KURIER – Story 13

Der Boss glaubt offenbar Kuriers Ausführungen, denn er befiehlt ihm, die gestohlene Ware wiederzubeschaffen. Damit dies auch gelingt, muss der Bodyguard als Aufpasser das Kommando übernehmen …

Wir sind seit Stunden unterwegs. Der Bodyguard sitzt auf dem Beifahrersitz und organisiert telefonierend unsere Suche. Ich schweige und beobachte ihn unauffällig. Er wirkt umsichtig, eiskalt und gefährlich. Auf einmal höre ich ihn sagen: „Billiges Koks? … Ja … Neue Spitzenqualität auf der Straße? … Hak da sofort nach.“ Er beendet sein Telefonat.

Nach längerem Zögern frage ich: „Ihr habt wohl überall eure Zuträger?“

Er ignoriert mich. Beklemmend stille fünfzehn Minuten später erhält er einen neuen Anruf. „Ja … Gut … Ich warte.“ Er beendet das Telefonat und befiehlt: „Erste rechts. Dritte links.“

Ich frage: „Was macht ihr mit den Kerlen?“

„Wirste dann sehen.“ Der Bodyguard sucht im Radio nach einem Sender. Anscheinend alles Mist, bis aggressiver Gangsta-Rap ertönt. Irgendein Typ mit schlechter Aussprache kopiert US-Ghettoboys und sondert Aggroreime über Sex und Gewalt, Kohle und Bullen ab.

Der Bodyguard lehnt sich zurück, sein Kopf nickt rhythmisch zum Beat.

Das Rapgelaber soll mächtig böse klingen, ist in Wahrheit aber nur ödes Kalkül, um mächtig viel Kohle zu raffen. CREAM nennen das die US-Ghettoboys: cash rules everything around me. Eine Lektion, die jeder sofort kapiert, der mit nichts auf der Tasche in unserer deutschen Tretmühle landet. Cash, vielmehr der Mangel daran, diktiert in diesem Moment auch mein Handeln.

Vorfreude ist die schönste Freude

Um dem Aggrotexter nicht länger Aufmerksamkeit zu schenken, sage ich: „Das ist alles so unwirklich.“

„Du atmest, du fährst, du schweigst“, sagt Bodyguard. „Ist das für dich auch unwirklich?“

„Nein.“

„Halt dich dran.“

Ich atme. Ich fahre. Ich schweige. Die Musik wummert unvermindert im Innenraum. Ich fühle mich unwohl. Der Bodyguard brummt leise mit, scannt dabei mit wachen Blicken die nächtliche Umgebung. Immer wieder spiegeln sich die Lichter der Straßenlaternen im polierten Lack des Passat.

Sein Telefon summt erneut. Der erwartete Anruf. „Ja … Gut … Behalt ihn im Auge. – Los, vorne links, dann geradeaus.“

Seiner Anweisung folgend biege ich ab und fahre weiter geradeaus. Der Bodyguard erhält ein Foto auf sein Telefon gesendet. Aus dem Augenwinkel erkenne ich flüchtig einen Typen vor einer Häuserwand. Das Bild wurde offenbar vor wenigen Sekunden im Vorbeifahren aus einem Auto geschossen.

Die Jagd ist eröffnet.

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