Nachdem ich mich aus reiner Höflichkeit der drei Stunden währenden unsäglichen Folter von GUARDIANS OF THE GALAXY II in 3-D aussetzen musste, überlegte ich spontan entweder a) eine Ausradierbombe zu entwickeln, die sämtliche Superhelden-Filme, -Comics und -Bücher dieses Planeten für immer vernichtet; b) meine Badekappe über die Augen zu ziehen und mit dem zahmen Eichhörnchen meines Nachbarn ein Superhelden-Team zu gründen; oder c) am 24-Stunden Komasaufen von Jönköping teilzunehmen.
In Vorbereitung auf b) machte ich mir über mein zukünftiges Doppelleben als Superheld Gedanken. (N.B. Das Eichhörnchen favorisierte Komasaufen in Jönköping.) Nach reichlich Hirnstürmen nun im Superheldentempo 15 Thesen:
1
Superhelden stellen eine pubertäre Flucht in eine Allmachtsphantasie dar, die tief empfundenen Gefühlen von Verunsicherung und Minderwertigkeit, Schwäche und Demütigung entspringt.
2
Der wirkliche Aufstieg der Superhelden begann in den frühen 1960er Jahren, als die Jugendkultur Fahrt aufnahm und man anfing, das Marktpotential von Teenagern systematisch zu erschließen.
3
Superhelden erhielten eine „Achillesferse“, d.h. Schwächen sowie menschliche Sorgen und Nöte verpasst, um sie ihrem Publikum ähnlicher zu machen.
4
Superhelden sind milliardenschwere Geschäftsmodelle großer Entertainment-Konzerne, die diese pubertären Phantasien als Dollarkackmaschinen für ein infantilisiertes Publikum endlos perpetuieren.
5
Superhelden sind zutiefst reaktionär und zementieren den Status quo. Ihre Aufopferungsideologie dient keiner Verbesserung der Gesellschaft, sondern der Aufrechterhaltung des vorherrschenden Systems. Daran ändert auch das Aufbrechen der Geschlechterrollen sowie die neue Vielfalt ihrer Hautfarben und plötzliche Offenheit bei ihren sexuellen Orientierungen nichts. Die vermeintliche Inklusion beweist nur die Vereinnahmung progressiver gesellschaftlicher Entwicklungen durch das System.
6
Superhelden „retten“ die Welt fast ausschließlich mit martialischer Gewalt. Sie befinden sich wie die USA ewig im Krieg.
7
Der Charakter des „Ironman“ verkörpert reine Ideologie. Er ist die Verherrlichung eines Oligarchen und zugleich die „Vermenschlichung“ der Waffenindustrie. Ein „Genie“, das seine Superkräfte aus seiner allen überlegenen Waffentechnologie bezieht. In ihm feiert der Ritter des Mittelalters seine Wiederkehr als amerikanischer Eisenkrieger der Post-Moderne, der unsere schutzlose Welt vor tödlichen Gefahren retten muss.
8
Superhelden sind absolut hirnlos. Die Frage, warum überhaupt unsere „freie, demokratische Welt“ von allen Seiten „ständig existenziell bedroht“ ist, stellen sie sich selbstverständlich nie.
9
Superhelden bedienen die Sehnsucht nach Erlöser-Phantasien einer ohnmächtigen, verstörten Gesellschaft im Niedergang. Sie sind „faschistoide” Albträume in der Endlosschleife.
10
Superhelden sind gar keine Helden. Wer nicht sterben kann, der riskiert schließlich nichts. Ihr Mythos ist eine Lüge.
11
Helden müssen stets über sich hinauswachsen, ihre menschlichen Schwächen überwinden, um sich für ein höheres Gut zu opfern.
12
Helden müssen immer sterben. Erst ihr Tod macht sie zu Helden und damit unsterblich.
13
Helden gehören niemals sich selbst, schon gar nicht im Tod. Sie „existieren“ nur in den Augen der Anderen und lassen sich prima im Sinne der Mächtigen mythologisieren (d.h. zu ideologischen Zwecken missbrauchen).
14
Wer seine Heldentat überlebt, hat wirklich Pech gehabt.
15
Echte Helden liefern heute dem Streamingpublikum Pizzamist und Burgerscheiß frei Haus.
Angesichts soviel ernüchternder Erkenntnis blieb mit keine andere Wahl, als mit dem Eichörnchen nach Jönköping zu trampen.
He,es gibt Aussagen aus der LBgt-Gemeinde,das die Superhelden hilfreich waren,
Selbstbewusstsein zuentwickeln ,speziell in engen sozialen Räumlichkeiten,
-zu wissen das es auch andere gibt ,die anders sind…
Da kann ich nicht so mitreden,bin mit Zack,Primo und später Kowaski aufgewachsen…
Peter Parker,Leutnant Blueberry,Comanche, ÜBERMENSCH Trigan,Gentleman GmbH,rick Masters waren meine Helden…
Bestimmt hat Peter Parker als Spider Man vielen Teenagern durch die Pubertät geholfen. Es steht außer Frage, dass fiktionale Geschichten, und gerade die von übermenschlichen Kräften und Unverwundbarkeit, in einer bestimmen Lebensphase oder in besonderen Lebensumständen stimulieren und ermutigen. Meine Kritik gilt der ideologischen Vereinahmung der Superhelden durch das System (vor allem die gegenwärtige Disney-Konzernstrategie). Das ging mit Sgt. Rock und Superhelden, die im Vietnam-Krieg auf der guten amerikanischen Seite kämpften los – aber wenn du willst bereits schon im 2. Weltkrieg, wo neben Superman auch Donald Duck gegen die Nazis und die Japaner antraten. Alan Moore hat zum Thema Superhelden etwas sehr Richtiges gesagt: “Ich finde, Comics für Teenager sollten im Erwachsenenalter nicht mehr die vorherrschende Lektüre und Entertainmentform sein.” – Meine Comic-Sozialisation bestand überwiegend aus Goscinny, Asterix und Lucky Luke, dazu Franquin, Gaston. Superhelden fand ich, nach einer kurzen Batman-Phase schon als Kind eher langweilig.