Ein alternder Trickbetrüger hadert mit sich und der Welt . . .
Inzwischen hatte Fredi Kupfer ein gespaltenes Verhältnis zu Fortuna. Er kapierte ja noch, dass sie launisch war wie alle Frauen, aber dass sie ihn konsequent ignorierte, trotz der Opferkerzen, die er ihr nahezu täglich in der Kathedrale Santa Maria in Palma spendierte, kapierte er nicht.
Über dreihundertsechzig mussten es inzwischen sein – mindestens. Vielleicht sollte er statt einer Kerze gleich die ganze Kirche anzünden? Oder es mal mit Beten versuchen? Oder Beichten? Oder dem Priester einen Blasen? … Vielleicht hätte er auch einfach die Kiste mit den Opferkerzen nicht klauen sollen, deren Vorrat ausgerechnet jetzt zuneige ging, wo er dringend ein bisschen Baraka benötigte.
Seiner Meinung nach, hatte Fredi Kupfer allen Grund mit Fortuna zu hadern, er war schließlich das, was die US-Amerikaner gemeinhin einen confidence man nennen. Eine Berufsbezeichnung, die Vertrauen und Vertraulichkeit ausstrahlt (wie technisch klingt dagegen doch Trickbetrüger, in unserer Ingenieurssprache, die Worte zusammendübelt wie Heimwerker Rigipswände). Vertrauen gibt Zuversicht. Zuversicht war Fredi Kupfers Kapital und nichts gab ihm mehr Zuversicht als etwas Glück.
Womit Fortuna wieder im Spiel wäre.
Denn es war Dezember, windig und regnerisch, und die meisten Hotels waren geschlossen. Außerhalb der Saison verirrten sich höchstens rollatorschubsende Rentner nach Mallorca oder hemmungslos verliebte Pärchen oder Familien mit kleinen Kindern. Doch dann bemerkte Fredi Kupfer eine Gruppe Männer zwischen vierzig und fünfzig Jahren, rotgesichtig, dickbäuchig und bierselig.
Kegelbrüder, jede Wette. Genau die Sorte, die förmlich um finanzielle Erleichterung bettelte. Genau die Sorte für Fredi Kupfer.
Sollte sein Glück etwa zurückgekehrt sein?
Er ließ sich zum Bier einladen. Gab selbst zwei, drei Runden aus und dann würfelten sie um Geld. Die Männer waren tatsächlich Kegelbrüder. Die Wette hatte er gewonnen. Es lief gut an.
„Wie heißt ihr?”
„Acht ums Vorderholz”, sagte einer.
„Wir sind der PKSV aus Dölmen”, sagte ein anderer.
„PKSV?”
„Polizeikegelsportverein.”
„Noch nie gehört?”
Fredi Kupfer hätte beinahe sein Bier verschluckt. Das waren alles Bullen.
„Kennste nich?”
„Kennter nich.”
Ab diesem Moment dachte Fredi Kupfer über eine Exit-Strategie nach.
Die Polizeikegler kamen von selbst auf die verschärfte Gangart. Ein Dicker, dessen T-Shirt „Besser als eine Ehefrau” versprach und damit ein Laufhaus-Bordell empfahl, demonstrierte wie das alte Zockerspiel Knacken funktionierte. Schnell schloss man immer höhere Wetten ab. Bald ging es um richtig viel Geld.
Fredi Kupfer agierte vorsichtig. Er gewann ein bisschen und er verlor etwas. Dann und wann setzte er aus, um mit hohen Einsätzen zurückzukommen. Boomerang-Methode nannte er das. Nach zwei Stunden lag er vorn.
Es dauerte dann noch eine beachtliche Zeit, bis die Jungs was rochen. Dabei waren einige bei der Kripo im Betrugsdezernat, die anderen waren bei der Verkehrspolizei, ein oder zwei hatten mit Diebstahl und Einbruch zu tun und einer sogar mit Mord. Der Kerl war der jovialste von allen, er riss die ganze Zeit Witze, über die er selbst am lautesten lachte.
Und er ließ Fredi Kupfer nicht aus den Augen.
Fredi Kupfer kündigte an, dass er Pinkeln müsste und verschwand auf die Toilette. Der Mordermittler folgte und strullte unmittelbar neben ihm in die Blechrinne.
Kaum hatte der Fettsack abgetropft und den Reissverschluss hochgezogen, packte er Fredi Kupfer im Nacken, presste ihn gegen die Wand und tastete ihn ab.
„Wo hast du die gezinkten Würfel?”
Fredi Kupfer beteuerte keine Würfel bei sich zu haben. Was auch stimmte, er hatte sie im Flur in einem Pflanzenkübel versteckt.
Der Kerl ließ ihn los. „Gib mir das Geld.”
Das war es also. Vor ihm stand ein schlechter Verlierer. Der Mordermittler wollte ihn ausnehmen, nachdem er ihn nicht abzocken konnte. Fredi Kupfer holte eine Handvoll Scheine aus seiner Sakkotasche. Er reichte sie dem Kerl und kickte ihm, als dieser zugriff, in die Eier. Kaum knickte der Fettsack ein, rammte er ihm das Knie ins Gesicht.
Fredi Kupfer klaubte seine Scheine vom Boden, stieß die Tür zur Toilette auf und . . .
Draußen empfingen ihn die anderen Polizeikegler. Die Würfel waren gefallen.
Sechs Wochen später schaffte Fredi Kupfer es zum ersten Mal wieder, ohne fremde Hilfe eine Opferkerze in der Kathedrale Santa Maria anzuzünden. Diesmal hatte er ein paar Straßenkinder angeheuert, um den Karton mit Opferkerzen in dem Geschäft für Kirchenbedarf zu klauen. Er hoffte, Fortuna würde es ihm nachsehen. Zählte Treue etwa nichts?
„Na komm, Glücksgöttin, ich hab dich doch auch lieb.”