst sein, als auf den Hochsitz der Geschichte? Wir haben wochenlang Makarows Abstieg in den Wahnsinn verfolgt und begeistert angefeuert. Gonzo heißt schließlich mittendrin mitmachen. Geschichte ist das, was du selbst schaffst und selbst schreibst. Jetzt wollen wird das große Finale auf keinen Fall verpassen.

„Das ist es“, sage ich und zünde mir mit einem Flammenwerfer eine selbstgerollte Jointzigarrre an. „End of the line.“ Kreuzigen ist harmlos gegen das, was König Kobold erwartet, wetten?

Makarow balanciert freihändig auf dem Prozellanrand des Klappenurinals und starrt auf die übelsten Graffitis seines Reiches, für das er so niederträchtig, selbstsüchtig und von Minderwertigkeitskomplexen getrieben gemeuchelt hat. Okay, die Makarowa hat ein Übriges dazu getan, das Luder. König Kobolds Gesicht ist blass und ausgezehrt, seine Augen so tief in ihren Höhlen versunken, dass an seinem Hinterkopf zwei Beulen erkennbar sind. Ein Mann wie ein Zombie, der sich an sich selbst einfach nicht sattsehen kann. Noch im Abkacken gibt’s nichts Schöneres für Makarow, als der Anblick seiner eigenen heroischen Illusion.

„Ich habe keine Angst zu sterben“, sagt er, die Stimme ein aufgeregtes Quieken vor seiner finalen Premiere. „Aber ich habe Angst vor den Quoten morgen früh …“ Und dann, als die erste Granate die Klappe erschüttert, stürzt er unabsichtlich vom Rand des Urinals und bricht sich den Hals. (Mein Platz 5 unter missratene Promiabgänge im noch jungen Jahr 2025.)

Der Krieg tobt weiter, das tun die elenden Kriege des Obermaxes immer, schließlich geht’s um Milliarden auf Kosten der Doofen. Makarow hat’s hinter sich. Ein weiteres sinnloses Opfer menschlicher Hybris, wie wir alle es sind in dieser Welt aus Wahrnehmungsstörungen und gefälschten Quoten.

Als Säger und ich aus der brennenden Klappe skaten, muss ich an die Bordellschwalben und ihre Prophezeiung denken. Makarow hat es zum König Kobold gebracht, wenn auch nur für einen Augenblick angesichts der Ewigkeit. Am Ende war die Krone für sein Haupt zu stachelig und sein Thron nichts als ein Haufen Hirngespinste. „We are such stuff as dreams are made on.“ Ist ja gut, Willi, mampf weiter Haggis.

„Was für eine Verschwendung“, philosophiert Säger, zündet sich einen mit Brausepulver gestreckten Joint an und reichte ihn mir. „Schade um den guten Hrolika.“

Ich nehme einen tiefen Zug und lasse das wohltuende Gift langsam ausströmen. Und während ich beobachtete, wie der ätzende Rauch der abbrennenden Klappe in den Nachthimmel aufsteigt, sagen meine Lippen ohne bewußtes Zutun meines Hirns. „Jau. Aber was für ein moralisch aufbauendes Ende.“

Und dann trampen wir weiter, tiefer hinein ins Herz der Finsternis, auf der Suche nach dem nächsten großen Ereignis dieser ewigen Schmierenkomödie, die sich unsere beste aller Zivilisationen schimpft.

Schluss für heute. Fickt euch selbst.

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