KAPITALISMUS BRAUCHT SKLAVEN

Hierzulande weitestgehend unbeachtet, hat sich das oberste Schiedsgericht des Hortes für globale Freiheit, Demokratie und Menschenrechte mit folgender Frage beschäftigt: „Wenn ein amerikanischer Konzern die Kindersklaverei in einem anderen Land unterstützt und fördert, können die Opfer dann das Unternehmen vor einem amerikanischen Gericht verklagen?“ – Wie Kindersklaverei? Wurde Sklaverei nicht vor über 175 Jahren „zugunsten der Lohnarbeit“ abgeschafft? Offensichtlich nicht überall, sonst hätten die Robenfurzer sich 2020 des Themas niemals annehmen müssen …

Weil der dem Kapitalismus dienende Oberste US-Gerichtshof immer wieder Konzernen die begehrten natürlichen Personenrechte zugesprochen hat, sollte man meinen, die Antwort zu der oben gestellten Frage läge auf der Hand. Denn was für Menschen gilt, muss der Logik folgend im Umkehrschluss auch für Konzerne gelten. Getreu dem Grundsatz gleiches Recht für alle.

Dann kam der „gute Demokrat“, „ewige Anti-Trumper“ und ehemalige Oberfeilscher (Acting Solicitor General) der Obama-Administration, Rechtsanwalt Neal Katyal und verteidigte die beiden der Beihilfe zur Kindersklaverei bezichtigten US-Konzerne Nestlé (ein Ableger der Nestlé S.A.) und Cargill.

KLAGE

Sechs Staatsbürger aus Mali wurden im Alter zwischen 12 und 14 Jahren in die Elfenbeinküste verschleppt und dort zur Arbeit auf Kakaoplantagen gezwungen. Sie erhielten etwas zu essen, aber keine Bezahlung, stattdessen regelmäßige sadistische Misshandlungen von den Aufsehern, die bei einem der Kläger zu dauerhaften Schäden geführt haben.

LINK: Sogar die Systemmedien berichteten über die Kindersklaven …

https://edition.cnn.com/videos/world/2015/05/26/chocolate-child-slaves-ivory-coast-spc-cfp.cnn

Die sechs Kläger beschuldigten Nestlé und Cargill, den Plantagen finanzielle und technische Hilfe zukommen zu lassen, obwohl sie von der Versklavung von Kindern wussten und wissen. Ihren Ausführungen nach, üben die Konzerne massiven Druck auf die Plantagen aus, billigen Kakao zu liefern. Dazu ist den Unternehmen offensichtlich jedes Mittel recht.

HINTERGRUND

1789 wurde in den USA das „Alien Tort Statute“ verabschiedet. Es besagt, dass Bundesgerichte bei Verletzungen internationaler Rechte die Klagen von Ausländern annehmen können. Klingt, als würde den Menschenrechten damit Gehör verschafft werden, was?

Gemach, gemach. Wenn es um die Schutzrechte von Konzernen geht, dann gibt es für die obersten Richter erfahrungsgemäß kein Halten. So haben sie zuletzt 2018 ausländischen Konzernen Immunität vor ATS-Klagen zugesprochen.

Logo, dass für die Westpropaganda gierige Kapitalisten wie kleine fette Asiaten aussehen

VERTEIDIGUNG

Gutmensch Katyal plädierte, US-Konzernen die gleiche Immunität zu gewähren wie der Konkurrenz. Seine Begründung: Die amerikanischen Konzerne hätten sonst einen Wettbewerbsnachteil, außerdem würde das Risiko kostspieliger ATS-Haftung ausländische Investoren abschrecken.

Würde das Gericht seiner „Logik“ folgen, dann bräuchte kein Konzern ein Strafverfahren dieser Art zu fürchten. Es hätte wohl kaum Chancen, zugelassen zu werden.

Die Kläger behaupten, so das Gericht, es gäbe eine „internationale Norm“ für eine Konzernhaftung. Dem widersprach Katyal:

Ich denke, dass die Norm, die sie (die Kläger) geltend machen, nicht Kindersklaverei, sondern Beihilfe zur Kindersklaverei ist. Die Kläger können auf keinen einzigen Fall verweisen, der besagt, dass es eine internationale Norm gegen ein solches Verhalten (der Beihilfe) gibt.

Katyal wurde vom Gericht gefragt, ob ein ehemaliger Kindersklave einen einzelnen Sklavenhalter nach dem Gesetz verklagen könne. Er bejahte dies. Die nächste Frage lautete, ob ein ehemaliger Kindersklave 10 Sklavenhalter nach dem Gesetz verklagen könne. Katyal bejahte dies ebenfalls. Schließlich: Wenn diese 10 Sklavenhalter nun ein Unternehmen gründeten, könnte ein ehemaliger Kindersklave dieses Unternehmen dann verklagen? Katyal erwiderte nein.

Die Begründung: Ein Sklavenhalter-Unternehmen (Konzern) wäre immun, weil es keine „spezifische Norm“ der Haftung „nach internationalem Recht“ gäbe.

Der feine Anwalt formulierte es noch eindeutiger: Ein US-Konzern, der im Ausland Kinder versklavt, kann unter dem ATS nicht dafür haftbar gemacht werden.

Wer denkt, diese widerwärtige Argumentation sei unhaltbar, der kennt das Urteil nicht.

URTEIL

Der Oberste Gerichtshof entschied ein halbes Jahr später gegen die Kläger, da sie nicht ausreichend nachweisen konnten, dass die Aktivitäten der Konzerne Nestlé und Cargill mit der Kindersklaverei in Verbindung stünden.

Damit haben die Robenfurzer auf Lebenszeit sich elegant aus der Affäre gezogen. Sie sprachen den Klägern einfach ihre Beweise ab. Recht schert die Richter wenig, Gerechtigkeit schon gar nicht. Sie sind die willigen Büttel der herrschenden Eigentümerklasse.

Merke: Konzerne pfeifen auf die für sie so wichtigen natürlichen Personenrechte, wenn sie ihnen nicht zum Vorteil gereichen

(N.B. Das o.a. US-Supreme-Court-Urteil von 2018 wurde übrigens mit 5:4, das von 2021 mit 8:1 Stimmen entschieden. Der politische „Rechtsruck“ durch drei neue, junge Richter ist ein Resultat der über 40-jährigen Arbeit der Federal Society, die Bundesgerichte mit erzreaktionären, vor allem aber absolut kapitalhörigen Richtern zu besetzen.)

Kapitalistenmantra: Wir wollen alles und wir wollen es sofort

FOLGERUNG

Das oberste „US-Kängurugericht“ – das ist die richtige Bezeichnung für diesen Club – hatte damit genauso entschieden, wie Konzerne und Finanzwelt es erwarteten: Die Täter erhalten Immunität für ihre kriminellen Machenschaften. Das gleiche Prinzip galt 2009 für die Verursacher der Wirtschaftskrise, die Wall-Street-Banken, die mit dem Argument systemrelevant (too big to fail) von der Justiz geschützt wurden. Es gilt 2023 für die Pharmakonzerne, deren Pfusch und Vertuschungen bezüglich angeblicher Produkttests, behaupteter Wirkungen und geleugneter Nebenwirkungen ihrer Impfstoffe trotz eindeutiger Gegenbeweise keinerlei juristische Konsequenzen haben. Und das gilt erst recht für die „Sklavenhalterkonzerne“.

Den Grund, warum das Urteil ausfiel, wie es ausfiel, hatte Winkeladvokat Katyal in seiner Argumentation den Richtern gleich eingetrichtert: Wettbewerbsnachteil. Haftungsausschluss sichert Gewinn.

Darum dürfen Konzerne plündern, zerstören und vergiften wie sie wollen, und ihre Eigentümer, Milliardäre und die großen „Vermögensverwalter“ wie BlackRock, Vanguard et al. lassen vor Begeisterung die Korken knallen. Die Ärmsten der Armen für die billige Gewinnung von Rohstoffen brutal auszubeuten, ist schließlich eine zentrale Säule des Kapitalismus, von dem die kriminelle Eigentümerklasse des Westens seit über 500 Jahren profitiert.

(N.B. Die demonstrative Rückgabe von geraubten Kulturgütern mag applausheischenden westlichen Wichtigtuern ein gutes Gefühl verschaffen, sie ist ohne ökonomische Gerechtigkeit eine bedeutungslose Geste.)

Am Beispiel Nigers und ECOWAS (siehe vorletzten Link) wird klar, wie die ehemalige Kolonialmacht Frankreich die Ausbeutung institutionalisiert hat. Nicht von ungefähr sind die westlichen G7-Staaten ein Zusammenschluss der alten Kolonialmächte. Das von ihnen geschaffene „Recht“ stützt und schützt das von ihnen repräsentierte System. Ihre „Rechtsprechung“ dient dem System bedingungslos. Justizia ist nicht nur blind, taub und zugedröhnt, sie wird von den Zahlmeistern auch noch freigehalten.

LINK: Beispiele, wie selbstverständlich korrupt die höchsten US-Richter sind …

https://www.theguardian.com/commentisfree/2023/apr/28/supreme-court-ethics-issues-worse-than-you-realize

https://slate.com/news-and-politics/2023/05/supreme-court-percoco-cuomo-corruption.html

Zum Schluss ein Zitat von Chris Hedges, das auch die Situation hierzulande beschreibt, in dem die Politik die höchsten Richter ernennt und Justizminister ihren Staatsanwaltschaften gegenüber weisungsbefugt sind:

Eine Welt ohne Gerechtigkeit bringt nicht nur Zynismus hervor – die Überzeugung, dass die Strukturen der Macht feindselig und Appelle an die Tugend sinnlos sind –, sondern auch Verzweiflung. Lug und Betrug werden notwendig, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Dieses moralische Elend schafft ein gespaltenes Bewusstsein. Die Wiederholung der offiziellen Lügen ist nicht nur eine Voraussetzung für Arbeit, Aufstieg und sozialen Status, sondern auch für das eigene Überleben.“ (Letzteres belegt das unsägliche Schicksal von Julian Assange, MiC)

(Quelle: How the Cult of the Self Undermines the Rule of Law, Chris Hedges, Scheerpost, 23.04.2023)

Erkenntnis: Der Kapitalismus ist ein Unrechtssystem, dem wir alle zum Opfer fallen, je länger wir es hinnnehmen.

LINK: Wie Neo-Kolonialismus funktioniert …

LINK: Mehr historischer Kontext zu dem dreifaltigen Übel …

(Quellen für das besprochene Gerichtsverfahren: SLATE, Prominent Anti-Trump Attorney Asks the Supreme Court to Let Companies off the Hook for Child Slavery, Mark Joseph Stern, 01.12.2020; COMMON DREAMS, ‘Dangerous Precedent’: US High Court Sides With Corporate Giants Nestle and Cargill in Child Slavery Case, Julia Conley, 17.06.2021)

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