GLÜCKLICHMACHER – die Leiden eines Heiratsschwindlers 1

Um vollends seine Freiheit wiederzuerlangen, muss der notorische Heiratsschwindler BEAU SCHOLTES (46) eine äußerst kritische Bewährungsauflage erfüllen: eine Psychotherapie …

INNEN. GESPRÄCHSRAUM THERAPEUTIN – TAG

… aus der Unschärfe kristallisiert sich das Gesicht einer jungen Frau: Psychotherapeutin MIRIAM-LUISE WINTER (25).

MIRIAM-LUISE : Was hatte Sie dazu veranlasst, auf das Brückengeländer zu klettern?

CLOSE: Unser Beau. Er hat ein großes Pflaster seitlich am Kopf kleben. Er scheint die Antwort zu überlegen. Miriam-Luise blickt ihn freundlich auffordernd an.

BEAU: Die Aussicht?

Beide sitzen sich in bequemen Sesseln gegenüber. Auf einem Beistelltisch steht eine Kleenextücher-Box für eventuelle tränenreiche Momente. Miriam-Luise trägt Jeans und eine helle Bluse. Sie hat die Haare zum Pferdeschwanz gebunden und macht sich mit einem Bleistift Notizen in einem A-4 Ringheft. Beau hat eine alte Jeans und ein dunkles T-Shirt an. Er wirkt bleich und scheint sich unwohl zu fühlen, wie sein nervöses Spiel mit einer Visitenkarten schließen lässt.

Ganz NLP geschult signalisiert Miriam-Luise freundliche Aufmerksamkeit und ermuntert seine Antworten mit neugierigen Blicken.

BEAU: Weil, von oben sieht man besser. (beat) Es war gar nicht einfach mit der Flasche da hinaufzuklettern.

MIRIAM-LUISE: Mit einer Flasche?

BEAU: Die Sektmarke kann ich Ihnen allerdings nicht empfehlen. (beat) Eine Notlösung, es war kein Moet Chandon zur Hand, wissen Sie.

Miriam-Luise hält seinen verständnisheischenden Blick.

BEAU: Und dann noch die Sekttulpe. Zerbrechlich.

MIRIAM-LUISE: Sie wollten also etwas feiern?

BEAU: Die bestehen aus sehr feinem Glas.

MIRIAM-LUISE: Was wollten Sie da oben feiern?

BEAU (beat): Meine Freiheit.

Miriam-Luise vermutet, dass Beau lügt, obwohl er einigermaßen überzeugend klingt. Sie ändert ihr Vorgehen …

MIRIAM-LUISE: Ihre Freiheit?

Beau reagiert nicht.

MIRIAM-LUISE: Ihre Haftstrafe wurde nach 36 Monaten zur Bewährung ausgesetzt.

BEAU: Ja.

MIRIAM-LUISE: Unter ganz bestimmten Auflagen …

Beau meidet ihren Blick, macht eine kleine bestätigende Geste.

MIRIAM-LUISE: Wohnen im Übergangsheim, regelmäßig bei der Polizei melden … (beat) Aber darum sind Sie nicht hier …

Sie schaut ihn auffordernd an: Komm, sag mir warum …

BEAU: Ich, nein … Ich bin … wegen … der Therapie hier.

MIRIAM-LUISE: Eine Psychotherapie. Genau.

Beau wirkt auf einmal unruhiger.

MIRIAM-LUISE: Die Therapie ist wichtig für Ihre Zukunft. Aber sie ist mehr als das.

BEAU: Noch mehr als meine Zukunft … ?

MIRIAM-LUISE: Sie ist Ihre Chance, ein anderes, wirklich neues Leben zu führen.

Beau hat offenbar Schwierigkeiten, sich das vorzustellen.

MIRIAM-LUISE: Wäre das nicht großartig?

BEAU: Na ja.

MIRIAM-LUISE: Vorausgesetzt Sie haben die innere Bereitschaft, aktiv mitzumachen.

BEAU: Es ist ja meine Bewährungsauflage.

Miriam-Luise schaut ihn mit einem aufmunterndem Lächeln an.

MIRIAM-LUISE: Sie haben also diese Bereitschaft?

Beau zögert – signalisiert dann aber Zustimmung.

MIRIAM-LUISE: Das freut mich wirklich. Wie würden Sie Ihre Gefühle jetzt beschreiben?

BEAU (eher hilflos): Wie die aller anderen … ?

MIRIAM-LUISE: Meinen Sie damit ‘normal’?

BEAU: Normal. Ja, wenn Sie so wollen.

MIRIAM-LUISE: Was heißt für Sie denn normal, Herr Scholtes?

BEAU: Hmm? Kein Geld zu … na ja … Sie wissen schon.

MIRIAM-LUISE: Und was empfinden Sie dabei?

BEAU: Ich möchte mich besser fühlen.

MIRIAM-LUISE: Diese Empfindungen sind völlig normal. Ein gutes Signal. Der erste Lichtstreif am Horizont –

BEAU: Kündigt nicht die nukleare Katastrophe an?

MIRIAM-LUISE (beat): Nein.

BEAU: Das … ist irgendwie beruhigend.

MIRIAM-LUISE: Den Gedanken halten wir mal fest und sprechen morgen weiter. Ich gebe Ihnen noch etwas mit …

Sie steht auf und sucht in der obersten Schublade ihres Schreibtisches, kommt herum und reicht ihm eine Packung Tianeurax, 12,5 mg Tabletten.

MIRIAM-LUISE (setzt sich wieder): Davon nehmen Sie bitte dreimal täglich eine vor den Mahlzeiten.

Beau schaut sie ausdruckslos an.

MIRIAM-LUISE: Soll ich es besser aufschreiben?

BEAU: Dreimal täglich eine Tablette vor den Mahlzeiten.

Auf dem Beistelltisch liegt Marie-Luises Smartphone. Mit einem PING erscheint das Bild einer exklusiven roten Handtasche auf dem Monitor. Sofort greift sie zum Smartphone, verbirgt das Bild.

Beau hat das Bild und die hektische Reaktion seiner Therapeutin aufmerksam registriert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert