Die Selbstbeweihräucherung des Imperiums jeden „Fourth of July“ geht mir angesichts der kriminellen Historie dieses freien und demokratischen Gutmenschenstaates gehörig am Arsch vorbei. Zur Unfeier des Tages ein Kapitel aus DESPERADO, das sich mit den Folgen der globalen Kriegspolitik der Hirntoten in dem moskitoverseuchten Pissnest DC auseinandersetzt:
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In Bradford in West-Yorkshire, im Norden Englands, betrieb Richard Levin ein kleines Geschäft für ausgesuchte Jagdwaffen. Seine Kundschaft war großzügig und treu. Er hatte sein Auskommen. Doch er wollte mehr. Er studierte den Markt, knüpfte Kontakte und entwarf einen Businessplan. Er warb einen Investor und eröffnete ein Geschäftskonto in Liechtenstein. Auf Marketing und Öffentlichkeitsarbeit verzichtete er bewusst, besuchte stattdessen Fachmessen, wie die Counter-Terror-Expo in London, die ALMEX in Tirana, Albanien, oder die HEMUS in Plovdiv, Bulgarien. Seine neue Kundschaft fand er im Südsudan, seine neuen Lieferanten in China und Bulgarien. Levin kaufte eintausendzweihundert vollautomatische Gewehre, eine Million Schuss Munition, einhundert Raketenwerfer und zweitausend Granaten. Sechs Tonnen schwer, beinahe eine Million Dollar wert, versandfähig verstaut in einem 40-Fuß-Container. Das Kriegsgerät wurde als technisches Gerät für die Landwirtschaft deklariert, ordnungsgemäß verbrieft und versiegelt, und nach Mombasa eingeschifft. Von dort aus würde ein Transportflugzeug die Ware zum Zielort in die Nähe von Juba bringen. Bei seinem ersten internationalen Waffengeschäft machte Richard Levin alles richtig. Er überprüfte im Vorfeld diskret Kunden und Lieferanten, durchleuchtete die Logistik und die involvierten Transportfirmen. Er schmierte den kenianischen Zoll und warb vier erfahrene Private Military Contractors als Geleitschutz an. Letztere wurden ihm zum Verhängnis.
Der Container erreichte Mombasas Kilindini-Hafen am späten Nachmittag. Nach reibungsloser Abfertigung auf einen Sattelschlepper verladen, legte er die neun Kilometer bis zum Moi International Airport in Begleitung von vier Männern, drei Weißen und einem Schwarzen, mit Crewcuts und Wrap-around-Sonnenbrillen in rund dreißig Minuten zurück. Die Männer trugen Jeans, dazu weite, kurzärmlige Hemden und, darunter verborgen, 9-mm-Pistolen. Ihre restliche Ausrüstung lag bereits im Sicherheitsbereich des Flughafens.
Levin hielt sich seit beinahe einer Woche in Kenia auf, und er war äußerst nervös. Das Schiff hatte drei Tage Verspätung. Seine Kunden warteten ungeduldig auf ihre längst bezahlte Ware, die nun ebenfalls im Sicherheitsbereich des Flughafens eintraf. In einer Stunde würde die für den Weitertransport nach Juba gecharterte Hercules C-130 landen, anschließend betankt und beladen werden. Der Abflug sollte bei Tagesanbruch erfolgen. Levin konnte sich also entspannen.
Als Burget den Sicherheitsbereich betrat, sah er siebzig etikettierte und versiegelte Holzkisten auf einer Handvoll Paletten und vier Männer in Jeans und kurzärmligen Hemden. Seinen Auftraggeber sah er nicht.
„Startklar, Flieger?“, sagte einer der Männer und stand auf. Hager, leuchtend blaue Augen, tiefbraune Haut. Er ging Burget entgegen, präsentierte dabei zwei glänzende Zahnreihen, die ihn mindestens zwanzigtausend Dollar gekostet haben mussten. Ein Lächeln oder der Versuch, mit dem Rolls-Royce unter den Zahnimplantaten Eindruck zu schinden? Beides, entschied Burget.
„Siehst gut aus, Hunter“, sagte er, als sie sich per Handschlag begrüßten, „wo ist Levin?“
„Mister Levin musste sich hinlegen“, sagte Hunter, das Mister betonend, und zwinkerte Burget zu, „das Klima, vielleicht auch der viele Chang’aa.“
Chang’aa war kenianischer Selbstgebrannter aus Mais, Hirse, Bananen und was sonst noch. Die meisten Ausländer rührten das Zeug nicht an. Burget wurde misstrauisch.
Er kannte Hunter aus Dubai. Damals war der noch US-Soldat, hatte eine Woche Urlaub und verkündete lautstark, sie mit Saufen und Vögeln verbringen zu wollen. Was er teilweise auch tat. Die meiste Zeit aber widmete er sich dreckigen Geschäften. Als die Marines ihm beibrachten, auf unzählige Arten Menschen zu töten, entdeckte Hunter sein besonderes Talent: Er war ein perfekter Scharfschütze. Kurz darauf lieferten fünfzehn Saudis, zwei Araber aus den Emiraten, ein Ägypter und ein Libanese, US-Präsidenten und US-Corporations den herbeigesehnten Vorwand, sich selbst und das amerikanische Volk mit einem unvermeidbaren Krieg zu beschenken. Sergeant Hunter durfte sein besonderes Talent ungehindert ausleben, zunächst in Afghanistan und später im Irak. Schnell durchschaute er den Unterschied zwischen Realität und Propaganda, kapierte, für was und wen er seiner Meinung nach wirklich tötete: für den Profit der anderen. Demokratie, Freiheit und Menschenrechte waren nichts als Werbeslogans einer äußerst widerwillig junge Männer und Frauen in den Krieg schickenden Riege tief bekümmerter Friedensengel in Washington, DC.
Hunter fühlte sich persönlich beleidigt, weil man seine Intelligenz unterschätzte, vor allem aber fühlte er sich entschieden unterbezahlt. Wo blieb sein Profit? Patrioten, die sich schicken ließen, waren Idioten. Er quittierte den Dienst, wurde Freiberufler und rekrutierte Gleichgesinnte. Talentgemäß spezialisierten sie sich auf Auftragsmorde und firmierten inoffiziell als The Kill-Team. Die Kunden standen Schlange: Drogenschmuggler, Waffenschieber, Menschenhändler, mindestens ein börsennotiertes Unternehmen sowie die Geheimdienste von zwei, wenn nicht drei nordafrikanischen Staaten. Ihre letzte Kommandoaktion ging allerdings schief. Das Kill-Team verlor dramatisch an Marktwert und musste ohne Bezahlung untertauchen. Acht lange Monate schoben die Männer mies entlohnt und missmutig auf Ölfeldern im Südsudan Wache, bis sie dem ambitionierten Jagdwaffenhändler aus Bradford bei Leeds als idealer Geleitschutz nahegelegt wurden.
In diesem Moment erhoben sich die drei anderen. Stillman war ein fünfzigjähriger Rhodesier, ihn hatte Burget einmal in Dschibuti gesehen. Ein alter Mercenary, der sich seit über dreißig Jahren auf dem ganzen Kontinent herumtrieb, an diversen Befreiungskriegen und Umsturzversuchen teilgenommen hatte, dabei Rebellen bekämpfte oder Rebellen ausbildete. Immer abhängig davon, wer ihn gerade bezahlte. Zuletzt hieß es, er bewache Diamantenminen in Botswana. Die beiden jüngeren Männer kannte Burget nicht. Angeblich zwei ehemalige Fallschirmjäger der Bundeswehr. Sie mochten um die dreißig sein, hatten tätowierte Pumperarme und sprachen englisch mit hartem, deutschen Akzent. Der kleinere hieß David, war blond und stammte aus Nürnberg. Der größere nannte sich Kimba, war schwarz und als Sohn nigerianischer Eltern in Düsseldorf aufgewachsen.
Soldiers of Fortune, Bezahlkrieger, Desperados wie Burget. Das war nicht romantisch. Das war scheiße . . .