VIGILANTEN – work in progress 17

Für Sina ist die Beziehung mit Klemens beendet. Aber restlos. Bloß nie wieder mit einem Kollegen, schwört sie sich, das geht immer schief und gibt danach nur noch mehr Theater. Klemens ist da völlig anderer Meinung. Um seinem Standpunkt Nachdruck zu verleihen, borgt er sich den Fleurop-Gutschein, den seine Mutter von ihrem Ex-Freund, seinem kniepigen Stiefvater zum 70-zigsten bekam, sprüht sich mit einer Ladung Cool Water ein und lässt sich von Rita im Blumenshop eingehend beraten …

Blumenstrauß in der Hand, umkurvte Klemens den überquellenden Müllcontainer auf dem Bürgersteig, ohne zu bemerken, dass dort jemand seine Klamotten samt Wäschekorb hineingestopft hatte.

„Also wenn die Rosen für mich wären, wüsste ich sofort, welche Schweinereien ich mit dir anstellen würde“, hatte Rita gesagt. Sie wollte immer das eine. Schade, dass sie nicht sein Typ war. Er sollte trotzdem mal daraufzurückkommen.

Klemens schloss die Eingangstür auf und lief mehrere Treppenstufen gleichzeitig nehmend hoch in die vierte Etage, wo er an der Wohnungstür schellte. Er war kein bisschen außer Atem. Er wusste, Sina hielt sich in der Wohnung auf. Also schellte er erneut.

„Ich habe dich längst gesehen.“ Er klopfte an die Tür. Aber Sina öffnete noch immer nicht. Klemens hielt den Blumenstrauß vor das Guckloch und sagte: „Ich möchte mit dir reden. Das mit der Wohnung tut mir leid. Ich habe etwas überreagiert.“

„Erzähl mal was Neues“, drang ihre Stimme durch die Tür.

„Das ist doch albern. Komm mach auf, Sina. Ich möchte ehrlich nur mit dir reden.“ Er lehnt sich an die Wand.

Nach eine halben Minute öffnete sie endlich einen Spalt.

Er sagte: „Momentan krieg ich’s von allen Seiten.“

„Von wem denn noch?“

Er gab keine Antwort.

Sie kapierte auch so, was er meinte, denn sie sagte: „Sie haben dich also wieder abgelehnt.“

„Ach, das SEK ist mir doch egal. Aber du bist mir nicht egal. Verstehste? Ich will nicht, dass wir uns trennen.“

„Du willst nicht. Hauptsache du.“

„Sag das doch nicht immer.“

Sie öffnete die Tür. Hinter ihr im Wohnzimmer lief der Fernseher, weil beide schwiegen, war die Stimme der Moderatorin deutlich im Flur zu verstehen.

„Klemens, du merkst gar nichts. Du reagierst immer nur, wenn man Konsequenzen zieht. Wenn was nicht nach deinem Willen läuft, tobst du rum und zerlegst meine Wohnung.“

„Ich habe mich doch gerade dafür entschuldigt.“

„Den Punkt haben wir schon lange überschritten.“

„Welchen Punkt?“

„An dem ,Entschuldigungʻ noch irgendeine Bedeutung hat. Dein Reden bedeutet nichts. Gar nichts.“

„Ach so, ich rede nur. Hast du eine Ahnung.“

„Nein, du redest nicht nur. Du lässt Taten sprechen.“

„Genau. Bei mir weißt du, woran du bist. Klare Kante.“

„Gott, bist du blöd.“

Sie warf die Tür zu. Aber er hatte schon seinen Stiefel dazwischen gesetzt.

„Nimm den Fuß weg.“

„Hör mir genau zu. Ich rede nicht, ich handle. Für dich. Für alle Kollegen. Damit das klar ist.“

„Ach ja, was machst du denn? Was machst ausgerechnet du für mich und alle Kollegen?“

Klemens verkniff sich das, was er sagen wollte.

Aus dem Fernseher hörte Sina die Stimme von Herrn Abbas, dem Typen vom Bürgerverein ,Nachbarn in Zepter‘: „ … Lösungskonzept für Zepter. Gestern hat ein Schlägertrupp wehrlose Kinder und Jugendliche auf einem Spielplatz zusammengeschlagen. Wo leben …“

„Ein Schlägertrupp prügelt Kinder krankenhausreif?“, sagte Sina und musterte Klemens. „Hast du bestimmt von gehört.“

„Hat sich rumgesprochen.“ Er hielt einige Sekunden ihren Blick, ohne die Miene zu verziehen, grinste dann wie ein kleiner Junge, der etwas zu verbergen hatte.

Sie fragte: „Was gibt’s denn da zu grinsen?“

„Ich freue mich einfach. Ich habe dir Blumen mitgebracht.“ Er präsentierte ihr den Strauß rote Rosen.

Sina dachte, wie kitschig und fragte: „Worüber freust du dich so?“

„Über dich, über mich und dass wir beide miteinander reden.“

Sie nahm ihm die Rosen ab und sagte: „Danke für die Blumen. Bitte, geh jetzt wieder nach hause.“

„Ich darf nicht reinkommen?“

„Besser nicht, es ist nicht aufgeräumt. Aber du darfst mir den Hausschlüssel wiedergeben.“

Klemens trat zurück, drehte sich um, ging ein paar Schritte zur Treppe, blieb dann stehen. „Lässt du mich denn rein, wenn ich das nächste Mal komme?“

Sina lächelte aus Verzweiflung. Der Kerl wollte einfach nichts kapieren.

„Siehste, Sina, ich kann doch noch ein Lächeln ins Gesicht zaubern.“ Klemens deutete ihre Reaktion wieder völlig falsch. Er löste den Schlüssel vom Bund und reichte ihn ihr. Als sie danach griff, umschlossen seine Finger ihre Hand. „Wir gehören zusammen.“ Er zog sie mit einem Arm zu sich heran und versuchte sie küssen. Sina wandte ihr Gesicht ab. Er umklammerte sie wie ein Schraubstock, nahm ihr Kinn, drehte ihr Gesicht zu sich. Sie konnte sich nicht rühren. Er war zu stark. Immer panischer atmete Sina ein und aus. Jetzt war sein Gesicht so nah vor dem ihren, dass sie die geplatzten roten Äderchen in seinen Augen sah, ihr sein penetrantes Aftershave in die Nase stieg, sie seinen süßlichen Atem roch. Sina musste würgen.

Er sagte: „Wir werden immer zusammengehören. Ich weiß, ich bin der einzige Mann in deinem Leben. Aber jetzt ruh dich aus, mein Schatz. Alles wird gut. Versprochen.“ Dann ließ er sie los und trabte, ohne sich noch einmal umzudrehen, gutgelaunt die Treppe hinab.

Sina lehnte sich an die Wand. Unvermittelt begann sie am ganzen Leib zu zittern. Sie schlug mit den Handballen gegen den Rauputz. Tränen liefen ihr über die Wangen.

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