Alle Jahre wieder kommen die Märchentanten und -onkels zur MSC zusammen und verzapfen ihren Stuss von Dialog und Zusammenarbeit um des lieben Friedens willen. Erzielt wird das Gegenteil. Der Unfriede in der Welt nimmt zu. Ein Widerspruch? Mitnichten . . .
Denn unter dem lieben Frieden verstehen die wichtigsten Teilnehmer der Münchner Sicherheitskonferenz, und das ist nicht einmal polemisch formuliert, einen Frieden zu ihren Bedingungen: Den Bedingungen des global herrschenden Wirtschaftssystems, dessen Verteidigung die NATO sich auf ihre Flagge gesprüht hat.
Die große Vision des „Bündnisses“ lautet platt ausgedrückt eine weltweite Pax Transatlantika.
(N.B. Ist darum NATO-Verkaufsleiter Stoltenberg just in Kolumbien gewesen? Bahnt sich ein Showdown mit Venezuela an? Muss die Bundeswehr bald in Südamerika unsere nationale Sicherheit verteidigen? Abenteuerurlauber wie das KSK üben ja bereits seit Jahren im benachbarten Belize oder so den Dschungelkampf. Hey, Freunde auf der Hardthöhe, damit habt ihr einen neuen Stoff für eine weitere jugendgefährdende Bundeswehr-Dokusoap auf Youtube: „Das lustige Treiben deutscher Elitehonks im Koksrausch“. Für die Idee will ich aber Prozente.)
Kurzhistorie der MSC
Die Münchner Laberrunde wurde 1963 vom ehemaligen Wehrmachtsoffizier (Oberleutnant) und Widerstandskämpfer (20. Juli) Ewald-Heinrich von Kleist ins Leben gerufen und trug zunächst den schönen Namen „Wehrkundetagung“.
Von Anbeginn an fest in konservativer Offiziershand, ist der Geist eines Ehemaligentreffens unschwer auszumachen. Es ging ja vor allem darum, wehrhaft der riesigen „Roten Gefahr“ zu trotzen. (Inzwischen ist die Rote Gefahr zur riesigen Russischen Gefahr mutiert.) Deshalb waren Pazifisten auch unerwünscht. („Die Grünen“ wurden, obwohl ab 1983 im Bundestag vertreten, zunächst nicht eingeladen. Mit dem ersten Angriffskrieg unter deutscher Beteiligung nach 1945 in Jugoslawien, erbombten Joschka Fischer und Konsorten sich allerdings ihr Teilnahmerecht.)
Seit Ende des Kalten Krieges firmiert man unter dem heutigen Etikett „Sicherheitskonferenz“, zu der dann demonstrativ die Russen hinzugebeten wurden, als die Amis den ehemaligen Bären noch schön am Nasenring führen konnten. (Für einen Moment herrschte bei einigen Fabulierern sogar die Vorstellung, die Russen könnten der NATO beitreten, womit dann unter weiser amerikanischer Führung ewiger Friede einkehren würde.)
Nach des Junkers Abgang, 1998 gab Ewald-Heinrich den eisernen Handschuh weiter, setzte zunächst der vormalige Kohl-Berater Hotte Telschik das „Werk“ im Geiste des Gründers fort. Zehn Jahre später übernahm der ehemalige AA-Mitarbeiter (Auswärtiges Amt nicht Anonyme Alkoholiker) Ischinger das Steuer.
Ansinnen und Inhalte
Ein Blick auf die Homepage zur gestern beendeten diesjährigen Ausgabe der MSC verrät, der Alzheimer-Josef hält das Münchner Schaulaufen „wie kein anderes für den Ort, an dem die europäischen Führer sich mit Ihresgleichen in der Welt austauschen“. Nach diesem vorauseilenden Lob wird das Auge auf weitere Artikel gelenkt, welche das Selbstverständnis und die wahre Mission offenbaren . . .
HORN OF DILEMMAS – Auf dem Weg zu einer transatlantischen To-Do Liste für das Horn von Afrika. Oder TURNING THE TIDE – Unlearning Helplessness. Der erstgenannte Beitrag zeigt auf, wie die NATO am Horn endlich Reinschiff machen kann, nachdem die Kriegspolitik der USA und ihrer Vasallen insbesondere im Irak, Libyen, Somalia und Jemen die beschissene Lage dort erst geschaffen hat. Im zweitgenannten geht es darum, die allgemeine Lähmung zu überwinden und endlich Ruhe in den Karton zu kriegen. Zynische Frage: Damit die dreckigen Waffengeschäfte in Frieden abgewickelt werden können?
Nochmal: Unter Normalität verstehen die meisten Teilnehmer, dass die westlichen Vorstellungen von Frieden und Zusammenarbeit gelten und das globale Restpack sich dem fügt (s.o. Pax Transatlantika).
LINK: Wer selber nachlesen will, hier geht’s zur Homepage der MSC . . .
https://securityconference.org/
Mir gefällt auch weiter unten auf der Seite die Präsentation von ZIEL, PUBLIKUM und FOKUS der Sicherheitskonferenz . . .
Das Ziel lautet, „offiziellen und inoffiziellen diplomatischen Initiativen und Ansätzen eine Plattform zu sein, um den drängendsten Sicherheitsrisiken der Welt zu begegnen“. Unter Publikum verstehen die Veranstalter die Sicherheitsinteressierten im Populus, „alle sollen an den Debatten teilhaben können“. Und der Fokus ist „ein umfassender Sicherheitsbegriff, in den wirtschaftliche, ökologische und menschliche Dimensionen einbezogen werden“.
Bei so viel Edelmut, Transparenz und austarierter Sorge ums Wohlbefinden kommen mir glatt die Tränen. Leider sprechen die aktuelle Weltlage und besonders der von der NATO aufgeschaukelte Konflikt mit Russland eine andere Sprache. Siehe dazu . . .
LINK: CLAQUEURE DES KRIEGES . . .
Brennende Themen
Wie erwartet konnten wir eine Wiederholung der üblichen Positionen und Drohungen in Richtung Moskau erleben und den Appell des ukrainischen Präsidenten, dass es an der Zeit wäre zu handeln. Folgende Themen und Fragen aber wurden aber auch dieses Jahr im Debattierclub sicher nicht oder nur am Rande erörtert (ohne besondere Reihenfolge, so wie sie mir spontan einfallen):
- Die wahren Ursachen des Palästinakonflikts.
- Die wahren Ursachen der „Ukraine-Krise“.
- Die Umsetzung des Minsk II Abkommens von 2015 zur Lösung der „Ukraine-Krise“.
- Die wahren Ursachen für die Migration in Mittelamerika.
- Die wahren Ursachen für die Krisen und die Migration auf dem afrikanischen Kontinent.
- Die harschen Sanktionen der USA gegen Afghanistan nach dem Rückzug letztes Jahr.
- Die Beendigung des weltweiten Rüstungswahns und die Reduktion der Militärausgaben.
- Die Neuverhandlung der ausgelaufenen Nuklearwaffenverträge zwischen der ehemaligen UdSSR, jetzt Russland und den USA.
- Die bedingungslose Rückkehr zu dem Nuklearabkommen mit dem Iran und die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran.
- Die Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba und Venezuela.
- Die Schaffung einer NATO unabhängigen globalen Sicherheitsordnung.
Selbst wenn eines oder mehrere der vorgenannten Themen in kleineren Diskussionsrunden tatsächlich besprochen worden sein sollte, ist das Grundproblem für den Stillstand in den Streitpunkten die og. festgefahrene westliche Position und besonders die . . .
Haupthürde Kapitalismus
Not und Unfriede in der Welt liegen zu einem sehr großen Teil in der vorherrschenden Wirtschaftsordnung begründet. Das sehen wir nicht nur bei der Vermögensverteilung und – anschauliches jüngeres Beispiel – bei der skandalösen Ungleichbehandlung von Industrienationen und Restländer bei der Herstellung und Verteilung der Corona-Impfstoffe (Stichwort: Patentschutz).
In diesem vom Westen bestimmten System sind und bleiben die Armen arm dran. (Ausnahmen wie Vietnam u.ä. bestätigen die Regel.)
Wer die „Entwicklungshilfe“ der Massenvernichtungswaffen Internationaler Währungsfond und Weltbank kennt, weiß, wie der Westen es versteht, seine ideologischen Ziele, die da lauten: Öffnung der Länder für westliche Unternehmen, Privatisierung des Staatseigentums (früher hieß das mal in der BRD, „das Tafelsilber veräußern“) sowie die Finanzialisierung aller Lebensbereiche, knapp formuliert, die neoliberale und nun zunehmend neofeudale Wirtschaftsordnung durchzusetzen.
Genau diese Wirtschaftsordnung aber ist für wirtschaftlich schwache Länder verhängnisvoll, wie mittlerweile jeder Klippschüler weiß. Sie bedeutet eine Erhöhung der Abhängigkeit durch ausufernde Staatsverschuldung und ist nichts anderes als Neo-Kolonialismus durch die Hintertür.
Euphemistische (Globalisierungs-)Marketingbegriffe der BWLer wie Marktausdehnung, -penetration und Geschäftsfelderweiterung, bezeichnen in Wirklichkeit die Ausbeutung natürlicher Ressourcen und der Arbeitskräfte in den armen Ländern. Ach ja, dafür gibt’s als Gegenleistung westlichen Konsummüll, Entertainmentmist und Fastfraß ohne Ende. Soll keiner sagen, die „1. Welt“ hätte nichts Gutes.
3 Fragen an die Debattierer der Münchner Sicherheitskonferenz
Unterstellen wir den Damen- und Herrschaften einmal wirklich hehre Absichten und nicht nur eine alljährliche PR-Show für besorgte Spießbürger (wer hat schließlich Bock, den Rest seiner Existenz in einem unterirdischen Atombunker bei Kunstlicht und Konservenkost zu verbringen?) . . .
1) Wie wollen Sie die globalen Sicherheitsprobleme lösen, ohne deren ökonomische Ursachen anzugehen?
2) Wie wollen Sie eine Kollision mit Russland und China vermeiden, solange sie an Ihren Vorstellung von einer Pax Transatlantika festhalten (müssen) und allenthalben die USA und die Briten vom neuen Kalten Krieg reden (dessen Motivation imperialer/wirtschaftlicher Natur ist)?
3) Wie wollen Sie ernsthaft Frieden schaffen, wenn die Rüstungsindustrie die Geschicke der größten Militärmacht der Welt und damit des westlichen Bündnisses bestimmt?
Resümee
Wir erkennen, die traditionelle Laberrunde scheitert zwangsläufig schon im Ansatz. (Dabei habe ich die Konsequenzen der Klimaaufheizung für den Weltfrieden, deren Vorboten wir bereits im letzten Sommer heftig zu spüren bekamen, noch nicht einmal angesprochen.) Die MSC ist ein Überbleibsel des ersten Kalten Krieges und hat sich dank ihrer ideologischen Scheuklappen und beschränkten Prämissen völlig überlebt.
Scheiße, was? Aber schön, dass wir darüber reden.