DIE WURZEL DES ÜBELS – Sechs Aussagen zum US-Imperialismus

Endete am 24.02.2022 mit dem russischen Angriff auf die Ukraine die nach dem Untergang der Sowjetunion und dem Zerfall des ehemaligen Ostblocks 1990 begonnene Epoche der globalen amerikanischen Alleinherrschaft (Stichwort: einzig verbliebene Supermacht)?

Der Historiker Alfred McCoy sagt zwar das Ende des US-Imperiums für ca. das Jahr 2035 voraus, jetzt aber könnte eine Eskalation des hybriden/militärischen Konflikts zwischen der expansiven NATO und dem sich in seiner nationalen Sicherheit bedroht sehenden Russland den Niedergang beschleunigen. Über dem Ukraine-Krieg hängt das nukleare Damoklesschwert und damit eine Katastrophe nicht wirklich vorstellbaren Ausmaßes. Derzeit obsiegen Hysterie und Propaganda, explodieren Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Sippenhaft, überschlägt sich der Westen mit Betroffenheits- und Solidaritätsbekundungen auf allen on- und offline Kanälen, haben die politisch Verantwortlichen offenbar jegliches Jota Vernunft verloren. Geistige Tiefflieger fordern eine No-Fly-Zone über der Ukraine und warten schon darauf, dass der Rote Knopf gedrückt wird, damit endlich WW III losgeht. Und sogar ausgemachte Linke legen ein Verhalten an den Tag wie 1914 die SPD bei ihrer Zustimmung zu den Kriegskrediten des deutschen Kaiserreichs. Apokalyptische Zeiten. Barbarisch waren sie schon immer.

Um die USA und ihre heutige Politik nach Innen wie nach Außen zu verstehen, muss man in die Geschichte zurückgehen. Eines der besten deutschsprachigen Bücher dazu ist DER MOLOCH von Karlheinz Deschner, das ich anderer Stelle bereits empfohlen habe. Ergänzend sei auch noch einmal der großartige Roman DIE WEIßE ROSE von B. Traven als Lesemuss genannt.

Wie der schändliche US-Imperialismus, der uns im Westen seit 1949 als Dauermission für Frieden, Freiheit und Menschenrechte eingebimst wurde, ab Ende des 19. Jahrhunderts seinen Lauf nahm, erzählt auf besonders eindringliche Weise das kürzlich erschienene, phantastische Buch GANGSTERS OF CAPITALISM – Smedley Butler, the Marines and the Making and Breaking of America’s Empire von Jonathan M. Katz. In dem der Autor das Leben von Smedley D. Butler (1881 – 1940) sowie die Militäreinsätze und Kriege an denen der US-Marine beteiligt war nachzeichnet und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart in den betroffenen Ländern und auf das US-Imperium selbst schildert.

Die sechs Aussagen sind Katz‘ Quellen entnomme Zitate und wurden von mir ins Deutsche übertragen:

Von der absoluten Notwendigkeit einer Fortführung der Expansion der USA über die Grenzen des Kontinents hinaus . . .

1893 präsentierte der Historiker Frederick Jackson Turner eine Theorie, um sowohl den erstaunlichen Wohlstand der USA nach dem Bürgerkrieg als auch das wachsende Gefühl der Unruhe zu erklären. Eine wirtschaftliche Depression drohte: Bergarbeiter, Eisenbahner und Fabrikarbeiter streikten für bessere Löhne und wurden dafür von der Polizei, privaten Sicherheitsdiensten und der Nationalgarde mit tödlicher Gewalt niedergemetzelt. Viele Arbeiter wandten sich dem Sozialismus oder dem Anarchismus zu, die in Obrigkeitsdenken und Klassengesellschaft die Ursache für ihr Leid sahen.

Turners These war für die herrschende Elite der USA attraktiver. Jahrhundertelang, so stellte er fest, wären die Amerikaner auf der Suche nach dem gewesen, was er freies Land nannte, und über eine sich ständig verschiebende Grenze gen Westen geströmt. Turner meinte, dass diese Grenze, der Treffpunkt zwischen Wildheit und Zivilisation, ein magischer Jungbrunnen sei, der einen US-amerikanischen Nationalcharakter aus freiem Unternehmertum, Streben nach Unabhängigkeit und Individualismus geschaffen habe. 1892 jedoch hatte der Superintendent der US-Volkszählung verkündet, weiße Siedler hätten inzwischen so viel Land in Nordamerika beansprucht, dass man kaum noch von einer Grenze sprechen könne.

Die Schlussfolgerungen der Grenzlandthese waren alarmierend: Wenn genau dieses Grenzland Amerika groß gemacht hatte, dann bedeutete sein Verschwinden den Untergang. Ein Ende der Expansion würde nicht nur heißen, es gäbe immer weniger Ressourcen zu fördern, immer weniger indianisches Land zu stehlen, damit zu spekulieren und es zu bebauen, nein, es würde das Ende des amerikanischen Kapitalismus selbst bedeuten.

Über den Segen der Kriegsdividende . . .

Der US-Senator John Thurston argumentierte 1898 als Rechtfertigung eines Krieges gegen Spanien, um Kuba und sein Volk zu befreien, dass sich ein Waffengang buchstäblich bezahlt machen würde: „Der Krieg mit Spanien wird das Geschäft und die Einnahmen jeder amerikanischen Eisenbahngesellschaft steigern. Er wird die Produktion jeder amerikanischen Fabrik erhöhen, er wird jeden Industriezweig und den einheimischen Handel stimulieren, er wird die Nachfrage nach amerikanischen Arbeitskräften stark erhöhen und am Ende wird jede Aktie eines amerikanischen Unternehmens mehr Geld wert sein als heute.“

Orgiastischer Traum der Apokalyptiker in den Regierungsbunkern?

Der blanke Rassismus der angehenden Imperialisten . . .

Senator Benjamin Tillman, ein einäugiger „Südstaatler“, der als Gouverneur von South Carolina einem Anstieg der Lynchmorde vorstand und zur Ausrottung aller Schwarzen aufgerufen hatte, die sich nicht einer weißen Herrschaft unterwerfen wollten, warnte eine Annexion der Philippinen hätte zur Folge: „Dass weitere anderthalb Millionen Neger, zehn Millionen Malaien, Negritos, Japaner und Chinesen, ganz zu schweigen von den Hunderttausenden von Mischlingen spanischen Blutes den USA beitreten würden.“

Die Vorherrschaft der weißen Rasse zementieren . . .

Diesen Befürchtungen stellte der „Nordstaatler“ Senator Albert J. Beveridge aus Indiana, ein enger Verbündeter Theodore Roosevelts, 1898, vier Tage vor dem US-Angriff auf die Bucht von Manila, in einer Rede vor einem Bostoner Republikaner-Club entgegen: „Die Philippinen sind logischerweise unser erstes Ziel, und wenn das als Teil des unendlichen Plans des Allmächtigen bedeut, dass die entarteten Zivilisationen und minderen Rassen einer höheren Zivilisation edler und männlicherer Menschentypen weichen müssen, dann ist es eben so.“

Schließlich die Reinheit als Ergebnis von Mühsal und Kampf . . .

Der zukünftige US-Präsident Theodore Roosevelt hatte im April 1899 in einem republikanischen Club in Chicago, in dem nur Männer zugelassen waren, die Potenz des Krieges gepriesen. Vor US-Flaggen aus den Schlachten in Gettysburg und San Juan Hill stehend, predigte er die Doktrin von einem Leben im Kampf. Ein Aufruf an Männer und Jungen, jene virilen Qualitäten an den Tag zu legen, die für den Sieg notwendig seien. Roosevelt lobte die britische Herrschaft über Indien und Ägypten, die Generationen von Männern herangebildet habe. Ein gesunder Staat hänge von festen Geschlechterrollen ab: „Wenn Männer die Arbeit oder den gerechten Krieg fürchten, wenn Frauen die Mutterschaft fürchten, stehen sie am Rande des Untergangs; und es ist gut, dass sie von der Erde verschwinden.”

Das Ziel ist die Herrschaft über die Welt . . .

Rough Rider Theodore tönte weiter: „Das zwanzigste Jahrhundert steht groß vor uns und mit ihm das Schicksal vieler Völker. Wenn wir tatenlos zusehen, wenn wir aus fauler Bequemlichkeit einen ehrlosen Frieden anstreben, wenn wir vor den harten Kämpfen zurückschrecken, in denen Männer unter Einsatz ihres Lebens und allem, was ihnen lieb und teuer ist, siegen müssen, dann werden die kühneren und stärkeren Völker an uns vorbeiziehen und die Herrschaft über die Welt für sich entscheiden.“

Die Brutstätte des Bösen

Und die brutale Wahrheit über den US-Imperialismus . . .

Schildert der Generalmajor Smedley Butler in einem 1935 im sozialistischen Magazin Common Sense erschienen Artikel:

„Ich war 33 Jahre und vier Monate im aktiven Militärdienst und die meiste Zeit davon als hochkarätiger Vollstrecker für das Big Business, für die Wall Street und die Banker im Einsatz. Kurz gesagt, ich war ein Verbrecher, ein Gangster für den Kapitalismus. Ich habe dazu beigetragen, Mexiko und insbesondere Tampico 1914 für die amerikanischen Ölinteressen sicher zu machen. Ich habe dazu beigetragen, aus Haiti und Kuba anständige Orte zu machen, an denen die Jungs von der National City Bank ihre Einnahmen einstreichen können. Ich half bei der Vergewaltigung eines halben Dutzend mittelamerikanischer Republiken zugunsten der Wall Street. … Ich half in den Jahren 1909 – 12 bei der Säuberung Nicaraguas für das internationale Bankhaus Brown Brothers. Für die amerikanischen Zuckerinteressen brachte ich 1916 Licht in die Dominikanische Republik. Ich half 1903 dabei, in Honduras für die amerikanischen Fruitcompanys aufzuräumen. In China sorgte ich 1927 dafür, dass Standard Oil unbehelligt seinen Weg gehen konnte. In all diesen Jahren macht ich, wie die Männer in den Hinterzimmern sagen würden, einen prima Job. Dafür wurde ich mit Ehrungen, Medaillen und Beförderungen überhäuft. Zurückblickend habe ich das Gefühl, ich hätte Al Capone ein paar Tipps geben haben können. Er schaffte es nur, in drei Stadtteilen zu operieren. Wir Marines operierten auf drei Kontinenten.“

ANMERKUNGEN

Die obigen Aussagen der US-Politiker unterscheiden sich nicht von denjenigen, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts in den Hauptstädten europäischer Mächte getroffen wurden. Damals befand sich Großbritannien auf dem Höhepunkt seiner imperialen Größe. Spätestens mit der Konferenz von Berlin 1884-85, wo die Europäer den afrikanischen Kontinent untereinander aufteilten, war der kapitalistische Imperialismus gepaart mit überbordendem Nationalismus, die alles dominierende Doktrin. Neben den alten Kolonialmächten Großbritannien, Portugal, Spanien, Frankreich, Niederlande mischten nun auch Belgien, die lt. Wilhelm II aufstrebende Weltmacht Deutschland, Italien sowie in Fernost Japan mit.

Der 1. Weltkrieg bedeutete für seinen großen Verlierer Deutschland den sofortigen Verlust der Kolonien in Afrika und im Pazifik. Für die anderen europäischen Mächte bildete the war to end all wars den Anfang vom Ende ihrer kolonialen Herrlichkeit. Nach dem 2. Weltkrieg, der in vielen Kolonien die Unabhängigkeitsbestrebungen verstärkte bzw. auslöste, wurden von den späten 1940er Jahren bis Mitte der 1970er Jahre nahzu alle Kolonien formell in die Freiheit entlassen. Doch die neue Selbständigkeit war eine Illusion, denn der Imperialismus veränderte lediglich sein Erscheinungsbild. Die ehemaligen Kolonialherren sicherten sich die wirtschaftliche Kontrolle über die neuen Staaten. Renitente demokratisch gewählte Politiker, die naiverweise auf nationale Souveränität beharrten oder gar nach Moskau schielten, wurden kurzerhand entsorgt und durch systemgenehme Diktatoren ersetzt.

Um den Schein zu wahren, verfeinerte der Westen seine Methoden. Seitdem läuft die Ausbeutung weitestgehend nach dem US-Kolonialmodell (Stichworte: freier Handel, Globalisierung, Economic Hitman) über die Großkonzerne und Banken sowie die internationalen Wirtschaftsorganisationen wie WTO, IMF und Weltbank, als deren militärischer Arm sich die USA und ihre NATO-Blockflöten verstehen. Die Vordenker der völligen Vereinahmung allen Lebens auf der Erde fläzen sich alljährlich in Davos beim World Economc Forum auf den Podien, um ihren anmaßenden Allmachts- und Kontrollwahn in scheinbar rationalen Diskursen abzusondern (Stichwort: The Great Reset). In diesem perversen, engvernetzten System sind wir Deutschen und die anderen europäischen Ex-Mächte üble Mittäter und Nutznießer. Dabeisein ist Trumpf. Hauptsache das Geschäft floriert.

Allerdings drängt mit den Chinesen unbeirrt ein großer Rivale des Westens nach vorn. Die Think-Tank-Strategen in Washington haben dies schon lange erkannt. The Pivot to Asia, um China zu kontrollieren, wurde bereits unter Obama eingeleitet. Seine hemdsärmeligen Versuche mit TPP und TTIP Partner in Handelsverträge zu locken, die internationale und nationale Rechtsprechung aushebeln wollten, misslangen. Sofort suchten die kriminellen Strategen nach neuen Möglichkeiten, ihre Vormacht und damit ihre Pfründe zu sichern. Noch befinden sich die Schlachtfelder dieses Krieges überwiegend in Afrika und im Mittleren Osten. Nun aber ist mit der Ukraine der erste heiße Konflikt des 21. Jahrhunderts auf europäischem Boden entbrannt.

Die jüngste Großtat der arroganten Weltmacht ist die Isolation Russlands durch ultraharte Sanktionen, womit genau das eingetreten ist, was die Marionette Alzheimer-Joe und seine war addicted neo-con Puppenmeister beabsichtigten: Moskau und Peking nähern sich immer mehr an. Bald kann die mächtigste Militärmaschinerie des Globus‘ Krieg an zwei Fronten führen. Prima Strategie, die hat bekanntlich schon beim Gröfaz voll funktioniert. Obwohl die Europäer noch zögern, den russischen Öl- und Gashahn abzudrehen, liegt Russlands neue Absatzmarkt nun im Reich der Mitte. Ohne das Okay der Chinesen, hätte Putin wohl kaum seine Militäraktion in der Ukraine begonnen. Und Washington? Die Ölstrategen kratzen angeblich in Venzuela und beim Iran an den Toren, um den nahezu wegsanktionierten Energielieferanten zu ersetzen. Dafür würden sie auch die gegen diese beiden Staaten verhängten Sanktionen aussetzen oder gar aufheben und im Falle Irans sogar zu dem von Trump aufgekündigten Nuklearabkommen zurückkehren. Zumindest solange man ihren schwarzen Stoff braucht.

Ob die bis dato als Dreigestirn des Bösen geschmähten (bei dessen dritten Mitglied Nordkorea allerdings nichts zu holen ist) wirklich den verhassten Obermaxe mit Erdöl beliefern, gilt abzuwarten. Man soll die Hoffnung bekanntlich nie aufgeben. Und noch etwas Unerfreuliches: Fracking ist in Großbritannien nun wieder im Gespräch. Irgendwie muss dem steigenden Ölpreis schließlich Paroli geboten werden. Die großen Verlierer der idiotischen Strategiespiele der degenerierten Reigning Psychopaths des Westens sind damit ausgemacht: die restliche Welt. Die Klimaaufheizung ist kein Thema mehr. Gott sei Dank, hört man die Öl- und Waffenindustrie aufatmen, Krieg ist schließlich viel wichtiger.

GANGSTERS OF CAPITALISM von Jonathan M. Katz ist ein grandioses Buch. Unbedingt lesen.

LINK zur Homepage des Autors: https://jonathanmkatz.com/

LINK: Smedley D. Butlers WAR IS A RACKET als Hörbuch im Englischen Original . . .

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