DIE AUFPASSER: Herspes Halleluja – III von IV

Was bisher geschah: Herspe muss eine Stunde auf den sabbernd im Rollstuhl hockenden Kommandanten achtgeben, normalerweise ein Kinderspiel. Doch dann bemerkt Herspe etwas Verdächtiges und niemand antwortet auf seine ordnungsgemäßen Melderufe . . .

INNEN. HOTELZIMMER – TAG

Herspe zieht ein angestrengtes Gesicht. Er denkt offenbar nach.

HERSPE (zu Kommandant): Wieso ist auf einmal niemand erreichbar?

Dann tritt er seitlich ans Fenster heran und späht vorsichtig hinaus … Der Kommandant gibt komische Geräusche von sich.

HERSPE: Keine Ahnung, was? (überlegt) Okay, Alarmstufe gelb.

Er zerlegt Kruses Handy, entnimmt Chip und Batterie, wirft die Einzelteile aufs Bett. Seitlich nähert er sich dem Fenster und blickt wieder vorsichtig hinaus. Paranoia beschleicht ihn …

HERSPE: Warum ist es da draußen so ruhig? (beunruhigt) Wo sind die nur alle hin …?

Der Kommandant zuckt nervös in seinem Rollstuhl, bewegt seine Lippen … Herspe mustert ihn genau.

HERSPE: Was sagst du da? (versucht Lippen zu lesen) Hat’s etwa jemand auf dich abgesehen? Mach langsam … (liest Lippen, buchstabiert) E-i-n … Ein … K-i-l-l-er-k-o-m-m-a … Killerkomma? Häh? Kommando. Killerkommando. (buchstabiert weiter) W-i-r m-ü-s-s-e-n h-i-e-r r-a … ? (kapiert) Wir müssen hier raus … ?

Herspe wirkt einen Moment ratlos. Dann …

HERSPE: Alarmstufe rot!

Schnell greift er den Rollstuhl samt Kommandant und schiebt ihn zur Hotelzimmertür. Er öffnet, peilt hinaus in den Flur, zuerst nach rechts, dann nach links. Alles verwaist. Die Luft ist rein … Herspe schiebt den Rollstuhl mit dem Kommandanten hinaus in den Flur.

Hinter ihm klickt die Tür ins Schloss.

IPAD-SCREEN: das leere Hotelzimmer, das Bett und darauf die Plastiktüte mit der Windel. (Aus dem OFF hören wir, dass die Tür aufgestossen wird.) Herspe erscheint im Bild. Hastig schnappt er sich die Tüte und eilt hinaus. (Aus dem OFF hören wir, wie die Tür wieder ins Schloss schlägt.)

INNEN. HOTELFLUR – TAG

Wir sehen wie Herspe am Ende des Flurs mit dem Rollstuhl im Fahrstuhl verschwindet. Die Tüte mit der Windel hängt an einem der Rollstuhlgriffe.

INNEN. HOTEL, TIEFGARAGE – TAG

Die Fahrstuhltür öffnet sich. Vorsichtig erscheint Herspes Kopf. Er späht, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, erneut nach rechts und nach links, die Türflügel schließen sich, rammen gegen seinen Kopf, öffnen sich sofort wieder und Herspe schiebt den Kommandant im Rollstuhl in die Tiefgarage … an den parkenden Autos vorbei, Richtung Ausfahrt.

AUSSEN. HOTEL – TAG

Hausecke. Herspes lugt an der Hausecke hervor … und zieht sich wieder zurück … Langsam erscheinen die Fußspitzen des Kommandanten im Rollstuhl, dann die Beine, schließlich der Rest. Herspe beugt sich nach vorn und peilt erneut die Lage, sprintet unvermittelt los. Den Kommandanten ruckt es schlagartig nach hinten …

OFF: ein knallendes Geräusch. Ein Pistolenschuss …?

Herspe zieht den Kopf ein. Tief geduckt den Rollstuhl schiebend hetzt er über den großen Parkplatz zu einem dichten Gebüsch, die Windeltüte flattert im Wind, und verschwindet mit dem Rollstuhl in einer schmalen Öffnung zwischen den Büschen.

Der Kommandant rollt voraus

AUSSEN. GEBÜSCH – TAG

Herspe keucht schwer. Außer Atem umklammert er die Rollstuhlgriffe. Beugt sich vor, holt tief Luft. Der Kommandant versucht vergeblich den Kopf zu drehen, um zu sehen, was Herspe macht. Der richtet sich auf, kramt den Flachmann hervor und trinkt gierig. Hustend schraubt er den Flachmann wieder zu. Dann hält er den Kopf, als habe er etwas gehört … Der Kommandant macht ein Geräusch.

HERSPE (legt Kommandant Hand auf den Mund): Pscht!

Lauschend wendet Herspe seinen Kopf wie ein Radar langsam in verschiedene Richtungen. Er hört nichts, oder? Doch …

OFF: plötzlich lautes Knacken. Trockene Äste zerbrechen unter schweren Tritten …

Vorsichtig umschließen Herspes Hände die Griffe des Rollstuhls. Er schiebt an. Der Rollstuhl bewegt sich nicht. Er schiebt fester. Der Rollstuhl steckt fest …

OFF: Plötzlich ertönen bedrohlich laute Stimmen …

HERSPE (leise): Sie haben uns entdeckt.

Er ruckelt panisch am Rollstuhl. Aber nichts passiert.

OFF: Die bedrohlich lauten Stimmen kommen näher …

HERSPE (zu sich selbst): Mann, Herspe, jetzt mach endlich!

Endlich macht der Rollstuhl einen Satz nach vorn. Der Kommandant wird vor und wieder zurück geschleudert. Herspe stolpert, kann sich gerade noch abfangen … Mit aller Kraft schiebt er den Rollstuhl aus dem Gebüsch.

AUSSEN. WALDWEG – TAG

Im Laufschritt trabt Herspe mit dem Rollstuhl einen Waldweg entlang. Die Windeltüte flattert im Wind. Nach einer Weile liegt der Aufpasser halb auf den Griffen …

HERSPE: Ich kann nicht mehr … Ich kann nicht mehr … Ich kann …

Er steuert eine Parkbank an, lässt sich völlig erschöpft darauf plumpsen …

HERSPE: … kann … kann nicht mehr …

Der Kommandant scannt mit verängstigten Blicken die Umgebung ab. Herspe fummelt den Flachmann aus der Hosentasche und saugt gierig daran … dann ist das Fläschchen leer … Herspe hält es hoch, kippt es um, beobachtet mit leidendem Blick, wie der letzten Tropfen zur Erde fällt. Dann schließt er die Augen und beruhigt sich. Nach einem Moment öffnete er sie wieder, blickt sich um, erkennt die Gegend …

HERSPE (lacht auf): Ha, hier haben wir früher NAFRIS gejagt und auf BTM kontrolliert. Wir wussten genau, wer was dealte.

Der Kommandant wirkt beunruhigt.

HERSPE: Jede Kontrolle, eine Verhaftung. (äfft NAFRI nach) “Was soll mache? Wenn dein Land bomben, wurdest du nicht weg, wo Friede und Arbeit gibt?” (zu Kommandant) Weißt du was ich gesagt habe? “Ich würd’ nicht dealen”, habe ich gesagt. “Ich würde nicht dealen.”

Der Kommandant macht nervöse Geräusche.

Herspe blickt auf, scheint in der Ferne etwas auszumachen, er quält sich hoch und schiebt den Rollstuhl weiter …

HERSPE: Sie werden dich nicht kriegen. Nicht solange-

OFF: ein lauter, heller Schrei ertönt.

Herspe duckt sich und beschleunigt seine Schritte … Der Kommandant versucht den Kopf in Richtung des Schreis zu drehen. Erneut ohne Erfolg.

MONTAGE: Herspe schiebt den Rollstuhl diverse Waldwege entlang. Kreuz und quer … hin und her … mal schneller, dann wieder langsamer … über den beiden der blaue Himmel, um sie herum sattes dichtes Grün.

INNEN. GEBÜSCH – TAG

Schließlich kommt der Rollstuhl in einem Gebüsch zum Stillstand. Völlig abgekämpft und total verschwitzt, stützt Herspe sich auf die Griffe. Der Kommandant bewegt sich unruhig. Herspe legt ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter. Sein Smartphone summt. Er holt es hervor. Erleichtert.

HERSPE (leise zu Kommandant): Alles wird gut. (ins Smartphone) Endlich, wo-

KRUSE (brüllt aus Smartphone): Wo ist der Kommandant, Sie Vollidiot?!

Der Kommandant zuckt immer unruhiger im Rollstuhl hin und her.

HERSPE: Wohlauf und in Sich-

KRUSE (aus Smartphone): Bleibt bloß, wo Ihr seid!

OFF: Ein lautes furzend, flutschendes Geräusch ertönt.

Herspe schaut den Kommandanten fragend an.

KRUSE (aus Smartphone): Hören Sie?

Der Kommandant macht zunächst ein erleichtertes Gesicht, um dann peinlich berührt, seinen Blick zu senken …

HERSPE: Oh, nein …

KRUSE (aus Smartphone): Was heißt hier “nein”?! Das ist ein Befehl!

Herspe schnüffelt angewidert …

HERSPE: Nicht das …

Die Tüte mit der Windel hängt neben seiner Hand am Rollstuhlgriff.

KRUSE (aus Smartphone): Genau das ist Ihr Auftrag. Verstanden?!

Entnervt klickt Herspe das Gespräch weg. Angeekelt nimmt er die Tüte vom Griff und entfaltet die frische Windel.

HERSPE (zu Kommandant): Wo soll ich hier denn einen Wickeltisch herkriegen?

Er schaut aus dem Gebüsch heraus …

POV Herspe: Er entdeckt eine Tischtennis-Platte aus Beton.

AUSSEN. PARK – TAG

Herspe schiebt den Rollstuhl zu der Tischtennis-Platte.

HERSPE: Hoffentlich sieht uns niemand.

Sich zur Vorsicht umblickend bemerkt er …

Eine Gruppe junger Mütter und Väter mit Babys und Kleinkindern, die den Mann im Rollstuhl und den Anzugträger mit der Erwachsenenwindel in der Hand irritiert anstarren …

HERSPE: Ich hasse mein Leben.

Herspe braucht dringend Trost

INNEN. HOTELZIMMER, BAD – TAG

Herspe betrachtet sich seufzend im Badezimmerspiegel …

SVETLANA (off): Bodo Herspe ist ein exzellenter Sicherheitsmann, der selbst vor außerordentlichem persönlichen Einsatz nicht zurückscheut.

… und quetscht die pralle Tüte mit der vollen Windel in einen kleinen Mülleimer mit Fußhebel-Deckel.

INNEN. HOTELZIMMER – TAG

Der Kommandant sitzt im Rollstuhl und schaut auf das Ipad. Er hat jetzt eine Art Sonde mittels Klebeband am Hals befestigt, die per Kabel mit einem Smartphone verbunden ist: sein Sprechcomputer. Lisa steht bei ihm. Kruse sitzt auf dem Bett und setzt das von Herspe zerlegte Handy wieder zusammen.

IPAD-SCREEN: Svetlana ist vor dem Waechter-Logo zu sehen, sie blickt in unsere Richtung und scheint ihren Text von einem unsichtbaren Tele-Prompter abzulesen …

SVETLANA: Sein Handeln diente allein seinem Auftrag, bedingungslos für Ihre Sicherheit zu sorgen.

Lisa legt dem Kommandanten die Hände auf die Schultern.

LISA (zu Svetlana): Um die Stimme des nationalen Widerstandes zum Verstummen zu bringen, schrecken die Feinde meines Mannes vor nichts zurück.

KOMMANDANT (mit künstlicher Roboterstimme): Kamerad Herspe hat sich tapfer bewährt.

Herspe kommt hinzu. Er schwitzt leicht. Im Hintergrund schaltet Kruse das zusammengesetzte Handy ein.

SVETLANA (zu Kommandant): Umso mehr freut es mich, dass Sie Ihre Stimme wiedergefunden haben.

Kruse steht auf.

KOMMANDANT (Roboterstimme): Kamerad Herspe genießt mein Vertrauen.

Überrascht blickt Kruse zum Kommandanten.

Lisa streckt eine Hand nach dem Handy aus. Kruse reagiert nicht.

KRUSE (eindringlich): Aber, Kommandant, der Idiot hat Sie unnötig in Gefahr gebracht.

Der Kommandant schließt missbilligend seine Augen.

SVETLANA: Ihr Vertrauen ehrt uns alle hier bei Waechter-Security. Auf Wiedersehen, Herr Kommandant.

Im Hintergrund wird der IPAD-SCREEN schwarz. Ungeduldig schnippt Lisa mit den Fingern. Eilig reicht Kruse ihr das Handy. Sie prüft etwas und winkt ihn zu sich heran. Fragender Blick von Kruse. ZACK! verpasst Lisa ihm mit der flachen Hand einen Schlag auf den Hinterkopf.

KRUSE: Aua. Wofür war das denn?

LISA: 0-4 und nicht 4-0 am Ende.

KRUSE: Oh.

Herspe nickt Kruse freundlich zu, dem die Wut im Gesicht steht.

LISA (tritt zu ihrem Mann): So, Rudolf, damit wäre alles geklärt. Ich bespreche jetzt schnell die neue Route zum Konferenzort und dann fahren wir in … (Blick auf ihre Uhr) … fünfzehn Minuten ab.

KOMMANDANT (Roboterstimme): Danke, Liebling.

KRUSE (eifrig): Das Gebiet ist vollständig aufgeklärt, mein Kommandant. Sie sind absolut in Sicherheit. (zu Herspe) Wir sind gleich zurück. Keine-

HERSPE (unterbricht): -Ausflüge. Geht klar, Meister.

KRUSE (leise zu Herspe): Wenn ich zurückkomme, reisse ich dir den Kopf ab und piss in deinen Hals.

Fortsetzung und Finale folgt . . .

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