Bodyguards Zuträger haben einen Typen ausfindig gemacht, der billiges Koks in Spitzenqualität verdealt. Wenige Minuten nach der Info biegt Kurier mit dem Passat in die Straße ein, wo der Typ sich aufhält …
Der Bodyguard steigt aus und schließt mit schnellen Schritten von hinten zu dem Typen vom Foto auf. Ich fahre weiter, stoppe einige Meter vor dem Jungen, der aussieht, als wäre er höchsten siebzehn Jahre alt, am Straßenrand. Ich muss mich weit hinüberlehnen, um wie befohlen die hintere rechte Tür aufzustoßen. Augenblicklich versperrt sie dem Jungen auf dem Bürgersteig den Weg. Er will noch einen Bogen machen, da packt ihn der Bodyguard bei den Schultern, stößt ihn auf die Rückbank und steigt selbst ein. Ein harter Schlag. Jeglicher Widerstand entweicht aus dem Körper des Jungen.
Der Bodyguard schließt die Tür. „Abfahrt!“
Ich reagiere zu langsam. Er schlägt mich mit der flachen Hand an den Hinterkopf. Sofort trete ich das Gaspedal durch.
Die Hand- und Fußgelenke des Jungens werden vom Bodyguard mit Kabelfesseln verschnürt, anschließend klebt er ihm ein breites schwarzes Klebeband über den Mund und durchsucht dessen Taschen. Der Inhalt: zwei Telefone, einen Schlüsselbund, einen Beutel mit weißem Pulver und eine kleine Pistole. Der Bodyguard wirft alles auf den Beifahrersitz.
Ich erkenne mein Telefon an der Hülle sofort wieder. „Das ist mein Handy.“
„Na also“, sagt der Bodyguard und schüttelt den Jungen. Als der die Augen öffnet, packt er ihn hart am Hals. „Ich frage dich nur einmal, wo ist die Ware?“
Der Junge schweigt. Der Bodyguard quetscht ihm die Kehle zusammen. Der Junge macht Geräusche unter dem breiten Klebeband auf seinem Mund. Sie klingen wie ein gequältes Grunzen. Ich schaue in den Rückspiegel.
Der Blick des Bodyguard trifft mich. „Sieh auf die Straße und dreh die Musik auf.“
Ich gehorche. Laut wummernder Hip-Hop übertönt das brachiale Verhör des Bodyguards. Der Junge bäumt sich vor Schmerzen auf, immer wieder tritt er mit den Füßen in die Rücklehne meines Sitzes. Ich zwinge mich, geradeaus auf die Straße zu schauen.
Dann reißt der Bodyguard dem Jungen das Klebeband vom Mund. Er muss ein Ohr ganz nah an dessen Lippen bringen, damit er hören kann, was der Junge sagt. Der Bodyguard versteht und brüllt: „Musik aus!“
Die anschließende Stille klingelt in meinen Ohren.
„Halt an.“
Ich halte am Straßenrand und registriere erst jetzt die Gegend. Wir befinden uns in einem heruntergekommenen, alten Industriegebiet, das um diese Zeit völlig verlassen scheint.
Der Bodyguard starrt dem heftig atmenden Jungen direkt in die Augen. „Du rufst jetzt deinen Freund an.“
Die Aufforderung lässt den Widerstandswillen des Jungen zurückkehren. Er schüttelt trotzig den Kopf.
„Ich werde euch nichts tun. Ich will nur den Stoff wieder haben. Okay?“
Der Junge glaubt ihm kein Wort.
Genervt sieht der Bodyguard in den Rückspiegel und sagt zu mir: „Tu mal was für deine Lieferung.“
Nach kurzem Überlegen wende ich mich nach hinten und sage zu dem Jungen: „Erkennst du mich wieder?“
Er schaut weg. Der Bodyguard fasst ihm an den Kiefer und dreht sein Gesicht wieder zu mir.
„Du weißt, wer ich bin. Du und deine beiden Freunde, ihr seid mir letzte Nacht gefolgt. Ihr habt mich überfallen und ausgeraubt.“
Der Junge hält die Augen geschlossen. Der Bodyguard quetscht ihm das Gesicht zusammen, bis er sie wieder öffnet.
Ich sage: „Du verstehst, dass ich die Ware ordnungsgemäß abliefern muss. Dafür müsst ihr sie mir zurückgeben. Das ist unumgänglich.“
Aus blutunterlaufenen Augen stiert der Junge mich an. Trotz seiner Schmerzen hat sich stark unter Kontrolle.
Ich rede weiter: „Der Überfall war ein Fehler, okay. Aber jetzt geht es hier um Schadensbegrenzung. Es geht um euch, um dich und deine beiden Freunde. Ihr wollt doch heile daraus kommen?“
Keine Reaktion.
„Ich kann mich aber nur für euch einsetzen, wenn ihr mir die Ware zurückgebt. Verstehst du das?“
Ich schweige, lasse scheinbar meine Worte wirken. In Wahrheit, weiß ich nicht, was ich ihm noch vorquatschen soll.
Endlich willigt der Junge ein. Er nickt mit dem Kopf.
Das reicht dem Bodyguard nicht. „Sag es!“
„I-Ich verstehe.“
Der Bodyguard wirft mir einen Blick zu: O.K.
Ich nehme das Telefon des Jungen. „Die Nummer?“
„W, die erste.“
„Alter, was geht“, antwortet W nach dem zweiten Signalton.